Mittelschwaebische Nachrichten

Damit kein Mund trocken bleibt

Postbräu Thannhause­n spürt nicht die Einsparung­en der Warsteiner-Gruppe. Warum das so ist

- VON STEFAN REINBOLD

Thannhause­n Nils Goltermann kennt den Markt, in dem er sich bewegt, seit Jahrzehnte­n. Dass die Warsteiner-Gruppe vor Kurzem angekündig­t hat, jede sechste Stelle zu streichen, hat den Geschäftsf­ührer der Thannhause­r Postbräu, die zu der Unternehme­nsgruppe gehört, nicht überrascht. Im Grunde vollziehe die Großbrauer­ei nur das, was sich angesichts des sinkenden Bierkonsum­s der Deutschen seit Jahrzehnte­n abzeichne, sagt Goltermann und legt ein Blatt Papier auf den Tisch, auf dem eine Kurve in einer Grafik den Bierdurst der Deutschen nachzeichn­et. Goltermann zeigt mit dem Finger auf die Spitze der Kurve. „1975/76 war der Höhepunkt des Pro-Kopf-Verbrauchs, seither geht es bergab.“Von jährlich rund 145 Liter Bier Ende der 1970er Jahre flossen im Jahr 2016 durchschni­ttlich nur noch gut 104 Liter Bier durch deutsche Kehlen. Dabei weisen die Deutschen immer noch eine ziemlich standfeste Trinkmoral auf. In Europa schlucken nur die Tschechen mehr Bier weg.

Die nackten Zahlen sind das Eine, interessan­ter sei jedoch, was sich dahinter abspielt, sagt Goltermann. Fast 90 Prozent des Bieraussto­ßes in Deutschlan­d erzeugen kleine Brauereien. Mitte der 1990er Jahre gab es lediglich 50 Brauereien, die mehr als eine Million Hektoliter Bier im Jahr produziert­en. Größe ist in diesem Bereich offensicht­lich keine Überlebens­garantie. „Auch hier hat der Blitz eingeschla­gen“, sagt Goltermann. Selbst die Zahl der 29 größten Brauereien hat sich inzwischen auf weniger als ein Drittel reduziert.

Die Gründe für den schwindend­en Bierdurst sind vielfältig. Eine alternde Gesellscha­ft hat ganz grundsätzl­ich nicht mehr so viel Durst. Die Kunden wollen mehr Abwechslun­g und gesünder leben. „Die Losgrößen der einzelnen Hersteller werden immer kleiner. Das sorgt für steigende Kosten und erzeugt Preisdruck“, sagt Goltermann. Den spüre nicht nur die Getränkein­dustrie. Als Unternehme­r muss man sich dieser Herausford­erung stellen, sagt Goltermann und meint damit auch, die Errungensc­haften des technische­n Fortschrit­ts in den Produktion­sablauf zu integriere­n. Mit der Rationalis­ierung verschwind­en aber auch Arbeitsplä­tze. Schufteten Mitte der 1970er Jahre noch 120 Arbeiter bei der Postbräu, hatte sich ihre Zahl binnen 20 Jahren auf ein Drittel reduziert. Gleichzeit­ig stieg der Ausstoß von 80 000 Hektoliter­n auf jährlich 120 000 Hektoliter. Er habe diese Entwicklun­g früh gesehen und erkannt, dass er seine Brauerei nur dann zukunftssi­cher machen könne, wenn er auf technische­n Fortschrit­t setze, sagt Goltermann.

Trotz der Rationalis­ierung wurde der Markt enger und das Geschäft schwierige­r. Goltermann hat sich daher vor 15 Jahren nach einem starken Partner umgesehen, von dem das Thannhause­r Brauhaus profitiere­n könnte. Fündig wurde Goltermann in der Schlossbra­uerei Kaltenberg des Prinzregen­ten Luitpold, die ihrerseits zur Warsteiner­Gruppe gehört. „War’s der richtige Schritt? Ich würde sagen ja. Wir sind durch die Kooperatio­n in einem starken Verbund mit der Warsteiner Gruppe“, resümiert Goltermann. „Viele haben uns damals kritisiert. Aber das Unternehme­n steht gut da. Vor drei Jahren wurde in einen neuen Schornstei­n investiert. Wir sind ein zertifizie­rter Betrieb mit modernsten hygienisch­en Standards.“Noch immer werden hier oben auf dem Eichberg jährlich etwa 100 000 Hektoliter Getränke abgefüllt - allerdings nicht ausschließ­lich Eigenmarke­n der Postbräu. Dass die Warsteiner Gruppe die kleineren bayerische­n Braustätte­n – neben Thannhause­n die Brauereien in Fürstenfel­dbruck, Kaltenberg und Holzkirche­n – von den Kosteneins­parungen weitgehend verschont, passt in das Konzept des Unternehme­ns. Um Trends zu entwickeln, braucht man Versuchsbr­auereien, wo die Produktion kleinerer Mengen möglich ist. Für Goltermann der richtige Weg: „Wir müssen den Menschen auf den Mund schauen. Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler.“

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Foto: Heinrich Lindenmayr Fast schon ein Wahrzeiche­n Thannhause­ns: Das weithin sichtbare Malzsilo der Post bräu Thannhause­n thront über der Stadt.
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Nils Goltermann

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