Mittelschwaebische Nachrichten
Wo sich seltene Weiderinder wohlfühlen
Nahe Bebenhausen im Nachbarlandkreis grast Original Braunvieh. Hintergrund ist ein Projekt, das auf naturnahe Landwirtschaft abzielt
Kettershausen Bebenhausen Es geht um den Erhalt der Artenvielfalt entlang der Günz, um eine naturnahe Landwirtschaft und um die bedrohte Rinderrasse Original Braunvieh. Gemeint ist das Projekt „Günztal Weiderind“, das die Stiftung Kulturlandschaft Günztal begleitet. Ein Landwirt im Nebenerwerb aus der Gemeinde Kettershausen nimmt daran teil. Er hält eine kleine Herde.
Seine Weide nahe Bebenhausen gibt ein idyllisches Bild ab: Friedlich grasen die Rinder. Auch ein Kälbchen ist dabei. Im Hintergrund leuchten gelbe Blumen. Der Bebenhauser Wald in sattem Grün auf der einen und die plätschernde Günz auf der anderen Seite verstärken die Beschaulichkeit. „Wenn ich in der Gegend bin, komme ich gerne mal hierher, um nach den Tieren zu schauen“, sagt Geoökologe Sebastian Hopfenmüller. Er ist unter anderem Ansprechpartner für das Projekt „Günztal Weiderind“.
Seit 2008 setzt sich die Stiftung mit dieser Initiative für eine Landwirtschaft ein, die sich am Naturschutz orientiert – genauer: für eine naturnahe Weidewirtschaft. Gleichzeitig ist es ein Ziel, die gefährdete Nutztierrasse „Original Braunvieh“auf Biotopverbundflächen zu halten und damit deren Verbreitung zu fördern.
Bei den Tieren handelt es sich um eine ursprüngliche, fast vergessene Rinderrasse aus dem Allgäu. Von 1965 an wurde sie durch die Einkreuzung der amerikanischen Rasse Brown Swiss fast völlig verdrängt. Nur noch etwa 700 Zuchttiere soll es heute im Allgäu geben. „Es ist ein sehr robustes und anpassungsfähiges Weiderind“, erklärt Hopfenmüller. Auch ohne Kraftfutter erbringe es eine gute Milchleistung und liefere außerdem feinstes Weiderindfleisch.
Während das Kälbchen eingerollt auf der Weide bei Bebenhausen schläft, kauen seine Mutter und die übrigen drei Tiere in aller Ruhe frisches Grün auf der Wiese. Damit sind die Rinder geradezu tierische Landschaftspfleger. Denn durch die Beweidung fördern sie die biologische Vielfalt – und diesen Vorteil nutzt das Projekt. Durch das langsame Abweiden der Fläche können etwa Vögel oder Insekten besser ausweichen. Außerdem haben die Rinder bestimmte Vorlieben, was ihr Futter anbelangt, während sie andere Pflanzen verschmähen. „Der Hahnenfuß etwa bleibt oft stehen“, weiß der Fachmann. Dadurch, dass die Rinder manche Pflanzen stehen lassen und andere dafür gerne fressen, entstehe auf der Wiese ein größerer Strukturreichtum als beim bloßen Abmähen. „Heuschrecken beispielsweise haben solche Weideflächen super gerne“, sagt Hopfenmüller. Dort könnten sie sich verstecken. Weitere ökologische Nischen entstünden etwa durch den Kot der Tiere. Nicht zuletzt bekommen Pflanzen die Möglichkeit, auszusäen und zu wachsen. Bis in den Spätsommer hinein können Blumen blühen. Bienen, Hummeln und andere Insekten finden Nahrung.
Auf solchen extensiv genutzten Wiesen ist es wieder möglich, Gehölz oder Wasserflächen entstehen zu lassen, denn die Tiere passen sich der Landschaft an. Bei der maschiextensive nellen Mahd ist das anders: Dabei wird die Landschaft oft den Erfordernissen der Geräte angepasst.
Acht Betriebe mit derzeit 80 Tieren haben sich aktuell dem Projekt angeschlossen. Oft seien es Nebenerwerbslandwirte, vielfach aus einstigen Bauernfamilien, die noch Flächen besitzen, erklärt Hopfenmüller. Gefördert wird das Projekt auch durch Prämien Angefangen von der Anschaffung der Tiere bis hin zur täglichen Arbeit gehöre aber schon eine gewisse „Leidenschaft“dazu, sagt der Geoökologe.