Mittelschwaebische Nachrichten
Sie warnten nicht vor dem Hinterhalt
Österreichische Blauhelme ließen neun Syrer ins Verderben fahren. Hätten sie das Leben der Polizisten retten müssen – oder waren sie zu absoluter Neutralität verpflichtet?
Wien Schwerwiegende Vorwürfe gegen frühere österreichische Blauhelmsoldaten muss nun eine Untersuchungskommission des Verteidigungsministeriums in Wien prüfen. Die Soldaten sollen bei ihrem UNEinsatz auf den Golanhöhen 2012 wissentlich eine Gruppe von syrischen Geheimdienstpolizisten in einen tödlichen Hinterhalt haben fahren lassen.
Ein Video, das der Wochenzeitung Falter zugespielt wurde und von den Blauhelmsoldaten selbst aufgenommen worden war, zeigt die Vorgänge, die sich vor nahezu sechs Jahren abgespielt haben: Zunächst konnten die Soldaten von ihrem Checkpoint aus 13 Schmuggler beobachten, die sich versteckten. Danach passierte ein Pick-up mit neun syrischen Geheimdienstpolizisten den Kontrollpunkt. Die Blauhelme sprachen mit den Syrern und ließen sie weiterfahren, ohne sie vor den bewaffneten Schmugglern zu warnen. Kurz darauf erschossen die Schmuggler aus dem Hinterhalt alle Geheimdienstpolizisten. Auch das ist auf dem Video zu sehen.
„Normal musst das de Hund sagen“(Normalerweise musst du das den Hunden sagen), ist vorher auf dem Video von einem der Österreicher zu hören. „Wenn da aner überbleibt, kummt er umma und schießt uns ab“(Wenn einer überlebt, kommt er und erschießt uns). Die Blauhelmsoldaten sollen selbst keine schusssicheren Westen gehabt haben. Jedem Soldaten standen angeblich nur 30 Schuss Munition zur Verfügung.
Möglicherweise hätten die Blauhelme den Syrern das Leben retten wenn sie diese gewarnt hätten. Der österreichische Völkerrechtler Manfred Nowak vertritt deshalb die Ansicht, die Soldaten hätten die Pflicht gehabt, die Syrer darauf aufmerksam zu machen.
Im Rahmen der UN-BeobachterMission sind Soldaten zur Neutralität zwischen den Konfliktparteien verpflichtet. Laut hat ein ehemaliger Soldat der Kompanie, der selbst ein Jahr lang am Golan im Einsatz war, seine Kollegen verteidigt: „Der Befehl lautete: ,nicht einmischen‘“, wird er zitiert. Die entscheidende Anweisung kam, wie das Video zeigt, vom Kommandanten per Funk.
Ein Sprecher der Vereinten Nationen in New York nannte das Video „verstörend“. Der Vorfall selbst sei bekannt gewesen und in einem Bericht des UN-Generalsekretärs im November 2012 erwähnt worden. Allerdings ist in dem Papier von 13 Mitgliedern der bewaffneten syrischen Opposition die Rede. Die UN wollen sich nun an der weiteren Aufklärung beteiligen.
Österreichische Soldaten waren von 1974 bis 2013 durchgehend auf den Golanhöhen stationiert. Die Mission galt als Musterbeispiel für das internationale Engagement des neutralen Österreichs. Die Blauhelmtruppe UNDOF (United Nations Disengagement Observer Force) soll eventuelle Konflikte in der im Sechs-Tage-Krieg von Israel eroberten demilitarisierten Pufferzone beobachten und melden. Die Pufferzone ist 75 Kilometer lang und bis zu 10 Kilometer breit. Derzeit sind 1144 UN-Soldaten dort im Einsatz, vor allem aus Nepal, den FidschiInseln, Indien und Irland. Österkönnen, reich entsandte im Laufe der Jahre 26 000 Soldaten auf den Golan. Im Sommer 2013 zog Verteidigungsminister Gerald Klug die zu jener Zeit 378 österreichischen Soldaten überraschend ab. Es war zuvor immer häufiger zu Verletzungen der Waffenstillstandszone gekommen, sodass die leicht bewaffneten Blauhelme sich ausschließlich in Schutzräumen aufhalten mussten. Bei den UN und in Israel stieß der Abzug der Österreicher damals auf Kritik.
Die Untersuchungskommission soll nun auch feststellen, ob ein Zusammenhang zwischen dem Vorfall auf dem Video und dem Abzug der Österreicher aus der UN-Mission besteht. Im Unterschied zur holländischen UN-Schutztruppe im bosnischen Srebrenica 1995 handelt es sich bei dem Golan-Einsatz um eine reine Beobachtermission.