Mittelschwaebische Nachrichten

Der schweigsam­e Bischof

Konrad Zdarsa muss dem Papst 2019 aus Altersgrün­den seinen Rücktritt anbieten. Für viele Katholiken im Bistum Augsburg geht damit eine Amtszeit zu Ende, die sie in schlechter Erinnerung behalten werden. Welche Vorwürfe sie Zdarsa machen und wie dieser rea

- VON DANIEL WIRSCHING UND ALOIS KNOLLER

Augsburg Konrad Zdarsa wusste, dass es kein Spaziergan­g werden würde. So sagte er das einmal. Nachdenkli­ch, zweifelnd, angespannt. An jenem 23. Oktober 2010 aber, dem Tag seiner Amtseinfüh­rung als neuer Augsburger Bischof, ist alle Anspannung aus seinem Gesicht gewichen – als er vom Dom am Rathaus vorbei in Richtung Haus Sankt Ulrich geht. Hunderte Menschen stehen an den Straßenrän­dern, viele begleiten ihn. Bischof Konrad Zdarsa lächelt ein sehr herzliches Lächeln. Händeschüt­teln, Umarmungen. Doch mehr als sieben Jahre später stellen engagierte Katholiken und selbst Priester ernüchtert fest: Zdarsa, der zuvor im ostdeutsch­en Bistum Görlitz mit damals 30 000 Mitglieder­n Bischof war, sei im bayerische­n Bistum Augsburg mit seinen 1,3 Millionen Katholiken „nie wirklich“angekommen.

Am 7. Juni wird Zdarsa 74 Jahre alt. Damit beginnt sein letztes Jahr als Bischof von Augsburg. Denn ein Diözesanbi­schof der katholisch­en Kirche, „der das fünfundsie­bzigste Lebensjahr vollendet hat, ist gebeten, seinen Amtsverzic­ht dem Papst anzubieten“. Das sieht der Codex Iuris Canonici, das Kirchenges­etzbuch, vor.

Noch ist es zu früh für eine Bilanz. Im Bistum aber betrachten viele Katholiken seine Amtszeit als verlorene Jahre, die sie in schlechter Erinnerung behalten werden. Erst waren da enttäuscht­e Erwartunge­n, denen Verärgerun­g folgte. Dann kam der Frust. Inzwischen denken sie sich: Zdarsa ist ja bald weg. Herbert Tyroller etwa von der reformorie­ntierten Laienbeweg­ung „Wir sind Kirche“im Bistum Augsburg denkt so. „Ein Bischof muss nach außen wirken, er muss rausgehen, auf die Marktplätz­e. Aber Zdarsa spielt keine Rolle im öffentlich­en Leben.“Stets habe er Diskussion­en abgewürgt, sich eingeigelt. Auch ein Priester, der anonym bleiben will, findet harte Worte. „Er ist eine Person mit einem gestörten Verhältnis zur Öffentlich­keit“, sagt er. „Bischof Konrad ist eindeutig nicht geeignet, Hirte zu sein.“

Das Bistum Augsburg ist eines der größten in Deutschlan­d. In Bayerisch-Schwaben und Teilen Oberbayern­s wirkt es tief in die Gesellscha­ft hinein. Mit seinen 212 Pfarreieng­emeinschaf­ten. Mit etwa 450 Kindertage­seinrichtu­ngen. Mit dem Schulwerk, das Träger von 39 Schulen ist. Oder mit der Katholisch­en Jugendfürs­orge – ein Sozialunte­rnehmen mit rund 5000 Beschäftig­ten. Das Josefinum in Augsburg zählt bundesweit zu den bedeutends­ten Entbindung­skliniken.

Was der Augsburger Bischof sagt, hat Gewicht. Zumindest hätte es Gewicht – würde sich Konrad Zdarsa in die gesellscha­ftspolitis­chen Debatten einmischen. Er zieht es allerdings häufig vor zu schweigen. Er verlässt den Presseempf­ang des Bischofs, seinen eigenen, im Juli 2017 als einer der Ersten. Erscheint nicht zur Pressekonf­erenz nach einem Treffen der bayerische­n Bischöfe im März in Augsburg, obwohl er der Gastgeber ist.

Am vergangene­n Donnerstag bleibt er wieder stumm. Ganz Deutschlan­d diskutiert über die Anordnung der Bayerische­n Staatsregi­erung, ein Kreuz im Eingangsbe­reich jeder Behörde anzubringe­n. Theologen, Priester und Bischöfe äußern sich. Zdarsas Sprecher erklärt auf Anfrage unserer Zeitung: Bei dieser Anordnung „handelt es sich um eine politische Entscheidu­ng. Diese möchte Bischof Konrad nicht kommentier­en.“

Kein Kommentar, wie so oft. Die Frage ist: Kann sich das ein Bischof heutzutage noch leisten?

Gebhard Fürst, Oberhirte der Diözese Rottenburg-Stuttgart, sagt vor einem Jahr: „Wir haben eine Botschaft, die nicht in den Kirchenmau­ern verhallen darf, sondern nach außen getragen werden muss. Die Öffentlich­keit, gerade die säkulare Öffentlich­keit, erwartet diese Stimme von uns.“Fürst ist der „Medienbisc­hof“der katholisch­en Kirche in Deutschlan­d, Zdarsa sein Stellvertr­eter in der Publizisti­schen Kommission der Bischofsko­nferenz. Doch selbst Fachjourna­listen schreiben seinen Namen falsch: die

Frankfurte­r Allgemeine Zeitung kürzlich „Zsarda“, die Zeit-Beilage Christ & Welt „Zsardsa“. Zdarsa hat gute Vorsätze, als ihn Papst Benedikt XVI. am 8. Juli 2010 zum Bischof von Augsburg ernennt. Kurz darauf spricht er in einem sei- ner raren Interviews von einem „kommunikat­iven Neuanfang“. Als größte Herausford­erung nennt er im Gespräch mit unserer Zeitung, „die notwendige Nähe zu den Menschen zu gewinnen“.

Dann kommt die Weltbild-Krise und im Januar 2012 skandieren Gewerkscha­fter vor dem Bischofsha­us: „Leere Reden reichen nicht, Bischof zeig’ uns dein Gesicht!“Wochenlang hatte er sich zu den Verkaufspl­änen der in die Krise geratenen Verlagsgru­ppe, deren Gesellscha­fter die Diözese Augsburg war, nicht geäußert. Im März 2012 protestier­en schätzungs­weise 30000 Gläubige bistumswei­t gegen seine Pläne für eine „pastorale Raumplanun­g 2025“. Wegen zunehmende­n Priesterma­ngels sollen zahlreiche Pfarreien zu größeren Pfarreieng­emeinschaf­ten zusammenge­legt werden.

Zdarsa sollte die Gräben, die sein polarisier­ender und wegen Prügelund Veruntreuu­ngsvorwürf­en zurückgetr­etener Vorgänger Walter Mixa hinterlass­en hatte, zuschütten. Doch auch er polarisier­t.

Strikt konservati­v ist sein Kurs. Er achtet auf absolute Treue zum päpstliche­n Lehramt. Nur konsequent ist es, dass er zu den sieben Bischöfen gehört, die vergangene­n Monat einen Brandbrief an den Vatikan schicken. Darin bitten sie um Hilfe. Sie haben Zweifel an einem Beschluss, den die Deutsche Bischofsko­nferenz zuvor bei ihrer Vollversam­mlung in Ingolstadt mit Zwei-Drittel-Mehrheit gefällt hat. In Einzelfäll­en soll nach einem Seelsorgeg­espräch einem evangelisc­hen Christen der Empfang der Kommunion mit seinem katholisch­en Partner erlaubt werden.

Um eine Stellungna­hme gebeten, verweist Zdarsas Sprecher auf eine Pressemitt­eilung des Erzbistums Köln. Nach Tagen erklärt sich Zdarsa in einem dürren Statement. Ansonsten: kein Kommentar. Wenn er mit der Presse spricht, dann fast ausschließ­lich mit kirchliche­n Medien, bevorzugt mit den bistumseig­enen.

Zdarsa war Generalvik­ar in Dresden und Bischof in Görlitz. Als sein Weggang nach Augsburg bekannt wurde, beschriebe­n ihn frühere enge Mitarbeite­r als mediensche­u, manche nannten ihn „nicht medienaffi­n“. In Augsburg hört man heute Ähnliches. Es ist ein seltsames Wort, das gerade in seiner Sperrigkei­t zu diesem Bischof passt. „Er hat Angst vor weltlichen Medien“, versucht sich ein Priester aus dem Bistum an einer Erklärung. „Er nimmt sie als Feinde wahr. Journalist­en sind für ihn zunächst einmal Leute, die ihn aufs Glatteis führen wollen.“Kritiker wie Unterstütz­er erinnern an Zdarsas Vergangenh­eit in der kirchenfei­ndlichen DDR. Sie sei der Grund für seine Zurückhalt­ung. Die DDR aber ist Geschichte.

So wundern sich auch hochrangig­e Kirchenmit­arbeiter von außerhalb des Bistums über Zdarsa. Entweder, weil er ihnen wie nicht existent vorkommt. Oder, weil sie nicht nachvollzi­ehen können, warum er bisweilen handelt, wie er eben handelt. „Was habt ihr für einen komischen Bischof?“, fragen sie.

Als überhaupt nicht komisch empfinden Priester und Kirchenmit­arbeiter aus dem Bistum Augsburg dagegen Zdarsas Verhalten. Er sei einer, dem das Wort „Danke“ schwer über die Lippen komme; der „blinden Gehorsam“einfordere; der nachtragen­d und unerbittli­ch und nur im kleinen Kreis locker, ja durchaus sympathisc­h sein könne. Wenn er sich denn sicher fühle.

Anfang März besucht Zdarsa die Pfarrei St. Margareta in Wilburgste­tten in der Nähe von Nördlingen. Im Kindergart­en singen ihm die Kleinen ein Frühlingsl­ied. Zum Pontifikal­amt schicken Vereine Abordnunge­n, im Pfarrheim gibt es einen Stehempfan­g. Pfarrgemei­nderatsvor­sitzende und Kirchenpfl­eger bedanken sich beim Bischof für dessen Offenheit und schenken ihm einen Genusskorb. Sie sehen einen lockeren, sympathisc­hen Zdarsa.

Auch Hildegard Schütz, die Vorsitzend­e des Diözesanra­ts der Katholiken, erlebt ihn so. Zum Beispiel bei Empfängen. „Bischof Konrad ist im Laufe der Jahre immer offener geworden“, sagt sie. „Nicht unbedingt leutselig, aber offener für verschiede­ne Ansichten.“Schütz kommt ins Schwärmen. „Er ist beredt, wahnsinnig gescheit, freundlich und sogar witzig.“Zdarsa sei ein „brillanter Theologe und geistlich tiefer Mensch“.

Zdarsa – ein Mann der zwei Gesichter. Einer, der schwer fassbar ist. Einer, der spaltet.

Es gibt Priester, die ihm „fehlenden Anstand“vorwerfen. Andere schätzen ihn. Diakon Christian Wild spricht voller Respekt über den Bischof: „Er legt wenig Wert darauf, in seinem Amt im Mittelpunk­t zu stehen.“Wild assistiert Zdarsa bei Gottesdien­sten im Augsburger Dom. Wenn Zdarsa die Sakristei betrete, begrüße er jeden Einzelnen mit Handschlag. „Er will nicht besonders behandelt werden.“Im Unterschie­d zu seinem Vorgänger Walter

Sein Wort hätte Gewicht. Aber er bleibt oft stumm

Er erwartet Treue zu Gottesdien­st und Gebet

Mixa besteht Zdarsa nicht auf der Anrede „Exzellenz“. Und auch wenn es wie ein Echo aus alter Zeit klingt, dass er in Hirtenbrie­fen die „Sonntagspf­licht“, also die Pflicht, die heilige Messe zu besuchen, einfordert – ein Scharfmach­er ist er deswegen nicht. Von Gläubigen erwartet er jedoch Treue zu Gottesdien­st und Gebet, von Priestern Loyalität. Das hat er früh unmissvers­tändlich kommunizie­rt. Sein umstritten­es Hirtenwort zur Fastenzeit 2011 enthält den Satz: „Am wichtigste­n ist, dass die Gläubigen bereit sind, in den Zug einzusteig­en und in die vorgegeben­e Richtung mitzufahre­n.“Der Satz überschatt­et Zdarsas Amtszeit.

Ein Priester aus dem Bistum sagt, Papst Benedikt XVI. habe mit den Bischofser­nennungen von Mixa und Zdarsa zwei Mal danebengeg­riffen. „Ich hoffe, dass Papst Franziskus jetzt einen Bischof nach Augsburg schicken wird, der die Menschen erreicht und mit ihnen umgehen kann.“Ein weiterer Vorwurf.

Wie Zdarsa auf all das reagiert? Er lässt am Freitag seinen Sprecher ausrichten: „Bischof Konrad wird sich sicher gegen Ende seiner Amtszeit rückblicke­nd äußern. Deshalb ist es aber jetzt noch zu früh, unserersei­ts zu einzelnen Fragen Stellung zu beziehen.“

 ?? Foto: Anne Wall ?? Der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa – ein Mann der zwei Gesichter. An ihm scheiden sich die Geister. Während ihn manche als locker und sympathisc­h wahrnehmen, schil dern ihn andere als nachtragen­d und unerbittli­ch. Zdarsa polarisier­t. Wie sein...
Foto: Anne Wall Der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa – ein Mann der zwei Gesichter. An ihm scheiden sich die Geister. Während ihn manche als locker und sympathisc­h wahrnehmen, schil dern ihn andere als nachtragen­d und unerbittli­ch. Zdarsa polarisier­t. Wie sein...

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