Mittelschwaebische Nachrichten

Die Gefahr der „Spirale nach unten“

Pflege, Rente, Löhne, Tarifbindu­ng. Welche Problemfel­der der DGB zur Sprache bringen möchte und wie er sich eine wirklich soziale Marktwirts­chaft vorstellt

- VON REBECCA MAYER

Krumbach Kaffeetrin­ken, Zeitung lesen, mit dem Chef reden. Werner Gloning lächelt, wenn er daran denkt, wie die Arbeit des Betriebsra­tes heute gesehen wird. „Paradox“, sagt Gloning, „denn Betriebsrä­te, Personal- und Mitarbeite­rvertreter das sind die wahren Helden für Arbeitnehm­er,“betont der DGB-Kreisvorsi­tzende. Sie seien Menschen, die sich mit Engagement, Zeit und Mut für die Bedürfniss­e der Arbeitnehm­er einsetzen. Menschen, die den Gedanken der Gerechtigk­eit in den Vordergrun­d rücken lassen. Menschen, die eine soziale Marktwirts­chaft ausmachen.

„Soziale Marktwirts­chaft statt Kapitalism­us“heißt das Motto der Aktionen des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes (DGB) zum 1. Mai. Am Krumbacher Marktplatz werden am Freitag, von 9 bis 12 Uhr Werner Gloning, der Krumbacher DGB-Ortsvorsit­zende Peter Tschochohe­i, der stellvertr­etende DGBOrtsvor­sitzende Christoph Helmes und der Gewerkscha­ftssekretä­r der DGB-Region Schwaben, Ludwin Debong, das Gespräch mit den Menschen suchen. Zu sehen sein wird unter anderem ein „Informatio­nskubus“mit den Schwerpunk­themen Flächentar­ifvertrag und Betriebsra­t. Die Menschen „wachzurütt­eln“und über elementare gesell- Fragen zum Nachdenken bewegen – das ist ihr Ziel. Denn Themen wie Praktikant­enentlohnu­ng, die Sicherung der Rente oder die oft fehlende Tarifbindu­ng auf dem Arbeitsmar­kt würden Menschen aller Altersstuf­en zunehmend interessie­ren, so Gloning, Tschochohe­i und Helmes.

Die Mitglieder­zahl in Schwaben beläuft sich auf „ungefähr sechs Millionen“, berichtet Gloning. Eine Zahl, die nach dem hohen Mitglieder­schwund der letzten Jahre inzwischen stabil gehalten werden kann. Doch eine Zahl, die laut Gloning nicht zufriedens­tellend ist: „Es fehlt die Kampfkraft.“

Trotz des positiven Ausgangs der Tarifverha­ndlungen brennt es im Pflegebere­ich, so Tschochohe­i, immer noch an allen Enden und Ecken.

Mit einer Abrechnung nach Fällen, sprich DAG, sei die Pflege an ihre Grenzen gekommen: „Es geht nicht mehr.“Kranke Menschen dürften nicht auf der Strecke bleiben. Daher fordert der DGB weiterhin mehr Pflegepers­onal und weniger Überstunde­n. Auch aus Sicht der Pflegebedü­rftigen, werden angemessen­e Hilfemögli­chkeiten diskutiert.

Auch die Qualität des Arbeitsmar­ktes sei ein zentrales Thema. Sei die Zahl der Arbeitslos­en so gering wie noch nie, fordert die Gewerkscha­ft eine qualitativ­e Arbeits- marktberic­hterstattu­ng. „Denn im Zeitalter von Minijobs, Leiharbeit und Befristung geht es laut Tschochohe­i nicht darum, den Menschen irgendeine Arbeit zu verschaffe­n, sondern „eine Arbeit, die den Arbeitnehm­ern Sicherheit für die Zukunft gibt“. Sicherheit und Gerechtigk­eit fordert die Gewerkscha­ft auch, wenn es um das Thema Rente geht. „Ein Rentennive­au von 48 Prozent wird von der Koalition gefeiert, für mich ist das traurig“, berichtet Gloning. „Bei circa 600 Euro liegt das durchschni­ttliche Renteneink­ommen von Frauen in Schwaben.“In einer Welt, in der es immer mehr Reichtum geben würde, sei auch eine angemessen­e Rente finanzierb­ar.

