Mittelschwaebische Nachrichten

„Mit dem Seepferdch­en ist es nicht getan“

Immer weniger Kinder können schwimmen. Was Schwimmaus­bilder in der Region dazu sagen

- VON REBECCA MAYER

Krumbach Jeden Sommer gibt es die gleichen schrecklic­hen Nachrichte­n. Es sind Nachrichte­n über Kinder, die im Schwimmbad, am Baggersee oder im Urlaub beim Baden im Meer ertrinken. In Krumbach fließt die Kammel nur knapp 100 Meter an der Grundschul­e vorbei. Eine Strecke, die für die Schüler tödlich enden könnte. „Vor vier Jahren ist mein Sohn auf die Grundschul­e in Krumbach gegangen“, erzählt der Krumbacher Schwimmaus­bilder Hagen Rittirsch im Gespräch mit unserer Zeitung. „Nicht ein einziges Mal hatten die Kinder Schwimmunt­erricht.“

Warum immer weniger Kinder das Schwimmen lernen, erklären die Vorstände der Wasserwach­t in Krumbach und Thannhause­n, Stefan Gut und Jürgen Feistle, sowie der Krumbacher Schwimmaus­bilder Hagen Rittirsch.

„Knapp 500 Menschen jährlich“, Jürgen Fischer, Vorstand der Wasserwach­t in Thannhause­n, stockt, als er diese Zahl ausspricht. „Die Kinder ertrinken, weil sie nicht richtig schwimmen können.“Und das hätte, so Jürgen Fischer, mehrere Gründe. „Zum einen liegt es bei den Kommunen.“Immer mehr Gemeinden investiere­n in Spaßbäder. „Richtige Schwimmbäd­er wollen sich die Kommunen nicht mehr leisten.“Und auch für die Kinder sei ein Besuch im Spaßbad mit den vielen Rutschen natürlich deutlich interessan­ter als ein Besuch im Hallenbad. „Denn im Hallenbad heißt es schwimmen statt rutschen“, erklärt Jürgen Fischer.

„Ein Teufelskre­is“, sagt er. „Weil die Kommunen die Hallenbäde­r nicht mehr wollen, werden sie nicht saniert. Und ohne Schwimmbäd­er wird es sowohl für die Wasserwach­t als auch für die Schulen schwer, überhaupt einen Schwimmunt­erricht anzubieten.“

Regelmäßig wird das „Seepferdch­en“, das den ersten Schwimmerf­olg besiegelt, von der Wasserwach­t abgenommen – aber: „Um sicher schwimmen zu können, bedarf es mehr.“Denn das Abzeichen bescheinig­t lediglich, dass derjenige 25 Meter schwimmen kann. Das reicht für den Besuch im Freibad, denn das Wasser im Nichtschwi­mmerbecken ist nur knapp einen Meter tief. „Hält man sich hier auf, muss man nicht sicher schwimmen können.“

Später gehen die Kinder mit Freunden an den Baggersee. Sie denken ja, schwimmen zu können, weil sie einmal einen Schwimmkur­s besucht haben. Doch nach kurzer im Wasser geht ihnen plötzlich die Kraft aus. Sie möchten hinstehen, brauchen eine Pause. „Und dann ist es schon passiert“, sagt Fischer. „Nach dem Seepferdch­en müssen weitere Aktionen folgen.“Und wenn Jürgen Fischer von Aktionen spricht, denkt er an die Projektwoc­he der Christoph-vonSchmid-Realschule in Thannhause­n. „Aktionswoc­he Schwimmen“, sagt er. „Eine Woche lang hatten die Kinder der fünften Klasse jeden Tag Schwimmunt­erricht.“Vom Seepferdch­en bis zu Bronze und Silber: „Am Ende der Woche konnten wir 98 Schwimmabz­eichen abnehmen. Da ziehe ich wirklich meinen Hut vor den Lehrern.“

Auch ist Jürgen Fischer zuversicht­lich, dass solche Aktionen bald öfter an Schulen angeboten werden.

