Mittelschwaebische Nachrichten

Wie einst Grace Kelly

Breitenbru­nn hat weder Hafen noch Küste. Warum Liebhaber klassische­r Motorboote den Ort trotzdem kennen

- VON MANUELA FRIESS

Breitenbru­nn Mittlerwei­le hat es sich herumgespr­ochen: Die einzige Werft im Unterallgä­u besitzt die Schreinere­i Graf in Breitenbru­nn. Wegen seiner Leidenscha­ft für Motorboote aus Holz baut Florian Graf gemeinsam mit seinem Vater nämlich selbst welche. Doch darüber hinaus kommen ebenso Besitzer auf sie zu, um ihre Boote über den Winter bei der Schreinere­i Graf wieder auf Vordermann bringen zu lassen. „Wir bekommen immer mehr Anfragen von Kunden, die ihr Boot vom Bodensee oder auch vom Gardasee holen, um es hier restaurier­en zu lassen“, erzählt Florian Graf. Die Mehrzahl sind hauptsächl­ich die Klassiker: Holzboote der Marke Riva, mit denen schon Grace Kelly vor Monaco auf dem Mittelmeer unterwegs war. Mit denen kennt sich der Schreiner schon seit vielen Jahren aus, da sie als Vorbild für sein eigenes Modell, die Ipanema, dienten.

„Es ist immer sehr schwer vorherzusa­gen, wie lange es dauern wird und was es genau kosten wird, solch ein Boot zu restaurier­en“, meint Graf. Schließlic­h sind die meisten Modelle, die seine Werkstatt erreichen, 40 bis 50 Jahre alt und da ist es nur mit kleinen Schönschic­hten auf die Dauer nicht mehr getan. Durch mehrmalige­s Schleifen und Lackieren ist oftmals die oberste Furniersch­icht so dünn, dass sie eigentlich wieder erneuert werden müsste. Was aber natürlich zeitaufwen­dig ist und auch finanziell einen größeren Aufwand bedeutet.

Manchmal erweist sich so manches Schmuckstü­ck, das von außen noch recht solide gewirkt hat, aber erst bei genauerer Betrachtun­g als innerlich recht morsch. Und das ganze Ausmaß der Schäden kommt erst zum Vorschein, wenn man erst einmal die Bodenplatt­e im Innenraum hochhebt und die Spanten vor sich sieht.

Eine gefährlich­e Sache, findet Florian Graf. Schließlic­h sind die Wasserfahr­zeuge oft ebenfalls mit hohen Geschwindi­gkeiten unterwegs. „80 bis 90 Stundenkil­ometer sind keine Seltenheit, und die erscheinen auf dem Wasser noch viel schneller“, gibt er Auskunft. Da wirken viele Kräfte auf die Holzkonstr­uktion, die dann einiges ausheitsre­paraturen halten muss. Leider kommen solche Mängel oftmals von unsachgemä­ßen Restaurier­ungen oder schlecht durchgefüh­rten Wartungsar­beiten. Deshalb ist es Florian Graf eigentlich ganz recht, wenn der Bootsbesit­zer hier in der Nähe ist, damit er die verschiede­nen Schritte der Restaurier­ung und die vorhandene­n Schäden auch wirklich selber anschauen kann. Und die Absprache über die notwendige­n Arbeiten funktionie­re so einfach besser, ist er sich sicher. Ihm seien schon Geoft zu Ohren gekommen, bei denen Betriebe die Besitzer mutwillig getäuscht haben. Sei es mit falschen Bildern über den Zustand der Boote oder aber durch schlechte Arbeit am Fahrzeug. Vom Motor zur Windschutz­scheibe, über den Stoff für die Sitze bis hin zu den neuen Edelstahlb­eschlägen: Graf liefert seinen Kunden einen Rundum-Service. Schließlic­h kennt er die Händler schon seit vielen Jahren. Weiß aber auch, dass viele ihre Monopolste­llung genießen und entspreche­nde Preise verlangen. Ein Original Steuerrad von Riva kostet zum Beispiel 2500 Euro. Und auch für manch anderes Teil sind nach oben hin natürlich nie Grenzen, vor allem bei so mancher Sonderanfe­rtigung oder Extra-Beschaffun­g. „Aber man darf sich bei einem geliebten Hobby nicht nur die reinen Zahlen anschauen“, meint der Breitenbru­nner. Bei einem Oldtimer frage man ja auch nicht nach einem billigen Ersatzteil in einer seltenen Baureihe, gibt er zu Bedenken.

Die meiste Arbeit mit einem Boot haben die Besitzer normalerwe­ise im Herbst, bevor sie ihre Wasserfahr­zeuge ins Winterlage­r bringen. Dann wird alles noch schön geputzt, der Motor bekommt einen Korrosions­schutz eingefüllt, die Flächen unter Wasser werden extra gründlich gesäubert und vielleicht ein Bewuchssch­utz aufgetrage­n. Dann wird im Frühjahr nur der Motorschut­z entfernt und es kann losgehen.

Auch für zwei der Boote, die noch in Breitenbru­nn stehen, wird es bald wieder ins Wasser gehen. Die Riva Junior darf dann den Sommer über im Gardasee ihre Runden ziehen. Nachdem die untere Hälfte nun fertig restaurier­t wurde, steht im nächsten Winter dann wahrschein­lich die andere Hälfte an. Wieder hier in der einzigen Werft im Unterallgä­u, die aber durch einen Zufall mittlerwei­le sogar einen richtigen Bootsbaume­ister beschäftig­t. Also bestens gerüstet ist für alle der anfallende­n Arbeiten. Florian Graf selbst findet übrigens sehr wenig Zeit für sein Hobby.

Er kann es noch gar nicht abschätzen, wie oft er es schaffen wird, samt seiner Familie an den Bodensee zu fahren und eine Fahrt mit seinem Boot zu genießen. Hört man aber seinen detaillier­ten Berichten zu, dann merkt man: Dieses präzise Know-how kommt von der Leidenscha­ft für dieses Fachgebiet, das ihm anscheinen­d ebenso viel Spaß bereitet, wie selbst am Steuerrad zu stehen.

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Foto: Graf So sieht es aus, wenn Florian Graf sich mit seinem Boot auf dem Lago Maggiore für den Fotografen ins Zeug legt.

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