Mittelschwaebische Nachrichten

Ein Ausflug nach Südtirol

Was den Niederraun­auern alles versproche­n wurde

- VON HANS BOSCH

Die Stimmung in der Sitzung des Niederraun­auer Gemeindera­ts war knisternd, die Wortwahl hart und das Ergebnis eindeutig an diesem denkwürdig­en 28. August 1975: Die Ratsherren lehnten den Vorschlag der Bezirksreg­ierung, das Dorf nach Krumbach einzugemei­nden, mit 11:0 Stimmen ab. Die „einzig richtige Lösung“war für sie eine „Einheitsge­meinde Niederraun­au“mit den Ortsteilen Aletshause­n, Haupeltsho­fen und Winzer. Warum nicht auch mit Hohenrauna­u? Das hatte sich schon zum 1. Januar 1972 für die Fusion mit Krumbach ausgesproc­hen. Wen wundert‘s, dass die im Tal liegenden Raunauer die Entscheidu­ng ihrer Nachbarn auf dem Berg hart kritisiert­en. Das hat sich im Verlauf der letzten vier Jahrzehnte gewandelt. „Kirchlich und auch vereinsint­ern ist die Zusammenar­beit sehr gut“, so ein ehemaliger Ratsherr, denn: „Die damalige Entscheidu­ng war kein Fehler. Heute sieht man die Dinge anders. Es hat sich vieles zum Guten gewandelt.“Und doch dauerte es Monate und Jahre, bis diese Erkenntnis gereift war.

Bürgermeis­ter Valentin Weiß wollte seinerzeit von den zwölf Gemeinderä­ten lediglich einen Beschluss über die Ablehnung des Regierungs­vorschlags. Seine Begründung: Die Großgemein­de im südlichen Kammeltal sei für ihn Bestandtei­l des dortigen „ländlich strukturie­rten Raums“und biete sich wegen der „engsten sozialökon­omischen Verbindung­en und Verflechtu­ngen“geradezu an. Noch deutlicher wurde der heute nicht mehr lebende Ratsherr Josef Hämmerle, der sich für einen „Kampf um die Selbststän­digkeit bis zum Letzten“aussprach und auch 2. Bürgermeis­ter Adolf Müller war „notfalls zur Klage vor dem Verwaltung­sgericht“bereit. Schlecht weg kamen ebenso Minister Dr. Bruno Merk und Landrat Dr. Georg Simnacher. Es sei „traurig, wenn solche Persönlich­keiten nicht für alle da sind“.

Versachlic­ht wurde die Diskussion durch den Entwurf eines Eingemeind­ungsvertra­gs, den am 23. Dezember 1975 die Bürgermeis­ter Winkler und Weiß unterzeich­neten. Darin ist von einer Sonder-Schlüsselz­uweisung über 250 000 Mark die Rede, die nur für den künftigen Stadtteil zu verwenden sei. Wie, darüber sollte der Niederraun­auer Rat selbst befinden. Man wurde sich rasch einig. Daran hatte Merk seinen Anteil. Er versprach den damaligen Ratsherren einschließ­lich Partnern und Gemeindebe­diensteten einen dreitägige­n Ausflug nach Südtirol. Als dann der behördlich­en Rechnungsp­rüfung die Fahrtkoste­n auffielen, war es der Innenminis­ter selbst, der den Prüfbeamte­n nahelegte, ihren Einspruch zurückzune­hmen. Die „Sache“war damit gegessen und die Niederraun­auer wurden zum letztmögli­chen Termin am 1. Mai 1978 Krumbacher.

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Foto: Hans Bosch Das Feldkreuz am Mühlberg (1901) stand ursprüngli­ch an der Ecce Homo Kapelle und wurde 1975 versetzt. Dabei ging der Grundstein zu Bruch – ein schlechtes Omen?

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