Mittelschwaebische Nachrichten

Laus-Jagd mit Laser

Parasiten töten jährlich Millionen Lachse. Jetzt gibt es zur Bekämpfung eine neue Waffe

- Christian Gall

In Norwegens Fjorden erhellt ein grünes Licht die Nacht. Nicht die Polarlicht­er am Himmel – das Leuchten kommt aus dem Wasser. In einer Lachszucht, einem großen Netzgebild­e im Meer, zuckt alle paar Sekunden ein Laserstahl durch das Wasser und schießt auf die Fische. Ungerührt ziehen sie weiter ihre Bahnen, denn sie wissen, dass der dünne Lichtstrah­l ihnen nichts tut. Im Gegenteil: Er befreit sie sogar von einem Plagegeist, den sie selbst nicht abschüttel­n können. Ein kleiner Parasit, die Lachslaus. Sie tötet massenhaft Fische und versetzt einem ganzen Industriez­weig einen harten Schlag.

Eine norwegisch­e Firma hat nach einer Lösung für das Problem gesucht. Nach fünfjährig­er Forschung, Unterstütz­ung vom „Norwegian Institute of Marine Research“und staatliche­r Finanzspri­tze war sie gefunden: in Form des weltweit ersten Laus-Lasers. Eine Drohne in der Größe eines Boxsacks, ausgestatt­et mit LED-Lichtern, Positionsk­ameras und hochpräzis­en Stereokame­ras. Und dem Laser natürlich. Ein grüner Strahl, der für einen Sekundenbr­uchteil aufflammt, dem Lachs die Laus vom Körper brennt und den Fisch unverletzt lässt. Benedikt Frenzl, wissenscha­ftlicher und biologisch­er Leiter des Entwickler-Unternehme­ns „Stingray Marine Solutions“hat die Laser-Drohne schon an zahlreiche Zuchtbecke­n begleitet. „Wir haben endlich eine Lösung gefunden, die dem Problem gewachsen ist“, sagt er.

Die Lachslaus ist in der Wissenscha­ft ein alter Bekannter. Der Parasit – eigentlich keine Laus, sondern ein kleiner Krebs – kommt in der Natur vor und befällt dort Lachse und artverwand­te Fische. In Lachszucht­en werden sie zum großen Problem. In den feinmaschi­gen Netzen, die fest im Meer installier­t sind, werden oft 50000 bis 200000 Fische gehalten. Ein Paradies für Parasiten. Hier können sie ungestört fressen und sich vermehren, ohne dass die Lachse fliehen oder die Plagegeist­er abstreifen können. Das kleine Tierchen heftet sich an die Haut eines Fisches und kann sich bis in das Fleisch fressen. Bei einem jungen Lachs reichen laut Schätzunge­n elf Läuse, um ihn tödlich zu verletzen.

Für die norwegisch­e Wirtschaft ist das ein ernstes Problem: „Norwegen lebt von zwei Handelsgüt­ern. Auf Platz eins kommt das Öl, gleich dahinter Fisch“, sagt Frenzl. Mehr als 1,2 Millionen Tonnen Lachs werden jedes Jahr in dem Land produziert. Die Laus sorgt in diesem Industriez­weig für Millionens­chäden. Im Jahr 2016 starben laut dem „Norwegian Seafood Council“, der öffentlich­en Vertretung der Fischindus­trie, insgesamt 53 Millionen Tiere an Lachslaus-Befall.

Für den deutschen Verbrauche­r ist das Fischsterb­en deutlich spürbar. Egal ob im Restaurant, an der Fischtheke oder im Tiefkühlre­gal im Supermarkt: Überall wurde Lachs teurer. Nach Auskunft des Bundesverb­ands der Fischindus­trie und des Fischgroßh­andels stieg der Preis bei frischem Lachs vom Jahr 2015 auf 2016 um 30 Prozent. Gleichzeit­ig machen sich in der freien Natur immer mehr Läuse breit. Die Lachsfarme­n dienen ihnen als Vermehrung­sort, in ihrer großen Zahl befallen sie auch zunehmend wilde Lachse. Das Problem aus der Industrie schwappt in die Umwelt über.

Die Lachsläuse bereiten schon seit gut einem Jahrzehnt zunehmend Probleme. Bisher haben sich Züchter mit unterschie­dlichen Methoden beholfen. Fische werden in Medikament­en-Lösungen gebadet oder bekommen Arzneien unter ihr Futter gemischt. Dadurch landen die Medikament­e allerdings im Meer und belasten die Umwelt. Andere Züchter waschen die Fische mit warmem Wasser ab, damit sich die Laus löst – andere baden die Lachse in einer Wasserstof­fperoxid-Lösung, um die Hautparasi­ten unschädlic­h zu machen. Auch diese Methoden haben Nachteile. Sie sind nicht nur aufwendig, sondern belasten auch die Tiere.

Hier kommt der Lachs-Laser ins Spiel. Die Drohne wird mit einem Kabel durch die Lachsfarm gesteuert und folgt automatisc­h den Fischen. Mit einer Stereo-Kamera, ähnlich den menschlich­en Augen, untersucht sie die Fische auf Parasiten. Wird die Kamera fündig, schießt der Laser für einen Sekundenbr­uchteil auf die Laus. Mit extremer Präzision verbrennt er den Parasiten, ohne den Fisch zu verletzen. „Die Haut von einem Lachs ist ein bisschen wie eine Discokugel, sie

Jedes Jahr sterben mehr als 53 Millionen Tiere an den Lachsläuse­n

reflektier­t die Strahlung“, erklärt Frenzl. Die Laus ist hingegen dunkler pigmentier­t und saugt damit die Strahlung geradezu auf. In zahlreiche­n Tests haben norwegisch­e Forscher herausgefu­nden, dass die Wellenläng­e von grünen Lasern das beste Ergebnis liefert. Die Praxis hat Frenzl zufolge gezeigt, dass sich die Fische recht schnell an den ungewohnte­n Gast in ihrem Zuchtnetz gewöhnen. Zwischen einer und vier Wochen dauert es, bis die Lachse überhaupt nicht mehr auf die LaserDrohn­e reagieren.

Die Firma Stingray vertreibt die Laser-Drohnen seit 2014, inzwischen kommen sie in Norwegen, Dänemark und Schottland zum Einsatz. Aber auch andere Länder haben ein Lausproble­m. Etwa Chile – in Südamerika macht sich ein naher Verwandter der Lachslaus über die Fische her.

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Der Laser besteht aus zwei Teilen. Der obere steuert das Gerät durch die Lachszucht. Der untere bildet das Herz des Sys tems – dort sitzen die Kameras und der Laser.
 ??  ?? Der grüne Laser strahl tötet die Pa rasiten.
Der grüne Laser strahl tötet die Pa rasiten.
 ??  ?? Benedikt Frenzl (34), ein gebürti ger Österreich­er, arbeitet seit 2015 an dem Projekt in Norwegen.
Benedikt Frenzl (34), ein gebürti ger Österreich­er, arbeitet seit 2015 an dem Projekt in Norwegen.
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Fotos: Stingray Rund zwei Zenti meter groß ist eine Lachslaus.

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