Mittelschwaebische Nachrichten
Die Gefahr der „Spirale nach unten“
Pflege, Rente, Löhne, Tarifbindung. Welche Problemfelder der DGB zur Sprache bringen möchte und wie er sich eine wirklich soziale Marktwirtschaft vorstellt
Krumbach Kaffeetrinken, Zeitung lesen, mit dem Chef reden. Werner Gloning lächelt, wenn er daran denkt, wie die Arbeit des Betriebsrates heute gesehen wird. „Paradox“, sagt Gloning, „denn Betriebsräte, Personal- und Mitarbeitervertreter das sind die wahren Helden für Arbeitnehmer,“betont der DGB-Kreisvorsitzende. Sie seien Menschen, die sich mit Engagement, Zeit und Mut für die Bedürfnisse der Arbeitnehmer einsetzen. Menschen, die den Gedanken der Gerechtigkeit in den Vordergrund rücken lassen. Menschen, die eine soziale Marktwirtschaft ausmachen.
„Soziale Marktwirtschaft statt Kapitalismus“heißt das Motto der Aktionen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zum 1. Mai. Am Krumbacher Marktplatz werden am Freitag, von 9 bis 12 Uhr Werner Gloning, der Krumbacher DGB-Ortsvorsitzende Peter Tschochohei, der stellvertretende DGBOrtsvorsitzende Christoph Helmes und der Gewerkschaftssekretär der DGB-Region Schwaben, Ludwin Debong, das Gespräch mit den Menschen suchen. Zu sehen sein wird unter anderem ein „Informationskubus“mit den Schwerpunkthemen Flächentarifvertrag und Betriebsrat. Die Menschen „wachzurütteln“und über elementare gesell- Fragen zum Nachdenken bewegen – das ist ihr Ziel. Denn Themen wie Praktikantenentlohnung, die Sicherung der Rente oder die oft fehlende Tarifbindung auf dem Arbeitsmarkt würden Menschen aller Altersstufen zunehmend interessieren, so Gloning, Tschochohei und Helmes.
Die Mitgliederzahl in Schwaben beläuft sich auf „ungefähr sechs Millionen“, berichtet Gloning. Eine Zahl, die nach dem hohen Mitgliederschwund der letzten Jahre inzwischen stabil gehalten werden kann. Doch eine Zahl, die laut Gloning nicht zufriedenstellend ist: „Es fehlt die Kampfkraft.“
Trotz des positiven Ausgangs der Tarifverhandlungen brennt es im Pflegebereich, so Tschochohei, immer noch an allen Enden und Ecken.
Mit einer Abrechnung nach Fällen, sprich DAG, sei die Pflege an ihre Grenzen gekommen: „Es geht nicht mehr.“Kranke Menschen dürften nicht auf der Strecke bleiben. Daher fordert der DGB weiterhin mehr Pflegepersonal und weniger Überstunden. Auch aus Sicht der Pflegebedürftigen, werden angemessene Hilfemöglichkeiten diskutiert.
Auch die Qualität des Arbeitsmarktes sei ein zentrales Thema. Sei die Zahl der Arbeitslosen so gering wie noch nie, fordert die Gewerkschaft eine qualitative Arbeits- marktberichterstattung. „Denn im Zeitalter von Minijobs, Leiharbeit und Befristung geht es laut Tschochohei nicht darum, den Menschen irgendeine Arbeit zu verschaffen, sondern „eine Arbeit, die den Arbeitnehmern Sicherheit für die Zukunft gibt“. Sicherheit und Gerechtigkeit fordert die Gewerkschaft auch, wenn es um das Thema Rente geht. „Ein Rentenniveau von 48 Prozent wird von der Koalition gefeiert, für mich ist das traurig“, berichtet Gloning. „Bei circa 600 Euro liegt das durchschnittliche Renteneinkommen von Frauen in Schwaben.“In einer Welt, in der es immer mehr Reichtum geben würde, sei auch eine angemessene Rente finanzierbar.
