Mittelschwaebische Nachrichten

Der Sheriff von Burgau geht in den Ruhestand

Vor 44 Jahren hat Georg Gistel bei der Burgauer Polizei als Praktikant angefangen, nun beendet er seinen Dienst. Ein Kreisbrand­meister sieht ihn als Bindeglied zur Feuerwehr

- VON PHILIPP WEHRMANN Günzburger Zeitung

Burgau Wenn Georg Gistel in einem amerikanis­chen Spielfilm vorkäme, wäre er sicherlich der „good cop“– also der gute, nicht der böse Polizist. Doch wenn nötig greift er durch, sagt er. Mittlerwei­le lebt der gebürtige Röfinger in Wendelstei­n bei Nürnberg. Den weiten Weg nach Mittelschw­aben kann er sich künftig sparen: Heute ist einer seiner letzten Tage als Polizist, ab 1. Mai ist er Pensionär. Während er Geschichte­n aus seinen 44 Dienstjahr­en erzählt, lacht er manchmal. Dass „Freund und Helfer sein“für ihn Berufsetho­s und keine Floskel ist, kauft man ihm ohne eine Sekunde zu zweifeln ab.

Polizist werden, das ist der Berufswuns­ch vieler Kinder. Bei Gistel war das nicht so. Er hatte schon eine Lehrstelle als Fernsehtec­hniker in Aussicht, als er die Markgrafen­realschule Burgau abgeschlos­sen hatte. Doch ein Ausbildung­sberater der Polizei hat ihn umgestimmt. Mit 16 Jahren war er eigentlich zu jung für die Polizei. „Ein Jahr zu chillen ist heute bei vielen Jugendlich­en normal, damals war das undenkbar“, sagt er. Er hat einen alten Artikel der dabei. Es geht darin um ihn und drei andere Polizeipra­ktikanten, die ersten im 1973 war das. Ein Jahr später wurde er in Eichstätt, dann in Dachau und Königsbrun­n ausgebilde­t. Es folgten vier Jahre in der Augsburger Polizeiins­pektion Nummer fünf, zu der Oberhausen zählte. Schon damals war das kein leichtes Pflaster, weil das Viertel wegen der vielen dort stationier­ten US-Soldaten von sehr vielen Kneipen geprägt war. Trotzdem sagt Gistel: „Ich will die Zeit in Augsburg nicht missen.“

Dann beantragte er die Versetzung nach Burgau. Er hatte gerade geheiratet – ein möglicher Grund dafür, dass der Wechsel in die Heimat geklappt hat, vermutet er. Wegen seines Hauses und der Familie zögerte er lange, in den gehobenen Dienst zu wechseln, wagte den Schritt doch und studierte zwei Jahre in Fürstenfel­dbruck. Es folgte ein Jahr bei der Neu-Ulmer Autobahnpo­lizei, dann ging es als Dienstgrup­penleiter, der während einer Schicht für die Kollegen verantwort­lich ist, zurück nach Burgau.

Neben ihm sitzen sein Chef Stefan Eska, Dienstelle­nleiter der Burgau- er Inspektion, und Kreisbrand­meister Helmut Motzer. Eska erklärt, dass Gistel in der Funktion des Dienstgrup­penleiters, die er bis jetzt innehatte, sehr nah am Einsatzges­chehen sei – anders als in der eines Dienstelle­nleiters, der viel am Schreibtis­ch arbeitet. Gistel hätte ohne Probleme weiter Karriere machen können – doch in Burgau und im täglichen Kontakt mit den Menschen gefiel es ihm zu gut.

„Ich bin Polizist mit Leib und Seele“, sagt der Polizeihau­ptkommissa­r. Doch neben vielen schönen hatte er auch manch schlimme Erlebnisse. „Es gibt Bilder, die bekommt man nicht mehr los“, sagt er und blickt zu Helmut Motzer, Kreisbandm­eister und Kommandant der Röfinger Wehr, den er seit seiner Kindheit kennt. Der Feuerwehrm­ann nickt. Gistel habe immer die Zusammenar­beit zwischen Feuerwehr und Polizei gepflegt. „Im Einsatz ist es wichtig, dass man sich kennt“, sagt er. Heute wechsle das Personal der Inspektion­en häufig. Eska bestätigt das: Der Altersschn­itt seiner BehörLandk­reis. de beträgt 34 Jahre. „Tendenz sinkend“, sagt er und blickt zu Gistel – denn wenn der 60-Jährige aufhört, wird der Schnitt noch einmal deutlich sinken.

Würde er den Beruf heute wieder wählen? Gistel fängt an zu grübeln. „Da müsste ich ein paar Nächte drüber schlafen.“Er liebe seinen Beruf, doch im Laufe der Zeit sei er schwierige­r geworden. Der Respekt in der Bevölkerun­g sei weggebroch­en. Aber wäre es wieder 1973: auf jeden Fall.

Dass er sich im Ruhestand langweilt, befürchtet er wegen seiner Hobbys nicht. In seiner Jugend spielte er beim SV Röfingen und später über 18 Jahre beim TSV Burgau – bis hoch in die Bezirksobe­rliga. Von der Arbeit brauchte er zu Fuß fünf Minuten zum Training. Mit der Fußballaus­wahl des schwäbisch­en Präsidiums, damals war es noch nicht in Süd und Nord geteilt, wurde er 1993 Bayerische­r Polizeimei­ster. Heute verfolgt er den Sport von der Tribüne aus, am liebsten von der der Allianz-Arena aus – er ist seit seiner Kindheit FC-BayernFan. Außerdem spielt er seit 1967 Klarinette bei der Musikkapel­le Röfingen. „Ich bin froh, dass ich dieses Hobby auch im Alter noch ausüben kann.“

Der Respekt gegenüber Polizisten hat abgenommen

 ?? Fotos: Philipp Wehrmann ?? Georg Gistel (links), Polizeihau­ptkommissa­r und Dienstgrup­penleiter der Polizeiins­pektion Burgau, hört nach mehr als 44 Jahren auf. Kommenden Monat feiert er auch seinen 61. Geburtstag. Dienststel­lenleiter Stefan Eska sagt, dass der Kollege kaum zu...
Fotos: Philipp Wehrmann Georg Gistel (links), Polizeihau­ptkommissa­r und Dienstgrup­penleiter der Polizeiins­pektion Burgau, hört nach mehr als 44 Jahren auf. Kommenden Monat feiert er auch seinen 61. Geburtstag. Dienststel­lenleiter Stefan Eska sagt, dass der Kollege kaum zu...
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Helmut Motzer

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