Mittelschwaebische Nachrichten
Nornheim sei Dank
Alt-Oberbürgermeister Rudolf Köppler verrät, wie die Große Kreisstadt entstanden ist
Günzburg Die Große Kreisstadt – um ein Haar wäre sie gar nicht so groß geworden. Dass Günzburg von vormals 23 Quadratkilometer Fläche mit seinen Stadtteilen auf 56 Quadratkilometer wachsen konnte, dass es irgendwann die Ansiedelung von Legoland und damit einen Tourismusboom erleben konnte, hat die Stadt Nornheim zu verdanken, wie Alt-Oberbürgermeister Rudolf Köppler in seinem derzeit entstehenden Erinnerungsbuch schreibt: „Nornheim sei Dank“.
Die Pläne für Günzburg nach dem Verlust der Kreisfreiheit 1972 hatten nämlich ganz anders ausgesehen: „Die Feinplanung des Innenministeriums unter Führung von Bruno Merk hatte eine Kragen-Verwaltungsgemeinschaft um Günzburg vorgesehen“, sagt Köppler heute. Lediglich die beiden baulich schon mit Günzburg zusammengewachsenen Orte Denzingen und Wasserburg waren für die Eingemeindung gedacht. Riedhausen, Reisensburg, Leinheim, Nornheim und Deffingen dagegen sollten selbstständig bleiben und miteinander eine Verwaltungsgemeinschaft bilden. Doch die Nornheimer hatten – zum Glück für Günzburg – andere Pläne. „Kurz nach meinem Amtsbeginn 1970 schilderte mir der Nornheimer Kollege seine Probleme mit der Abwasserbeseitigung, die das kleine Dorf finanziell nicht bewältigen konnte. Angesichts des Kostenvolumens von weniger als einer halben Million Mark stellte ich dem Bürgermeister in Aussicht, dass die Stadt bei einem freiwilligen Anschluss an Günzburg den Ausbau der Kanalisation sehr wohl in ihrem Haushalt unterbringen könnte“, schreibt Köppler in seinen Erinnerungen.
Ein Angebot, das Nornheims Bürgermeister nicht ablehnen konnte, und der Gemeinderat sowie die Bürger mit großer Mehrheit annahmen. So kam es zur freiwilligen Eingemeindung Nornheims, die buchstäblich einen Keil in die Planung des Ministeriums getrieben hatte. Denn mit Nornheims Zugehörigkeit zu Günzburg war die Landverbindung der Kragen-Verwaltungsgemeinschaft durchbrochen. Also mussten nach den Richtlinien auch die übrigen Nachbargemeinden Günzburg zugeordnet werden. „Damit galt der innenministerielle Slogan „Günzburg bis zur Autobahn“nicht mehr, denn jetzt gehörte auch Deffingen zur künftigen Stadtgebietsfläche“, so Köppler.
Wäre dieser Kunstgriff nicht geglückt – Günzburg hätte sich womöglich ganz anders entwickelt. Köppler: „Dadurch wurden beispielsweise die Umsiedelung der Landmaschinenfabrik Mengele, die Errichtung des Postfrachtzentrums und vor allem die Ansiedelung des Freizeitparks Legoland und seines Feriendorfs samt Hotellerie und Gastronomie überhaupt erst möglich.“Die Ausdehnung des Stadtgebiets und die Deffinger Fluren südlich der Autobahn hatten neue Räume geschaffen.
Für den Oberbürgermeister galt es 1978 dann noch, die Einwohner der neuen Stadtteile von sich zu überzeugen – schließlich hatte man dem SPD-Mann in den CSU-geprägten Orten wenig Rückhalt eingeräumt. Mit vielen Veranstaltungen zu Slogans wie „Es gibt nur ein Reisensburg“und „Deffingens Gemeindeleben erhalten“sowie „Gedeihliche Entwicklung Wasserburgs“ gelang dies schließlich – Köppler wurde als Oberbürgermeister der nun vereinten Großen Kreisstadt wiedergewählt. Ab dem 1. Mai 1978 bestimmte Rudolf Köppler weitere 24 Jahre lang die Geschicke der Stadt.