Mittelschwaebische Nachrichten
Damit kein Mund trocken bleibt
Postbräu Thannhausen spürt nicht die Einsparungen der Warsteiner-Gruppe. Warum das so ist
Thannhausen Nils Goltermann kennt den Markt, in dem er sich bewegt, seit Jahrzehnten. Dass die Warsteiner-Gruppe vor Kurzem angekündigt hat, jede sechste Stelle zu streichen, hat den Geschäftsführer der Thannhauser Postbräu, die zu der Unternehmensgruppe gehört, nicht überrascht. Im Grunde vollziehe die Großbrauerei nur das, was sich angesichts des sinkenden Bierkonsums der Deutschen seit Jahrzehnten abzeichne, sagt Goltermann und legt ein Blatt Papier auf den Tisch, auf dem eine Kurve in einer Grafik den Bierdurst der Deutschen nachzeichnet. Goltermann zeigt mit dem Finger auf die Spitze der Kurve. „1975/76 war der Höhepunkt des Pro-Kopf-Verbrauchs, seither geht es bergab.“Von jährlich rund 145 Liter Bier Ende der 1970er Jahre flossen im Jahr 2016 durchschnittlich nur noch gut 104 Liter Bier durch deutsche Kehlen. Dabei weisen die Deutschen immer noch eine ziemlich standfeste Trinkmoral auf. In Europa schlucken nur die Tschechen mehr Bier weg.
Die nackten Zahlen sind das Eine, interessanter sei jedoch, was sich dahinter abspielt, sagt Goltermann. Fast 90 Prozent des Bierausstoßes in Deutschland erzeugen kleine Brauereien. Mitte der 1990er Jahre gab es lediglich 50 Brauereien, die mehr als eine Million Hektoliter Bier im Jahr produzierten. Größe ist in diesem Bereich offensichtlich keine Überlebensgarantie. „Auch hier hat der Blitz eingeschlagen“, sagt Goltermann. Selbst die Zahl der 29 größten Brauereien hat sich inzwischen auf weniger als ein Drittel reduziert.
Die Gründe für den schwindenden Bierdurst sind vielfältig. Eine alternde Gesellschaft hat ganz grundsätzlich nicht mehr so viel Durst. Die Kunden wollen mehr Abwechslung und gesünder leben. „Die Losgrößen der einzelnen Hersteller werden immer kleiner. Das sorgt für steigende Kosten und erzeugt Preisdruck“, sagt Goltermann. Den spüre nicht nur die Getränkeindustrie. Als Unternehmer muss man sich dieser Herausforderung stellen, sagt Goltermann und meint damit auch, die Errungenschaften des technischen Fortschritts in den Produktionsablauf zu integrieren. Mit der Rationalisierung verschwinden aber auch Arbeitsplätze. Schufteten Mitte der 1970er Jahre noch 120 Arbeiter bei der Postbräu, hatte sich ihre Zahl binnen 20 Jahren auf ein Drittel reduziert. Gleichzeitig stieg der Ausstoß von 80 000 Hektolitern auf jährlich 120 000 Hektoliter. Er habe diese Entwicklung früh gesehen und erkannt, dass er seine Brauerei nur dann zukunftssicher machen könne, wenn er auf technischen Fortschritt setze, sagt Goltermann.
Trotz der Rationalisierung wurde der Markt enger und das Geschäft schwieriger. Goltermann hat sich daher vor 15 Jahren nach einem starken Partner umgesehen, von dem das Thannhauser Brauhaus profitieren könnte. Fündig wurde Goltermann in der Schlossbrauerei Kaltenberg des Prinzregenten Luitpold, die ihrerseits zur WarsteinerGruppe gehört. „War’s der richtige Schritt? Ich würde sagen ja. Wir sind durch die Kooperation in einem starken Verbund mit der Warsteiner Gruppe“, resümiert Goltermann. „Viele haben uns damals kritisiert. Aber das Unternehmen steht gut da. Vor drei Jahren wurde in einen neuen Schornstein investiert. Wir sind ein zertifizierter Betrieb mit modernsten hygienischen Standards.“Noch immer werden hier oben auf dem Eichberg jährlich etwa 100 000 Hektoliter Getränke abgefüllt - allerdings nicht ausschließlich Eigenmarken der Postbräu. Dass die Warsteiner Gruppe die kleineren bayerischen Braustätten – neben Thannhausen die Brauereien in Fürstenfeldbruck, Kaltenberg und Holzkirchen – von den Kosteneinsparungen weitgehend verschont, passt in das Konzept des Unternehmens. Um Trends zu entwickeln, braucht man Versuchsbrauereien, wo die Produktion kleinerer Mengen möglich ist. Für Goltermann der richtige Weg: „Wir müssen den Menschen auf den Mund schauen. Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler.“