Mittelschwaebische Nachrichten
Der Sheriff von Burgau geht in den Ruhestand
Vor 44 Jahren hat Georg Gistel bei der Burgauer Polizei als Praktikant angefangen, nun beendet er seinen Dienst. Ein Kreisbrandmeister sieht ihn als Bindeglied zur Feuerwehr
Burgau Wenn Georg Gistel in einem amerikanischen Spielfilm vorkäme, wäre er sicherlich der „good cop“– also der gute, nicht der böse Polizist. Doch wenn nötig greift er durch, sagt er. Mittlerweile lebt der gebürtige Röfinger in Wendelstein bei Nürnberg. Den weiten Weg nach Mittelschwaben kann er sich künftig sparen: Heute ist einer seiner letzten Tage als Polizist, ab 1. Mai ist er Pensionär. Während er Geschichten aus seinen 44 Dienstjahren erzählt, lacht er manchmal. Dass „Freund und Helfer sein“für ihn Berufsethos und keine Floskel ist, kauft man ihm ohne eine Sekunde zu zweifeln ab.
Polizist werden, das ist der Berufswunsch vieler Kinder. Bei Gistel war das nicht so. Er hatte schon eine Lehrstelle als Fernsehtechniker in Aussicht, als er die Markgrafenrealschule Burgau abgeschlossen hatte. Doch ein Ausbildungsberater der Polizei hat ihn umgestimmt. Mit 16 Jahren war er eigentlich zu jung für die Polizei. „Ein Jahr zu chillen ist heute bei vielen Jugendlichen normal, damals war das undenkbar“, sagt er. Er hat einen alten Artikel der dabei. Es geht darin um ihn und drei andere Polizeipraktikanten, die ersten im 1973 war das. Ein Jahr später wurde er in Eichstätt, dann in Dachau und Königsbrunn ausgebildet. Es folgten vier Jahre in der Augsburger Polizeiinspektion Nummer fünf, zu der Oberhausen zählte. Schon damals war das kein leichtes Pflaster, weil das Viertel wegen der vielen dort stationierten US-Soldaten von sehr vielen Kneipen geprägt war. Trotzdem sagt Gistel: „Ich will die Zeit in Augsburg nicht missen.“
Dann beantragte er die Versetzung nach Burgau. Er hatte gerade geheiratet – ein möglicher Grund dafür, dass der Wechsel in die Heimat geklappt hat, vermutet er. Wegen seines Hauses und der Familie zögerte er lange, in den gehobenen Dienst zu wechseln, wagte den Schritt doch und studierte zwei Jahre in Fürstenfeldbruck. Es folgte ein Jahr bei der Neu-Ulmer Autobahnpolizei, dann ging es als Dienstgruppenleiter, der während einer Schicht für die Kollegen verantwortlich ist, zurück nach Burgau.
Neben ihm sitzen sein Chef Stefan Eska, Dienstellenleiter der Burgau- er Inspektion, und Kreisbrandmeister Helmut Motzer. Eska erklärt, dass Gistel in der Funktion des Dienstgruppenleiters, die er bis jetzt innehatte, sehr nah am Einsatzgeschehen sei – anders als in der eines Dienstellenleiters, der viel am Schreibtisch arbeitet. Gistel hätte ohne Probleme weiter Karriere machen können – doch in Burgau und im täglichen Kontakt mit den Menschen gefiel es ihm zu gut.
„Ich bin Polizist mit Leib und Seele“, sagt der Polizeihauptkommissar. Doch neben vielen schönen hatte er auch manch schlimme Erlebnisse. „Es gibt Bilder, die bekommt man nicht mehr los“, sagt er und blickt zu Helmut Motzer, Kreisbandmeister und Kommandant der Röfinger Wehr, den er seit seiner Kindheit kennt. Der Feuerwehrmann nickt. Gistel habe immer die Zusammenarbeit zwischen Feuerwehr und Polizei gepflegt. „Im Einsatz ist es wichtig, dass man sich kennt“, sagt er. Heute wechsle das Personal der Inspektionen häufig. Eska bestätigt das: Der Altersschnitt seiner BehörLandkreis. de beträgt 34 Jahre. „Tendenz sinkend“, sagt er und blickt zu Gistel – denn wenn der 60-Jährige aufhört, wird der Schnitt noch einmal deutlich sinken.
Würde er den Beruf heute wieder wählen? Gistel fängt an zu grübeln. „Da müsste ich ein paar Nächte drüber schlafen.“Er liebe seinen Beruf, doch im Laufe der Zeit sei er schwieriger geworden. Der Respekt in der Bevölkerung sei weggebrochen. Aber wäre es wieder 1973: auf jeden Fall.
Dass er sich im Ruhestand langweilt, befürchtet er wegen seiner Hobbys nicht. In seiner Jugend spielte er beim SV Röfingen und später über 18 Jahre beim TSV Burgau – bis hoch in die Bezirksoberliga. Von der Arbeit brauchte er zu Fuß fünf Minuten zum Training. Mit der Fußballauswahl des schwäbischen Präsidiums, damals war es noch nicht in Süd und Nord geteilt, wurde er 1993 Bayerischer Polizeimeister. Heute verfolgt er den Sport von der Tribüne aus, am liebsten von der der Allianz-Arena aus – er ist seit seiner Kindheit FC-BayernFan. Außerdem spielt er seit 1967 Klarinette bei der Musikkapelle Röfingen. „Ich bin froh, dass ich dieses Hobby auch im Alter noch ausüben kann.“
Der Respekt gegenüber Polizisten hat abgenommen