Mittelschwaebische Nachrichten
Selbstfreundschaft statt Eigenliebe
Wie Wilhelm Schmid sein Publikum wieder in den Bann zog
Krumbach Es war der vierte Auftritt des aus Billenhausen stammenden Philosophen Wilhelm Schmid an der Fachakademie. Wie bei den früheren Lesungen war die Veranstaltung auch diesmal im Vorfeld schon ausverkauft. Erneut gelang es Schmid, den fast eineinhalb Stunden dauernden Vortrag so dicht, lebendig und zupackend zu gestalten, dass die Zeit wie im Flug verging und die Hörer beschwingt und bestärkt nach Hause gingen. Das hängt gewiss damit zusammen, dass der Philosoph mit seinen Themen den Nerv unserer Gesellschaft trifft und jeder Hörer in jedem Augenblick spürt, das Gesagte ist elementar bedeutsam für sein Leben. In seinem neuen Buch behandelt Schmid das Thema „Selbstfreundschaft“, bei der es darum geht, die möglichst ideale Mitte zwischen Selbstaufopferung und übertriebener Eigenliebe zu finden. Der Autor zeigt auf, wie jeder für sein körperliches, seelisches und geistiges Wohlsein Sorge tragen sollte. Die zweite, nicht minder wichtige Aufgabe auf dem Weg zu Selbstfreundschaft ist es, sich selbst zu definieren. Dazu muss jeder sich eine Reihe von Fragen beantworten, Fragen nach den wichtigsten Beziehungen und Erfahrungen im Leben, dem Lebenssinn, den Werten, den Gewohnheiten, den Ängsten und Verletzungen sowie dem, was man als schön empfindet. Das könne nur jeder für sich beantworten, betonte Schmid mehrfach. Sein Anliegen ist es nicht, zu belehren oder gar zu bevormunden, sondern so zum Denken anzuregen, dass jeder seinen ihm gemäßen Weg finden kann.
Diese Haltung ist attraktiv, aber ebenso wichtig wie das, was Schmid mitteilt, ist das Wie seiner Botschaften. Er doziert nicht, er erzählt. Alles, was er sagt, ist verständlich, lebendig und er scheut sich nicht, auch Persönliches preiszugeben. Bei der Frage nach den prägenden Erfahrungen beispielsweise berichtet er von einer Indienreise vor 40 Jahren, die einen nachhaltigen Kulturschock bei ihm auslöste. Ihm sei damals klar geworden, dass andere Kulturen radikal anders denken, beurteilen und bewerten, dass hier aber die Frage nach richtig oder falsch nicht greife. Schmid liebt das extreme, oft skurrile Beispiel, das den ganzen Saal zum Lachen bringt, wenn er etwa als fundamentale Selbstkenntnis ausweist, er könne keine Geschirrspülmaschine einräumen. Nicht minder griffig sind seine ironisch gemeinten Anweisungen, beispielsweise den Hausschlüssel absichtlich zu verlegen, um sich den Wert von Gewohnheiten neu zu erschließen oder den Wutausbruch des Partners so zu kommentieren: „Danke, dass du mir auf diese Weise gezeigt hast, wie viel wert ich dir bin.“Diese Verfahren, das Publikum zu lenken, sind ebenso erhellend wie pädagogisch wertvoll und unterhaltsam.
Über zehn Jahre liegen zwischen dem ersten und dem jüngsten Auftritt von Wilhelm Schmid in seiner Heimat. Was hat sich verändert? Spürbar ist das gewachsene Anliegen des Philosophen, das Augenmerk auf die Entwicklungen und die Zusammenhänge zu legen, also zu zeigen, wie alles miteinander verbunden ist und sich wechselseitig beeinflusst. Und spürbar gewachsen ist seine Zuwendung zu den letzten Fragen des Menschseins, zur Frage, was der Tod bedeutet und was von uns nach dem Tod bleibt.