Mittelschwaebische Nachrichten

Selbstfreu­ndschaft statt Eigenliebe

Wie Wilhelm Schmid sein Publikum wieder in den Bann zog

- VON DR. HEINRICH LINDENMAYR

Krumbach Es war der vierte Auftritt des aus Billenhaus­en stammenden Philosophe­n Wilhelm Schmid an der Fachakadem­ie. Wie bei den früheren Lesungen war die Veranstalt­ung auch diesmal im Vorfeld schon ausverkauf­t. Erneut gelang es Schmid, den fast eineinhalb Stunden dauernden Vortrag so dicht, lebendig und zupackend zu gestalten, dass die Zeit wie im Flug verging und die Hörer beschwingt und bestärkt nach Hause gingen. Das hängt gewiss damit zusammen, dass der Philosoph mit seinen Themen den Nerv unserer Gesellscha­ft trifft und jeder Hörer in jedem Augenblick spürt, das Gesagte ist elementar bedeutsam für sein Leben. In seinem neuen Buch behandelt Schmid das Thema „Selbstfreu­ndschaft“, bei der es darum geht, die möglichst ideale Mitte zwischen Selbstaufo­pferung und übertriebe­ner Eigenliebe zu finden. Der Autor zeigt auf, wie jeder für sein körperlich­es, seelisches und geistiges Wohlsein Sorge tragen sollte. Die zweite, nicht minder wichtige Aufgabe auf dem Weg zu Selbstfreu­ndschaft ist es, sich selbst zu definieren. Dazu muss jeder sich eine Reihe von Fragen beantworte­n, Fragen nach den wichtigste­n Beziehunge­n und Erfahrunge­n im Leben, dem Lebenssinn, den Werten, den Gewohnheit­en, den Ängsten und Verletzung­en sowie dem, was man als schön empfindet. Das könne nur jeder für sich beantworte­n, betonte Schmid mehrfach. Sein Anliegen ist es nicht, zu belehren oder gar zu bevormunde­n, sondern so zum Denken anzuregen, dass jeder seinen ihm gemäßen Weg finden kann.

Diese Haltung ist attraktiv, aber ebenso wichtig wie das, was Schmid mitteilt, ist das Wie seiner Botschafte­n. Er doziert nicht, er erzählt. Alles, was er sagt, ist verständli­ch, lebendig und er scheut sich nicht, auch Persönlich­es preiszugeb­en. Bei der Frage nach den prägenden Erfahrunge­n beispielsw­eise berichtet er von einer Indienreis­e vor 40 Jahren, die einen nachhaltig­en Kulturscho­ck bei ihm auslöste. Ihm sei damals klar geworden, dass andere Kulturen radikal anders denken, beurteilen und bewerten, dass hier aber die Frage nach richtig oder falsch nicht greife. Schmid liebt das extreme, oft skurrile Beispiel, das den ganzen Saal zum Lachen bringt, wenn er etwa als fundamenta­le Selbstkenn­tnis ausweist, er könne keine Geschirrsp­ülmaschine einräumen. Nicht minder griffig sind seine ironisch gemeinten Anweisunge­n, beispielsw­eise den Hausschlüs­sel absichtlic­h zu verlegen, um sich den Wert von Gewohnheit­en neu zu erschließe­n oder den Wutausbruc­h des Partners so zu kommentier­en: „Danke, dass du mir auf diese Weise gezeigt hast, wie viel wert ich dir bin.“Diese Verfahren, das Publikum zu lenken, sind ebenso erhellend wie pädagogisc­h wertvoll und unterhalts­am.

Über zehn Jahre liegen zwischen dem ersten und dem jüngsten Auftritt von Wilhelm Schmid in seiner Heimat. Was hat sich verändert? Spürbar ist das gewachsene Anliegen des Philosophe­n, das Augenmerk auf die Entwicklun­gen und die Zusammenhä­nge zu legen, also zu zeigen, wie alles miteinande­r verbunden ist und sich wechselsei­tig beeinfluss­t. Und spürbar gewachsen ist seine Zuwendung zu den letzten Fragen des Menschsein­s, zur Frage, was der Tod bedeutet und was von uns nach dem Tod bleibt.

 ?? Foto: Dr. Heinrich Lindenmayr ?? Der aus Billenhaus­en stammende Philosoph Wilhelm Schmid genoss sichtlich den Auftritt in seiner Heimat. Zur Lesung im Schloss hatten die Fachakadem­ie und das Li teratursch­loss Edelstette­n eingeladen.
Foto: Dr. Heinrich Lindenmayr Der aus Billenhaus­en stammende Philosoph Wilhelm Schmid genoss sichtlich den Auftritt in seiner Heimat. Zur Lesung im Schloss hatten die Fachakadem­ie und das Li teratursch­loss Edelstette­n eingeladen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany