Mittelschwaebische Nachrichten
Endlich wieder eine Familie
Mutter hat ihre Töchter nach jahrelangem Warten zurück
Hannover Jahrelang hat Katharina Schmidt um die Rückkehr ihrer in Tunesien festgehaltenen Töchter gekämpft – jetzt hat das Kindesentzugs-Drama einen Ausgang, mit dem viele gar nicht mehr gerechnet haben: Seit Dienstag sind die elfjährige Maryam und die neunjährige Hanna zurück in Deutschland. „Wir sind total fix und fertig, aber glücklich“, sagte die 38-jährige Mutter nach der Ankunft am Hauptbahnhof Hannover. „Jetzt brauchen wir erst einmal Ruhe.“
Für Schmidt geht damit ein Albtraum zu Ende. Im Sommer 2015 waren ihre Töchter nach Tunesien gereist, um – trotz der Trennung der Eltern – ein paar Monate lang die Heimat des Vaters kennenzulernen. Doch dann ließ die Familie des Deutsch-Tunesiers Maryam und Hanna nicht gehen. Schmidts ExMann wurde schließlich bei einem Sorgerechts-Termin im Frühjahr 2016 in Hannover verhaftet. Seitdem sitzt er in Deutschland im Gefängnis.
Katharina Schmidt sagt dennoch: „Ich habe große Sorge, dass mein Ex-Mann die Kinder wieder mitnimmt.“Er habe keinerlei Einsicht gezeigt und auch nicht geholfen, die Mädchen zurückzubringen. „Wir kämpfen in Tunesien sogar gegen Strafanzeigen gegen uns.“Maryam und Hanna lebten im Bergdorf Kasserine bei den Großeltern und der Familie der Tante. „Wir wollen weiter in Kasserine zur Schule gehen“, wiederholten sie mechanisch bei Besuchen, berichtete die Mutter im April als Zeugin vor Gericht. Damals hatte das Amtsgericht Hannover den Vater zu einer weiteren elfmonatigen Freiheitsstrafe wegen Kindesentzugs verurteilt. Dagegen legten sowohl Verteidigung als auch Staatsanwaltschaft Berufung ein.
An Pfingsten kam die Wende: Als die ältere Tochter bei einem Besuch der Mutter den Wunsch äußerte, nach Deutschland zurückzukehren, ergriff Schmidt die Gelegenheit. „Meine Töchter wollten immer zurück“, sagte sie. Allerdings habe sie immer jemand daran gehindert. „Dieses eine Mal war keiner da und so sind sie einfach ins Auto gestiegen.“Am Sonntag jedoch wurden ihnen am Flughafen die Pässe abgenommen, um die Ausreise zu verhindern. Nach zwei Tagen nervenaufreibenden Bangens und Wartens klappte es am Dienstagmorgen. Schmidt sprach von einer „höllischen Tortur“.
In den Fall war auch die Bundesregierung eingeschaltet. Jedes Jahr werden dem Auswärtigen Amt zufolge hunderte Kinder Opfer einer internationalen Kindesentziehung. Sind Länder betroffen, die das Haager Kindesentführungsübereinkommen unterzeichnet haben, hilft das Bundesamt für Justiz. Tunesien ist vor kurzem beigetreten.
Schmidt erstritt in den vergangenen Jahren sowohl in Deutschland als auch in Tunesien das alleinige Sorgerecht für ihre Kinder und besuchte sie etwa einmal im Monat in Kasserine – wo die örtlichen Behörden sich weigerten, die Entscheidung aus der Hauptstadt Tunis durchzusetzen. Im Herbst 2017 erzählte Schmidt, dass die Familie ihres Ex-Mannes zunehmend feindseliger werde. Nun sagte sie: „Es geht jetzt erst mal um existenzielle Sachen: Ankommen, Kleidung besorgen, deutsche Dinge wiederentdecken.“Und den Ausgang des laufenden Prozesses abwarten.