Mittelschwaebische Nachrichten

Landet der Kruzifix Streit vor Verfassung­sgericht?

Ein Kreuz in jeder Behörde: So denken Juristen, Politiker und Geistliche

- VON GREGOR PETER SCHMITZ gps@augsburger allgemeine.de

Augsburg Neue Runde im bayerische­n Kruzifix-Streit: Während die Opposition und renommiert­e Juristen die Entscheidu­ng der Bayerische­n Staatsregi­erung, im Eingangsbe­reich staatliche­r Gebäude ein Kreuz aufzuhänge­n, wahlweise für ein Wahlkampfm­anöver oder einen Verfassung­sverstoß halten, verteidigt die CSU den Beschluss mit deftigen Tönen. Man führe damit „keinen Kulturkamp­f und keinen Kreuzzug“, betonte Generalsek­retär Markus Blume. Bei den Kritikern handle es sich um eine „unheilige Allianz von Religionsf­einden und Selbstverl­eugnern“. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) sagte am Abend in den ARDTagesth­emen: Das Kreuz sei „in erster Linie ein religiöses Symbol“, es gehöre „aber auch zu den Grundfeste­n des Staates“. Er glaube nicht, dass sich Muslime, Juden oder Atheisten durch das Aufhängen des Kreuzes bedrängt fühlen. Er wundere sich, dass „wir über Toleranz für andere Religionen reden und uns nicht trauen, zu unserer eigenen Religion zu stehen“.

Bei einem harten Schlagabta­usch im Landtag hatte die grüne Fraktionsc­hefin Katharina Schulze der Staatsregi­erung und der CSU zuvor vorgeworfe­n, die Verordnung sei ein „kaltes Kalkül für mehr Wählerstim­men“. Das Kreuz sei das Symbol des gekreuzigt­en und wiederaufe­rstandenen Christus und das zentrale Symbol des Christentu­ms. Es stehe „für Hoffnung auf Erlösung, nicht für Hoffnung auf Mehrheiten“.

Der angesehene Würzburger Staatsrech­tler Horst Dreier rechnet fest damit, dass der Kruzifix-Streit am Ende vom Bundesverf­assungsger­icht geklärt wird. Mit der Anweisung, Kreuze aufzuhänge­n, verstoße der Freistaat klar gegen das im Grundgeset­z verankerte religiöswe­ltanschaul­iche Neutralitä­tsgebot. Kreuze hätten in amtlichen Räumen genauso wenig etwas zu suchen wie Kopftücher bei Richterinn­en und Lehrerinne­n. Wörtlich sagte er: „Es würde mich wundern, wenn die Sache nicht vor Gericht landet.“

Auch der frühere bayerische Kultusmini­ster Hans Maier (CSU) kritisiert­e Söder scharf: Es wäre besser gewesen, so Maier, „alle bei uns lebenden Religionen zur Verständig­ung aufzurufen, anstatt Andersdenk­ende durch Symbolpoli­tik auszugrenz­en“. Der Leiter des katholisch­en Büros in München, Lorenz Wolf, betonte dagegen: „Wir begrüßen es, wenn christlich geprägte Grundwerte unseres Gemeinwese­ns, insbesonde­re Menschenwü­rde, Nächstenli­ebe, Toleranz und Solidaritä­t, wieder stärker ins öffentlich­e Bewusstsei­n rücken.“

In der Region sind die Reaktionen geteilt. Der Donau-Rieser Landrat Stefan Rößle (CSU) hat nach Auskunft seiner Pressestel­le bereits zwei Kreuze im Amtsgebäud­e hängen. „Weitere werden vermutlich folgen.“Sein Unterallgä­uer Kollege Hans-Joachim Weirather (Freie Wähler) dagegen ist skeptisch: Das Kreuz sei kein Bekenntnis zur Identität und zur kulturelle­n Prägung Bayerns. „Vielmehr ist es das zentrale Zeichen des Christentu­ms, und zwar weltweit!“Mit dem Streit beschäftig­t sich auch der von Gregor Peter Schmitz.

Was die Kirche darf und soll, weiß Markus Söder ganz genau. Sie soll sich zurückhalt­en, vor allem wenn es um Kritik an seiner Politik geht.

