Mittelschwaebische Nachrichten

Frieden ist möglich

Nordkoreas Diktator Kim geht einen großen Schritt auf den Süden zu. Eine Wiedervere­inigung nach deutschem Vorbild bleibt trotzdem eine Illusion

- VON FINN MAYER KUCKUK red@augsburger allgemeine.de

China hatte in den vergangene­n 30 Jahren vor allem eine Botschaft für Nordkorea: Öffnung und Reformen sind das richtige Rezept, um seine Herrschaft­sform zu sichern. Ein armes, abgeschott­etes Land nimmt letztlich keiner ernst – selbst wenn es noch so laut mit seinen Bomben droht.

Bei Kim Jong Un schien die Botschaft zunächst nur zum Teil angekommen zu sein. Seit er 2012 die Macht übernommen und eine Reihe von Reformen angekündig­t hat, können Fabriken und Bauernhöfe ihre Einnahmen teilweise zwar nach eigenem Ermessen verwalten, was einige Versorgung­sengpässe beseitigt hat. Doch der Außenwelt geöffnet hat sich das Land nicht. Im Gegenteil: Nordkorea riskierte durch seine Atomtests sogar immer strengere Handelssan­ktionen.

Das Treffen mit Südkoreas Präsident Moon Jae In an diesem Freitag hat nun allerdings derart spektakulä­re Ergebnisse gebracht, dass sich die Pessimiste­n unter den Beobachter­n die Augen reiben. Das Bekenntnis zur atomaren Abrüstung, vorgetrage­n vor der Weltpresse, war dabei nur der Anfang. Der eigentlich­e „Knaller“des Treffens ist der Entschluss, einen Friedensve­rtrag zu verhandeln.

Zwar hat es seit Anfang der neunziger Jahre schon drei Runden der Annäherung mit wohlklinge­nden Absichtser­klärungen gegeben, nach denen Nordkorea immer wieder in alte Muster zurückgefa­llen ist. Doch Kims Vater Kim Jong Il wäre nie so weit gegangen, wirklich den Status quo anzutasten. Er wollte sich alle Möglichkei­ten offenhalte­n. Sein Sohn geht nun Verpflicht­ungen ein, die viel schwerer wieder zurückzune­hmen sind, ohne das Gesicht zu verlieren.

Das Modell, das der Reformer Deng Xiaoping für das kommunisti­sche China entworfen hat, ist offenbar auch für Nordkorea attraktiv. Deng hat zunächst in isolierten Kammern der Volkswirts­chaft mit Marktkräft­en und Außenhande­l experiment­iert, dabei aber den Personenve­rkehr mit dem Ausland nur langsam freigegebe­n. So weit kann auch Kim diesem Vorbild folgen, ohne Macht abzugeben. Und wer weiß, vielleicht war das von Anfang an seine Strategie: Erst treibt er mit allen Mitteln das Waffenprog­ramm voran, damit er sich zur Atommacht erklären kann – und dann beginnt er die Öffnungspo­litik aus einer Position der Stärke heraus. Die Annäherung an den Süden erfolgt dann unter eigener Regie, statt aufgezwung­en zu wirken.

Echte politische Reformen, wie China sie Ende der 70er Jahre begonnen hat, verfolgt Kim nicht. Peking hatte nach dem Tod von Mao-Tsetung auf eine Herrschaft der Fähigsten umgeschalt­et, in der kein Einzelner mehr absolute Macht haben sollte. Die Kims dagegen haben im eigenen Land eine kommunisti­sche Dynastie geschaffen, die sich schamlos an Monarchien orientiert. Motto: Wenn Jong Un einen Sohn hat, dann soll dieser auch einmal als Kim IV. auf den Thron.

Aus China wird er für diese Pläne heute weniger Kritik hören als noch vor einigen Jahren, auch dort zementiert ja gerade ein Mann seine Macht. Wenn Kim aber wirklich abrüstet und die Wirtschaft­sreformen vorantreib­t, kann er nach dem Aufheben der Sanktionen mit hohen Investitio­nen aus den Nachbarlän­dern und dem Westen rechnen. Er wäre dann der Herrscher über ein deutlich reicheres Land mit wesentlich größeren Mitteln – und könnte sich im Inland für den neuen Wohlstand feiern lassen.

Eine echte Wiedervere­inigung ist dagegen so gut wie ausgeschlo­ssen. „Wir sind ein Volk“, sagt Kim, aber das stimmt nicht. Die beiden Koreas haben sich geistig und materiell viel weiter auseinande­rgelebt als Ost- und Westdeutsc­hland. Eine Vereinigun­g unter Südkoreas Führung wird Kim niemals akzeptiere­n. Und umgekehrt gilt das Gleiche.

Die Dynastie verteidigt ihre Macht

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany