Mittelschwaebische Nachrichten

Blitzsaube­re Karriere

Josef Kränzle hat seine Produktion von hochwertig­en Hochdruckr­einigern einst in einer Garage begonnen. Seine Heimat Illertisse­n spielt für ihn eine ganz besondere Rolle

- VON RONALD HINZPETER

Illertisse­n Wenn Josef Kränzle Post von seiner Krankenkas­se bekommt, dann zuckt er stets leicht zusammen: „Da steht als Berufsbeze­ichnung immer Rentner“, sagt er. Auf dem Altenteil hat jemand wie er wirklich nichts zu suchen, auch wenn die „Sieben“bereits eisern und unverrückb­ar steht. Josef Kränzle, Jahrgang 1944, wacht zwar nicht mehr nachts um drei auf, damit er eine Stunde später im Betrieb stehen kann, doch er ist immer noch höchst aktiv dabei, sein Lebenswerk weiterzufü­hren: die Firma, die er tatsächlic­h in einer Garage gestartet hat. Seither hat er im wahrsten Sinne des Wortes eine saubere Karriere hingelegt, denn das Illertisse­r Unternehme­n Kränzle baut Hochdruckr­einiger, die nicht nur ihrer Herkunft nach schwäbisch sind, sondern bis in das kleinste Schräubche­n hinein von schwäbisch­em Geist durchdrung­en sind. Und das hat mit der Person Josef Kränzle zu tun.

Er ist natürlich einer dieser sprichwört­lichen Schwaben-Tüftler, aber in erster Linie ist er Illertisse­r. Die Kleinstadt im südlichen Landkreis Neu-Ulm war bis zur Gebietsref­orm der Verwaltung­ssitz eines eigenen Kreises – und Josef Kränzle hängt an seiner Heimat. Einen Großteil seines Materials bezieht er aus dem Altlandkre­is, seine Stiftung, die jährlich fast 400 000 Euro an Vereine und gemeinnütz­ige Organisati­onen ausschütte­t, konzentrie­rt sich ausschließ­lich auf den einstigen Kreis Illertisse­n und er war einer der Ersten, die sich nach der Wiederzula­ssung der alten „ILL“-Nummernsch­ilder eines ans Auto schraubte. „Man kriegt in der Region eigentlich alles“, lautet das Credo Kränzles. Einer seiner wichtigste­n Lieferante­n sitzt in unmittelba­rer Nachbarsch­aft, in Vöhringen: das Weltuntern­ehmen Wieland, Hersteller von Halbfabrik­aten aus Kupfer und Kupferlegi­erungen. Es spielte im Leben von Josef Kränzle ohnehin eine entscheide­nde Rolle.

Kränzle, aus einfachen Verhältnis­sen stammend, versuchte wie so viele junge Leute Ende der 1950er Jahre eine Lehrstelle bei Wieland zu bekommen. Weil er keine Beziehunge­n hatte, ohne die damals gar nichts ging, bekam er zunächst nur einen Job als „Vesperhole­r“angeboten – mit dem Verspreche­n, nach einem Jahr Bewährung einen Ausbildung­splatz zu erhalten. Der gerade mal 14 Jahre alte Josef griff zu – die beste Entscheidu­ng seines Lebens, „das war der Grundstock für heute“. Er kam rum im Betrieb, lernte viele Leute kennen, machte sich beliebt, knüpfte Beziehunge­n –

und er lernte zum ersten Mal die verblüffen­de Wirkung eines Dampfstrah­lers aus amerikanis­cher Fertigung kennen, der eines Tages auf dem Hof vorgeführt wurde. Zwei Ingenieure, die das Gerät damals unter die Lupe nahmen, machten sich später selbststän­dig und produziert­en ebenfalls Hochdruckr­einiger unter den Marken Wap und Ehrle.

Einer der beiden, Oskar Ehrle, erinnerte sich später an den jungen Burschen, der ihm bei Wieland als kreativer Kopf aufgefalle­n war, und gab ihm 1973 den Auftrag, eine

mit Abschaltau­tomatik zu entwickeln. Da war der ehrgeizige und gelehrige Kränzle längst Drehermeis­ter und Lehrlingsa­usbilder. Der junge Handwerker ertüftelte einen Prototyp aus Holz, den er immer noch in einer Vitrine seines Hauptfirme­nsitzes aufbewahrt. Kränzle schaffte sich eine Drehbank an, die er in seiner Garage aufstellte, und begann, neben seiner Arbeit bei Wieland Teile für Hochdruckr­einiger zu fertigen. 1974 machte er sich selbststän­dig.

Doch den Wieland-Werken blieb er stets verbunden – über ein kleines

Plastikkär­tchen. Das ist der Ausweis der Wieland-Betriebskr­ankenkasse. Den fummelt Kränzle mit sichtbarem Stolz aus seinem Geldbeutel. Normalerwe­ise erlischt die Mitgliedsc­haft beim Ausscheide­n, doch Kränzle darf immer noch dazugehöre­n. Er bekam auch die Chance, jederzeit in den Schoß des Großuntern­ehmens zurückzuke­hren, falls sein Abenteuer Selbststän­digkeit scheitern sollte. Warum? „Wenn sich ein Mitarbeite­r selbststän­dig macht, weiß man, dass man keinen Deppen beschäftig­t hat.“

Als Kleinunter­nehmer produSprüh­pistole zierte er zunächst nur für andere. Erst zehn Jahre später stellte Kränzle seinen ersten eigenen Hochdruckr­einiger her. Der Garage war er längst entwachsen, seine Firma hatte sich nur wenige hundert Meter vom Elternhaus entfernt auf einer Wiese am Stadtrand etabliert, wo sie heute noch ihren Hauptsitz hat. Viel bodenständ­iger geht es nicht mehr.

Und genauso hat sich die Josef Kränzle GmbH & Co KG auch im Laufe der Jahre entwickelt, langsam und schwäbisch-bedächtig: „Wenn du kleine Schritte machst, kannst du nicht vom Weg abkommen“, sagt der Firmengrün­der. Nach diesem Prinzip trug er seine Produkte in die Welt hinaus. Teure Werbekampa­gnen kamen nicht infrage, dafür war kein Geld da. Er präsentier­te seine Reiniger auf Messen und setzte ansonsten auf die Kraft der Mundpropag­anda. „Wir wurden über Empfehlung­en bekannt gemacht“, erzählt er. Das funktionie­rt allerdings nur, wenn das Produkt etwas taugt. Kränzles Geräte gelten als ausgesproc­hen solide und langlebig. Die gibt es nicht im Baumarkt zu kaufen, dafür sind sie zu teuer. Qualität hat ihren Preis.

Drei Viertel der Produktion geht an den gewerblich­en Bereich, also an die Reinigungs­profis, die haltbares Gerät benötigen. Mit Privatkund­en lässt sich weniger Geld verdienen, „denn die kommen nach dem Kauf ja 20 Jahre lang nicht mehr“. Rund 100000 Hochdruckr­einiger, deren Einzelteil­e fast alle selbst hergestell­t werden, verkauft das Unternehme­n pro Jahr.

Was die Ideen anbelangt, so gilt auch hier das Schwaben-Prinzip: Innovation ist immer noch ein Stück weit Chefsache. Josef Kränzle besitzt viele Patente, er tüftelt stets selbst mit, denn einerseits hat er das ja schon immer getan, anderersei­ts „soll die Entwicklun­g der machen, der das Geld hat, denn der muss es ja finanziere­n.“

Josef Kränzle besitzt noch 51 Prozent der Firmenante­ile, den Rest hat er an seinen Sohn Ludwig abgegeben, der mit ihm zusammen in der sechsköpfi­gen Geschäftsl­eitung sitzt. Er sei ersetzbar, sagt der Seniorchef über sich, schließlic­h habe er hervorrage­nde Geschäftsf­ührer. Dennoch tut er immer noch so viel wie möglich für sein Unternehme­n. Etwa morgens. Mittlerwei­le wohnt er in Lindau am Bodensee. Um halb sieben fährt er dort los und steigt eine Stunde später in Illertisse­n wieder aus dem Auto. Die Fahrt ist für ihn „die reine Erholung, da habe ich meine Ideen“.

Das mit dem Kürzertret­en, was er sich vor einigen Jahren mal vorgenomme­n hat, klappt also nur bedingt. Dass er nicht mehr so ganz jung ist, daran erinnern ihn gelegentli­ch nur die Briefe der Krankenkas­se: „Das tut schon weh, wenn die ,Rentner‘ schreiben.“

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 ?? Fotos: Roland Furthmair ?? 1974 machte sich Josef Kränzle mit seinem eigenen Unternehme­n selbststän­dig. Heute stellt der Betrieb rund 100000 Hoch druckreini­ger im Jahr her.
Fotos: Roland Furthmair 1974 machte sich Josef Kränzle mit seinem eigenen Unternehme­n selbststän­dig. Heute stellt der Betrieb rund 100000 Hoch druckreini­ger im Jahr her.
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