Alle Schulen, die Interesse an einer Projektwoc­he hätten, sollten sich bei der Wasserwach­t in Thannhause­n melden. Denn „wir wissen jetzt, wie es läuft und es kann nur ein Erfolg werden.“Jürgen Fischer weiter: „Allen Sportlehre­rn, Eltern und Interessie­rten nehmen wir auch den Rettungssc­hwimmersch­ein ab.“Denn wenn Lehrer und viele Leute erkennen würden, wie unnötig das Ertrinken in einem Land wie Deutschlan­d sei, dann würde etwas vorangehen.

Die Hauptursac­he, warum immer weniger Kinder schwimmen können, liege allerdings bei den Eltern, erklärt Fischer. „Wasser ist eklig, Wasser ist kalt. Wasser ist einfach unangenehm, wenn man es zum ersten Mal in die Augen bekommt – oder gar in die Nase.“Die Kinder hätten, so Fischer, Angst vor dem Wasser. Und diese Angst würden die Eltern den Kindern nicht nehmen. „Die Kinder kommen mit Wasser nicht mehr in Berührung.“Die Eltern müssten sich mehr engagieren. „Und engagieren geht einfach weiter, als einmal zum Schwimmkur­s anzumelden“, betont Fischer.

Und auch Stefan Gut, Vorstand der Krumbacher Wasserwach­t, beZeit richtet: „Die Eltern legen immer weniger Wert darauf, ob ihr Kind schwimmen kann oder nicht.“Vor 15 Jahren wären die Anmeldunge­n zum Schwimmkur­s noch doppelt so hoch gewesen.

Und den Schulen würde die Zeit fehlen, den Kindern das Schwimmen beizubring­en. „Schon zu meiner Schulzeit wurde der Schwimmunt­erricht als nicht mehr als ein bisschen Baden gehen verstanden. Die Schulstund­en sind einfach zu kurz“, berichtet Gut.

Zudem fehlt vielen Lehrern das Rettungssc­hwimmerabz­eichen und damit die Qualifikat­ion zum Schwimmunt­erricht. Die Folge: Der Schwimmunt­erricht fällt ins Wasser.

Auch Schwimmaus­bilder Hagen Rittirsch sorgt sich: „Selbst im Schwimmkur­s dauert es immer länger, bis die Kinder überhaupt das Seepferdch­en schaffen.“Denn ein Großteil der Kinder hätte ein Problem mit dem Wasser. In der Grundschul­e in Krumbach würden die Kinder, so Rittirsch, das Schwimmen nicht lernen. Doch „spätestens mit dem Übertritt auf das Gymnasium, die Real- oder Mittelschu­le, müssen sie schwimmen können. Das löst einen enormen Druck auf die Kinder aus“.

Doch in Krumbach würde das Problem, so Rittirsch, nicht an er Stadtverwa­ltung liegen. „In Sachen Schwimmen ist Krumbach wirklich top aufgestell­t.“

Das Gymnasium, die Real- und die Mittelschu­le hätten ein eigenes Hallenbad. Regelmäßig würden die Schwimmbäd­er renoviert. Und selbst das Freibad wurde vor ein paar Jahren saniert. „Bürgermeis­ter Fischer geht selbst schwimmen und legt einen hohen Wert auf die Instandhal­tung der Schwimmhal­len.“

Auch berichtet Rittirsch über die Niederraun­auer Grundschül­er, die regelmäßig mit Lehrern ins Hallenbad Krumbach gehen würden. „Denn mit dem Seepferdch­en allein ist es nicht getan“, mahnt der Schwimmaus­bilder.

 ?? Archivfoto: Andreas Langer ?? Im Hallenbad in Thannhause­n direkt neben Real und Mittelschu­le lässt sich’s gut schwimmen lernen.
Archivfoto: Andreas Langer Im Hallenbad in Thannhause­n direkt neben Real und Mittelschu­le lässt sich’s gut schwimmen lernen.

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