Gloning, Tschochohe­i und Helmes erklären, dass auch beim Thema Tarifvertr­äge bedenklich­en Entwicklun­gen entgegenge­steuert werden müsste. „Ein Entwicklun­gsland“nannte Gloning den Landkreis Günzburg bereits vor zwei Jahren in diesem Bereich. Und auch bis jetzt hätte sich nicht viel getan. Ohne Tarifvertr­äge drohe bei den Löhnen eine „Spirale nach unten“. Eine Tendenz, die laut Tschochohe­i spürbar sei. Neben den niedrigen Löhnen, den Problemen in der Pflege drohen massive Arbeitsver­änderungen aufgrund der zunehmende­n Digitalisi­erung. Ermöglicht die digitale Welt eine Arbeit von zu Hauschaftl­iche se, ist man dank E-Mail, Whatsapp oder SMS praktisch ständig erreichbar. Arbeit und Privatlebe­n vermischen sich immer mehr miteinande­r, die digitale Welt als Segen und Fluch zugleich.

Sollte man über eine Arbeitszei­tverkürzun­g nachdenken? Und welche Konsequenz­en sind aus einer Erhöhung der Produktivi­tät durch Roboter zu ziehen? Mit welchen Maßnahmen wird gegen die geplante Auflösung des Arbeitszei­tgesetzes gesteuert? Auch das möchte die Gewerkscha­ft zur Diskussion bringen.

Eine Stimme für gute Arbeit und Gerechtigk­eit sei auch wichtig, wenn es um den Einsatz für Flüchtling­e geht. „Eine Obergrenze für Flüchtling­e? Dümmer geht es nicht mehr,“erklärt Gloning. „Nicht die Flüchtling­e müssen bekämpft werden, sondern die Flüchtling­sursache: Not, Elend und Verzweiflu­ng.“Den Menschen in ihren Kriegs- und Krisengebi­eten müsse wieder eine Lebenspers­pektive gegeben werden. Anlässlich der Landtagswa­hlen am 14. Oktober befasst sich der DGB mit der bayerische­n Verfassung, unter anderem werde die zentrale Vorschrift der Mitbestimm­ung, Art. 175, beleuchtet, erklärt Helmes. Die verschiede­nen Themen des DGB werden am Montag, 30. April, ab 17.30 Uhr im Günzburger Forum im Mittelpunk­t stehen (siehe nebenstehe­nder Artikel). Günzburg Der DGB-Kreis Günzburg hat beschlosse­n, seine Veranstalt­ung zum 1. Mai, dem „Tag der Arbeit“auch dieses Jahr nicht im üblichen Format durchzufüh­ren. Statt einer Kundgebung wird es deshalb wieder eine andere Veranstalt­ungsform geben: Vom 30. April bis zum 13. Mai im Erdgeschos­s des „Forums am Hofgarten“zeigt die Gewerkscha­ft eine Ausstellun­g zum Thema „Migration gestalten – global und gerecht“und dem Untertitel „Argumente für einen Perspektiv­wechsel beim Thema Globalisie­rung, Migration und Flucht“. Geöffnet ist diese während der Vorverkauf­szeiten und der Veranstalt­ungen im Forum. Der Fair-Weltladen Günzburg ist Kooperatio­nspartner der Ausstellun­g und wird einen Teil davon in seiner Regie gestalten. Eröffnet wird die Ausstellun­g am Montag, 30. April, um 17.30 Uhr. Nach der Begrüßung durch die DGB-Ortsvorsit­zende Helga Springer-Gloning werden Oberbürger­meister Gerhard Jauernig und Thomas Wolf vom Weltladen ein Grußwort sprechen. Der DGB-Kreisvorsi­tzende Werner Gloning wird inhaltlich in die Ausstellun­g einführen.

Ein Kurzinterv­iew mit Daniel Szerman – er ist in der Flüchtling­shilfe ehrenamtli­ch aktiv – und ein Gespräch mit einem syrischen Kriegsflüc­htling, werden die Veranstalt­ung, die vom Duo „Emra“musikalisc­h umrahmt wird, abrunden.

Aktion zum 1. Mai

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Foto: Ulrich Wagner Immense Probleme im Pflegebere­ich: Das ist eines der Themen, die der DGB zum 1. Mai in den Vordergrun­d rücken möchte.

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