Gloning, Tschochohei und Helmes erklären, dass auch beim Thema Tarifverträge bedenklichen Entwicklungen entgegengesteuert werden müsste. „Ein Entwicklungsland“nannte Gloning den Landkreis Günzburg bereits vor zwei Jahren in diesem Bereich. Und auch bis jetzt hätte sich nicht viel getan. Ohne Tarifverträge drohe bei den Löhnen eine „Spirale nach unten“. Eine Tendenz, die laut Tschochohei spürbar sei. Neben den niedrigen Löhnen, den Problemen in der Pflege drohen massive Arbeitsveränderungen aufgrund der zunehmenden Digitalisierung. Ermöglicht die digitale Welt eine Arbeit von zu Hauschaftliche se, ist man dank E-Mail, Whatsapp oder SMS praktisch ständig erreichbar. Arbeit und Privatleben vermischen sich immer mehr miteinander, die digitale Welt als Segen und Fluch zugleich.
Sollte man über eine Arbeitszeitverkürzung nachdenken? Und welche Konsequenzen sind aus einer Erhöhung der Produktivität durch Roboter zu ziehen? Mit welchen Maßnahmen wird gegen die geplante Auflösung des Arbeitszeitgesetzes gesteuert? Auch das möchte die Gewerkschaft zur Diskussion bringen.
Eine Stimme für gute Arbeit und Gerechtigkeit sei auch wichtig, wenn es um den Einsatz für Flüchtlinge geht. „Eine Obergrenze für Flüchtlinge? Dümmer geht es nicht mehr,“erklärt Gloning. „Nicht die Flüchtlinge müssen bekämpft werden, sondern die Flüchtlingsursache: Not, Elend und Verzweiflung.“Den Menschen in ihren Kriegs- und Krisengebieten müsse wieder eine Lebensperspektive gegeben werden. Anlässlich der Landtagswahlen am 14. Oktober befasst sich der DGB mit der bayerischen Verfassung, unter anderem werde die zentrale Vorschrift der Mitbestimmung, Art. 175, beleuchtet, erklärt Helmes. Die verschiedenen Themen des DGB werden am Montag, 30. April, ab 17.30 Uhr im Günzburger Forum im Mittelpunkt stehen (siehe nebenstehender Artikel). Günzburg Der DGB-Kreis Günzburg hat beschlossen, seine Veranstaltung zum 1. Mai, dem „Tag der Arbeit“auch dieses Jahr nicht im üblichen Format durchzuführen. Statt einer Kundgebung wird es deshalb wieder eine andere Veranstaltungsform geben: Vom 30. April bis zum 13. Mai im Erdgeschoss des „Forums am Hofgarten“zeigt die Gewerkschaft eine Ausstellung zum Thema „Migration gestalten – global und gerecht“und dem Untertitel „Argumente für einen Perspektivwechsel beim Thema Globalisierung, Migration und Flucht“. Geöffnet ist diese während der Vorverkaufszeiten und der Veranstaltungen im Forum. Der Fair-Weltladen Günzburg ist Kooperationspartner der Ausstellung und wird einen Teil davon in seiner Regie gestalten. Eröffnet wird die Ausstellung am Montag, 30. April, um 17.30 Uhr. Nach der Begrüßung durch die DGB-Ortsvorsitzende Helga Springer-Gloning werden Oberbürgermeister Gerhard Jauernig und Thomas Wolf vom Weltladen ein Grußwort sprechen. Der DGB-Kreisvorsitzende Werner Gloning wird inhaltlich in die Ausstellung einführen.
Ein Kurzinterview mit Daniel Szerman – er ist in der Flüchtlingshilfe ehrenamtlich aktiv – und ein Gespräch mit einem syrischen Kriegsflüchtling, werden die Veranstaltung, die vom Duo „Emra“musikalisch umrahmt wird, abrunden.
Aktion zum 1. Mai