Mittelschwaebische Nachrichten
Mädchen sind oft die Besseren
An der Uni ist Physik in Männerhand. Ein Erklärungsversuch
Herr Ingold, warum ist Physik in der Schule bei vielen so unbeliebt? Gert Ludwig Ingold: Es ist schwer zu beurteilen, woran das liegt. Die Geschlechterproblematik, dass also Mädchen Physik nicht als so attraktiv empfinden, taucht bei Jüngeren noch nicht auf. In den Klassen fünf bis sieben ist das noch relativ ausgeglichen, da macht Physik Mädchen und Jungen Spaß. Erst später wird es anders, das spüren wir auch an der Universität. Wobei die Physikklassen an Schulen mit Mädchenüberschuss auch nicht gerade klein sind.
Aber offenbar tun sich Mädchen schwerer mit diesem Fach. Ingold: Mädchen hinterfragen stärker, was sie tun. Das merken wir im Physikstudium. Diejenigen, die sich letztendlich für diese Fachrichtung entscheiden, sind im Schnitt besser als die Männer. Aber im Moment haben wir nur 25 Prozent Studentinnen; ein Wert, der an allen deutschen Universitäten ähnlich ist.
Dabei begegnet uns Physik in vielen Bereichen unseres Alltags. Sie wäre damit doch anschaulich zu erklären. Ingold: Das Experimentieren auch im Unterricht ist eine wichtige Sache. Die neuen Lehrpläne versuchen auch stärker, die Physik in diesen Alltagskontext zu stellen. Aber da ist dieser Zwiespalt: Das Erleben der Physik ist einfach als das Erklären.
Weshalb? Ingold: Wenn ein Schüler fragt, „warum ist das so“, dann wird die Sache formal. Zum Erklären der Physik brauchen wir die Mathematik, da führt kein Weg dran vorbei. Auch die Natur lässt sich durch Mathe erklären. Dann sind viele Probleme aus dem Alltag physikalisch gesehen auch keine ganz einfachen Probleme. Das liegt daran, dass wir in der Physik viele Dinge idealisieren.
Können Sie ein Beispiel nennen? Ingold: Nehmen Sie zum Beispiel die Fragestellung von Aufgabe 15. Dieser Winkel, der gesucht ist: Wenn man auf einer Eisfläche fährt, bleibt einem gar nichts anderes übrig, als ihn zu wählen. Auf einer Straße, wo die Reifen Reibung haben, ist das nicht zwangsläufig nötig. Genau diese Feinheiten machen es so schwierig, Physik einfach und anschaulich zu erklären.
Professor Gert Ludwig Ingold, 57, ist theoreti scher Physiker am Institut für Physik der Universität Augsburg.