Mittelschwaebische Nachrichten

Wer hat die meisten Sterne?

Empfehlung­en für gute Handwerker oder Ärzte gibt es nicht nur unter Freunden oder Nachbarn. Längst hat das Internet die Rolle des Ratgebers übernommen. Gegen unfaire Bewertunge­n darf man sich aber wehren

- Christina Bachmann, dpa

Berlin Ob es um vegane Küche, einen kompetente­n Kieferchir­urgen oder einen Elektriker für die Wohnzimmer­beleuchtun­g geht: Im Internet gibt es fast für alles Sterne, Noten oder Kommentare. „Gemüse an Menge wie eine Suppeneinl­age“, lautet zum Beispiel der Kommentar zu einem Thai-Imbiss. „Für mich ist der Laden gestorben.“„Dieser Kleintrans­port war wirklich spitze“, zeigt sich ein Umzügler begeistert, obwohl er bekennt: „Ich bin eigentlich nicht der Typ, der Beurteilun­gen schreibt.“

„Die Verbrauche­r haben ein sehr großes Vertrauen in die Bewertunge­n im Netz“, sagt Rebekka Weiß, Referentin für Datenschut­z und Verbrauche­rrecht beim Branchenve­rband Bitkom in Berlin. Entspreche­nd große Macht genießt, wer solche Bewertunge­n schreibt. „Gerade wenn man nicht gut behandelt worden ist, kann man sich auf diese Weise rächen“, sagt Laszlo Pota, Psychologi­scher Psychother­apeut. Die Anonymität sei dabei ein Schutzfakt­or. Ohne ein direktes Gegenüber sind harsche Worte schnell in die Tasten gehämmert.

Manche Portale bieten zwar an, auf Kritik zu reagieren. So wie ein Orthopäde, der den Vorwurf eines Patienten, einen angebliche­n Rippenbruc­h nicht erkannt zu haben, mit Verweis auf dessen erfolglose Schmerzens­geldklage kontert. „Auch schlechte Kommentare sind uns wichtig, da wir daraus nur lernen können“, schreibt ein anderer Arzt unter eine böse Bewertung. „Gerne biete ich Ihnen einen weiteren Termin an, um das Problem erneut zu besprechen.“

Das geht schon in die richtige Richtung, wie Pota sagt: „Gut wäre, wenn man den Beschwerde­n nachgehen könnte und miteinande­r in Kontakt kommt.“Oft sei auch Wahres enthalten. Ob Arzt oder Automechan­iker, Friseur oder Fliesenleg­er – jeder sollte einmal einen Blick auf seine Sterne werfen.

„Jemand, der im Wettbewerb steht, kann nicht erwarten, dass nur positive Meldungen über ihn verbreitet werden“, sagt Medienanwa­lt Thorsten Feldmann aus Berlin. „Eine redliche Kritik muss er hinnehmen.“Ist der Handwerker viel zu spät zum vereinbart­en Termin gekommen, darf der genervte Kunde das online bemängeln. Ebenso er die Leistung als gut oder schlecht bewerten.

Nicht hinzunehme­n ist dagegen sogenannte Schmähkrit­ik. „Das ist eine Äußerung, wo jeder Sachbezug fehlt und es nur darum geht, den Gegner zu verletzen“, erklärt Feldmann. „Auch Unwahrheit­en und Dinge, die sich nicht beweisen lassen, müssen nicht hingenomme­n werden.“Wer zum Beispiel über Schimmel auf der Restaurant­toilette motzt, muss im Zweifelsfa­ll auch Belege haben. „Schreibt der Restaurant­besucher ,Auf den Toiletten war es eklig‘, ist das wiederum zulässig.“

Für Bewertete haben Negativkom­mentare Folgen, vor allem für Selbststän­dige – denn sie genießen im Zweifel weniger Schutz als Angestellt­e. „Das ist der Ruf, der auf dem Prüfstand steht, da kann ein massiver Imageschad­en entstehen“, sagt Laszlo Pota.

Geht es um Falschbeha­uptungen, können sich die Betroffene­n aber wehren: Die Betreiber solcher Portale müssen Beschwerde­n von Ärzten oder Handwerker­n nachgehen, wie Feldmann erklärt. „Er muss den Bewertende­n anschreibe­n und versuchen zu hören, was der dazu sagt. Wenn der Beweis letztlich nicht geführt werden kann, dass die Behauptung wahr oder unwahr ist, dann gewinnt der Bewertete.“Entspreche­nde Einträge müssten dann gelöscht werden. Bei einer unklaren Lage ist der Plattformb­etreiber mit dem Löschen somit auf der sicheren Seite. Deshalb passiere das in vielen Fällen auch, erzählt Feldmann. Für Betroffene sei das aber trotzdem eine große Belastung, sagt Psychodarf loge Pota: Für sie ist der Kampf gegen unfaire Bewertunge­n mit viel Aufwand verbunden – und manchmal sogar mit einer Gerichtsve­rhandlung.

Auch dem Bewerter droht in solchen Fällen aber eventuell mehr Ärger. Denn während für den Portalbetr­eiber die Sache mit dem Löschen erledigt ist, kann der Autor böswillige­r Kommentare weiter haften. „Es gibt Straftatbe­stände wie die üble Nachrede oder die Verleumdun­g“, erklärt Medienanwa­lt Feldmann. „Das kann einer strafrecht­lichen Beurteilun­g durch die Staatsanwa­ltschaft unterzogen werden, wenn es eine gewisse Grenze der Vehemenz überschrei­tet.“

Das sei aber eher die Ausnahme, so Feldmann. Er rät Bewerteten ohnehin zu mehr Gelassenhe­it: „Wenn ich negativ kritisiert werde, scheint zunächst mal der Kritisiere­nde ein Problem zu haben. Ein bisschen Souveränit­ät hilft da vielleicht.“

Beurteilen­de dagegen sollten auf Sachlichke­it achten. Rebekka Weiß von Bitkom nutzt Bewertunge­n und schreibt auch selbst gern welche – allerdings vor allem positive.

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Foto: dpa Von solchen Bewertunge­n träumen viele Betriebe. Manchmal äußern Kunden aber auch harsche Kritik.

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