Mittelschwaebische Nachrichten

„Pfaff, erhöre uns!“

Warum es in Nattenhaus­en einen „Trauermars­ch“gab

- VON ALOIS THOMA

Nattenhaus­en Stadtteil von Krumbach werden oder Eingemeind­ung nach Breitentha­l – diese Alternativ­en boten sich den Nattenhaus­ern. In einer Versammlun­g am 18. April 1973 kristallis­ierte sich schnell eine Tendenz heraus. Weil man als kleine Gemeinde gegenüber der „großen Stadt Krumbach“befürchtet­e, höchstens das zehnte Rad am Wagen zu sein, stimmten die anwesenden Bürger mit großer Mehrheit für einen Anschluss an Breitentha­l. Krumbachs Bürgermeis­ter Georg Winkler und einige Stadträte, die nach Nattenhaus­en gekommen waren, mussten enttäuscht den Heimweg antreten. Der Natttenhau­ser Rat entschied sich am 23. Dezember 1975 einstimmig für die Eingemeind­ung nach Breitentha­l. Der dortige Rat hatte sich zuvor für die Aufnahme Nattenhaus­ens entschiede­n und am 12. September 1977 mit 9:0 Stimmen den Vertrag über den Zusammensc­hluss abgesegnet.

„Wenn d‘Broitathal­er it parierat, dann dreh mr deane oifach s’Wasser ab“, hatte damals ein Bürger scherzhaft verlauten lassen. Grundlage der „Drohung“: Die in den Jahren 1975/76 von der Gemeinde Nattenhaus­en unter Bürgermeis­ter Karl Thoma gebaute Wasservers­orgung (Tiefbrunne­n und Hochbehält­er) lieferte auch Trinkwasse­r an die besagte Gemeinde westlich der Günz. Zu einem „Wasser halt“kam es aber nicht. „Es hat nie ein Ortsteilde­nken gegeben. Man hat sich im Gemeindera­t immer für das entschiede­n, was richtig war, egal welchen Ortsteil das betraf“, bestätigt Josef Mayer, der ab der zweiten Periode nach der Gebietsref­orm 18 Jahre lang Stellvertr­eter von Bürgermeis­ter Urban Lecheler war.

In der ersten Legislatur­periode nach der Reform hieß das Ortsoberha­upt noch Johann Pfaff (Breitentha­l), der sich bei der Kommunalwa­hl am 5. März 1978 gegenüber seinem Nattenhaus­er Gegenkandi­daten und späteren Stellvertr­eter Karl Thoma durchgeset­zt hatte.

Nicht ganz tatenlos hinnehmen wollten einige Nattenhaus­er Musiker den Verlust der Eigenständ­igkeit. Die Musiker Hans Springer, Rudi Bartussek, Alois Thoma jun., Hans Lieb, Siegfried Seitz und Musikverei­nsvorstand Alois Konrad sowie die Sargträger Anton Springer jun. und Wolfgang Schulz (Deisenhaus­en) zogen, gefolgt von einer großen Menge „Trauernder“, unter den Klängen eines Trauermars­ches durch das Dorf.

Fast in jedem Haus gingen die Lichter an, die Fenster wurden geöffnet, ein „Vorbeter“trug an Bürgermeis­ter Pfaff gerichtete Fürbitten vor und die „Trauergeme­inde“darauf immer wieder mit „Pfaff, erhöre uns“antwortete.

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Foto: Thoma Kirchlich sind Breitentha­l und Natten hausen in der Pfarreinge­meinschaft ver eint. Auf kommunaler Ebene gehören sie seit 1978 zusammen.

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