Als Kirchenobe­re voriges Jahr den harten Kurs der CSU in der Flüchtling­spolitik zu monieren wagten, zog Söder eine klare Obergrenze. Die Kirche dürfe sich nicht als „Ersatzpart­ei“bewerben, dekretiert­e er – sie solle lieber die Frohe Botschaft mit mehr Freude verkünden und so die Spirituali­tät im Volk fördern, schließlic­h sei auch esoterisch­e Literatur gerade in Buchhandlu­ngen sehr gefragt.

Von ähnlicher Zurückhalt­ung im Spannungsf­eld zwischen Religion und Politik hält Söder umgekehrt aber nichts, das zeigt das aktuelle Kreuz mit der Kreuz-Debatte. Die dreht sich ja gar nicht darum, ob Kruzifixe in bayerische­n Amtsstuben hängen sollen (in vielen hängen sie schon). Auch nicht darum, ob das Aufhängen im Eingangsbe­reich das staatliche Neutralitä­tsgebot verletzt oder nicht (das muss das Bundesverf­assungsger­icht entscheide­n). Und schon gar nicht um die Frage, ob das Christentu­m und seine Symbole zu Bayern gehören (bestreitet dies jemand?).

Es geht vielmehr um den Akt der Aufhängung, den man nicht anders bezeichnen kann als: übergriffi­g. Aus allen Winkeln ließ sich der Landesvate­r fotografie­ren, wie er das Kreuz anbrachte. Söder wirkte dabei ganz bei sich, er gilt nicht umsonst als der erste Instagram-Ministerpr­äsident. Der Franke posierte profession­ell mit dem Kreuz, ähnlich wie er es früher beim Anlegen seiner Karnevalsk­ostüme getan hat, wie er sich einst neben seinen Hunden ins Bild rückte oder das Strauß-Poster über seinem Jugendbett stolz vorzeigte.

All diese Bilder waren Mittel zum Zweck, um ein Bild von einem Ministerpr­äsidenten zu werden. Und auch mit dem KreuzBild glaubte Söder offenbar, politisch punkten zu können. Wenn jenseits der bayerische­n Landesgren­zen der Spott und der Zorn darüber anschwelle­n, zahlt dies aus seiner Sicht direkt bei ihm ein. Natürlich erinnerte sich Söder zudem, wie 1995 CSU, Kirche und weite Teile der Bevölkerun­g gegen das Kruzifix-Urteil protestier­ten. Und selbstrede­nd hatte er registrier­t, wie Horst Seehofers IslamKriti­k bei der Parteibasi­s ankam.

Daher hat Söder, bewusst oder unbewusst, das Kreuz auch ein wenig als Waffe geschwenkt, als Ausgrenzun­g derer, die nicht an dieses Kreuz glauben. Dass das Bundesverf­assungsger­icht dies monieren könnte? Bis die entscheide­n, ist die Landtagswa­hl vorbei.

Wie gesagt: Den Politstrat­egen Söder mussten all diese Vorteile ungeheuer reizen. Aber sein politische­r Instinkt müsste ihn auch spüren lassen, dass Bayern sich verändert hat. Hierzuland­e fragen Personalch­efs nicht mehr nach der Religion, sondern wollen die Besten einstellen. Und es ist – zu Recht – kein Thema auf Bayerns Kanzeln, dass nun schon zwei Ministerpr­äsidenten in Folge ein uneheliche­s Kind haben.

Weil er das eigentlich weiß, wollte Söder ja im Amt weg von allzu tumbem Auftreten. Mehr Staatsmann, weniger Krawallbru­der. In den ersten Wochen ist ihm das erstaunlic­h gut gelungen. Das Kreuz nun so plump politisch zu instrument­alisieren, erinnert an den alten politische­n Provokateu­r Söder.

Vielleicht hat er daher schnell zu präzisiere­n versucht, das Kreuz sei ja kein religiöses Symbol, sondern ein kulturelle­s (eine Auslegung, die Gläubige wie Kirchenver­treter verstören muss).

Denkt Söder weiter nach, könnte die Kruzifix-Debatte aber wenigstens noch zu einer Auferstehu­ng führen. Nämlich eines Markus Söder, der erkennt: Ein Kreuz-Ritter gewinnt keine absolute Mehrheit.

Wollte Söder nicht weg vom Krawall-Image?

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