Mittelschwaebische Nachrichten
Von topmodern bis retro
Die Motorrad-Saison hält spannende Neuheiten bereit. Wir haben drei beispielhafte Edel-Bikes schon ausprobiert
Harley-Davidson springt über seinen Schatten, BMW bringt die Connectivity ins Motorrad und Ducati setzt zur Eroberung der großen Retro-Klasse an – es ist mächtig was los in der Motorradsaison 2018. Wir waren viel unterwegs und konnten bereits drei spannende Neuheiten des Jahres ausgiebig fahren und uns von den speziellen Qualitäten der Bikes überzeugen.
Harley Davidson Sport Glide
Mit 3718 Metern ist der Teide auf Teneriffa Spaniens höchster Gipfel. Und die kurvigen Sträßchen dort sind genau das richtige Terrain, um den neuen, angeblich sportlichen Cruiser von Harley-Davidson zu testen: die Sport Glide. Sie soll den Spagat schaffen zwischen entspanntem Dahingleiten und beherzter Kurvenjagd. Beim Ritt hinauf zum Teide macht die Sport Glide tatsächlich richtig Spaß. Eine Linksrechts-Kombination nach der anderen nimmt sie unter die Reifen, ohne allzu früh aufzusetzen. Irgendwann schleifen zwar links die Fußraste und rechts der Motorradstiefel. Aber das passiert erstaunlich spät für einen Cruiser aus dem Hause Harley.
Dass die Sport Glide auch ganz anders kann, liegt an ihrer praktischen Ausstattung: Eine zierliche, markentypisch geformte „Batwing“-Verkleidung gibt genug Schutz vor Wind und Wetter, mit praktischen Koffern ist sie ein veritabler Tourer für die weite Fahrt gen Horizont. Beides verschwindet per Schnellverschluss im Handumdrehen.
Der schnelle Striptease macht aus Harleys Tourer einen nackten Roadster für den Fahrspaß in der Stadt und auf kurvigen Landstraßen. Der neue „MilwaukeeEight“-Motor mit 1745 Kubikzentimetern Hubraum hängt in einem verwindungssteiferen Rahmen. 84 PS – das klingt bescheiden für einen 317-Kilogramm-Cruiser. Aber 145 Newtonmeter bei 3000 Touren bringen Schubkraft in allen Lebenslagen. Allerdings: Irgendwann ist Schluss mit den Schräglagen, und so geht die jüngste Softail als dyna- mischste ihrer Art in die Geschichte ein – nicht weniger, aber auch nicht mehr. 17995 Euro sind für die neue Sport Glide kein Pappenstiel, aber wenigstens gewährt Harley-Davidson vier Jahre Garantie auf alle Modelle.
BMW F 750 GS und F 850 GS
Neue digitale Technologien, mehr Dynamik auf Asphalt, höheres Potenzial im Offroad-Einsatz: Das verspricht BMW Motorrad für die Nachfolger seiner beliebten Adventure-Enduros F 700 und 800 GS. Nach zehn extrem erfolgreichen Jahren erneuern die Bayern ihre vielseitige Mittelklasse von Grund auf: F 750 GS heißt jetzt das günsti- gere und leistungsschwächere Einstiegs-Bike mit 77 PS. F 850 GS heißt das 95 PS starke, teurere Schwestermodell. Mehr Ausstattung als bisher führt zu zwölf Kilogramm mehr Gewicht.
Die Modellnamen trügen: In der 750 und in der 850 GS arbeitet jeweils ein Zwei-Zylinder-Motor mit 853 Kubikzentimeter Hubraum. Allerdings mit unterschiedlicher Abstimmung. Die Motoren kommen aus China vom BMW-Partner „Loncin“. Frischen Motorsound erzeugen versetzte Hubzapfen und die unregelmäßige Zündung des Zweizylinders, deshalb klingt er wie ein knackiger V2. Die Fahrmodi „Road“und „Rain“bringen ab Werk ebenso zusätzliche Sicherheit wie BMWs Stabilitätskontrolle ASC. Neue Spezialität „Connectivity“: Gegen 600 Euro Aufpreis verbinden sich die Bikes über Bluetooth mit gängigen Smartphones. Ein 6,5 Zoll großes TFT-Display bildet übersichtlich und klar Navigation, Telefonie oder Musikauswahl ab. Die Bedienung über ein Rad am linken Handgriff soll auch während der Fahrt unbedenklich sein. Die neue BMW 750 GS ist ab 9150 Euro zu haben – 200 Euro mehr als bisher. Die 850er stieg im Preis um 420 auf 11 700 Euro. Fazit: Markanteres Design, moderne Technologien und spürbar mehr Motorkraft – BMW F 750 und 850 GS bieten ab sofort deutlich mehr. Und das müssen sie auch, denn die Konkurrenz schläft nicht.
Ducati Scrambler 1100
Ein Mythos erneuert sich: die Ducati Scrambler. Seit den ersten Exemplaren von 1962 bis 1978 zieht sie ihren Reiz aus ihrer Vielseitigkeit. Kein Sportbike, keine Enduro, kein Streetfighter, kein Tourer, aber von allem etwas und damit seit der Wiederauferstehung 2015 sehr erfolgreich. Allerdings war Ducatis Scrambler der Neuzeit mit 400 oder 800 Kubikzentimetern Hubraum bislang zu klein für Sitzriesen und mit maximal 73 PS zu schwach für PS-Junkies. Der neue große Lifestyle-Allrounder Scrambler 1100 macht wenigstens einem dieser Mankos ein Ende.
Die neue, große Srambler war überfällig: Die 1100er mit 86 PS – endlich groß und stark genug, damit auch Biker über 1,85 m damit entspannt durch die Gegend cruisen können. Sie fährt sich zwar weniger agil als die Scrambler 800, ist aber das deutlich erwachsenere Motorrad mit längerem Radstand, mehr Sitzhöhe und breitem Lenker. Die Scrambler 1100 kostet in den drei Versionen 12990 bis 14990 Euro – sehr stolze Preise. Drei Fahrmodi und Kurven-ABS von Bosch sind bei allen Modellen inklusive.
Besonders wichtig bei der modernen Scrambler im Retro-Look: Die Reduktion aufs Wesentliche, was man an dem klassischen Rundinstrument ablesen kann. Für die große Scrambler hat Ducati seinen luftgekühlten Zweiventil-Motor aus der alten Monster auf Euro 4 getrimmt. Die Spitzenleistung ist dabei zwar von 100 auf 86 PS gesunken, doch der Fahrspaß ist geblieben. Der 1,1-Liter-V2 meldet sich lautstark zum Dienst. Über E-Gas und dank weiterer moderner Motorelektronik mit MotoGP-Knowhow drückt er seine Kraft jederzeit berechenbar auf die Kette. Die Lust nach mehr PS dürfte bei einigen Scrambler-Fans anhalten, denn die 86 PS sind zwar extrem gut fahrbar, reißen aber keinen Sportfahrer vom Hocker. Trotzdem: Insgesamt ist die Ducati Scrambler 1100 ein überzeugender Lifestyle-Alleskönner.