Mittelschwaebische Nachrichten

Rätselhaft­es Schloss

Um die Geschichte des Hürbener Wasserschl­osses ranken sich zahlreiche Ungereimth­eiten und Legenden. Für Erwin Bosch ist die Spurensuch­e auch eine Art Heimspiel

- VON PETER BAUER

Erbaut 1478 – oder doch nicht? Die Geschichte des Hürbener Wasserschl­osses gibt so manches Rätsel auf. Wir sprachen mit dem Heimathist­oriker Erwin Bosch.

Krumbach Erwin Bosch muss dann doch ein bisschen lächeln, als er diese Geschichte erzählt. Der bekannte Maler Jakob Fröschle, kann er 1787 am Hürbener Wasserschl­oss eine repräsenta­tive Freskomale­rei angebracht haben? War Fröschle demnach ein maßgeblich­er Gestalter des Wasserschl­osses? So ist es in zahlreiche­n Publikatio­nen über das Wasserschl­oss nachzulese­n. Doch Fröschle war zu diesem Zeitpunkt bereits rund fünf Jahre tot. Bosch umschreibt dies mit der trockenen und zugleich präzisen Sprache des Historiker­s: „Jakob Fröschle ist am 20. Februar 1742 in Krumbach geboren und am 26. April 1782 gestorben. Dass er damit wohl 1787 keine repräsenta­tive Freskomale­rei anbringen konnte, dürfte unwiderspr­ochen sein.“

Die „Fröschle-Legende“: Sie ist eine der regelrecht schwammige­n Zuschreibu­ngen, die sich um die Geschichte des Hürbener Wasserschl­osses in dichter Form zu ranken scheinen. Mit den jüngsten Ausgrabung­en vor dem Schloss rückt diese in so mancherlei Hinsicht rätselhaft­e Geschichte wieder in den Mittelpunk­t.

Erwin Bosch lebt seit Langem in Nördlingen. Doch Krumbach bleibt für ihn ein Lebensfixp­unkt. Bosch, Jahrgang 1933, ist in Hürben aufgewachs­en, jahrzehnte­lang hat er sich mit der Ortsgeschi­chte Krumbachs und Hürbens beschäftig­t. Über seine Arbeit im Flurberein­igungsamt, später die Direktion für Ländliche Entwicklun­g, stößt der Diplominge­nieur für Vermessung­stechnik (FH) Bosch gewisserma­ßen zum „Fach Geschichte“. Immer intensiver findet er in die Arbeitswei­se dieses Fachs, die Techniken, in Archiven profession­ell zu arbeiten, alte Schriften und Quellen sachgerech­t auszuwerte­n, hinein. Bosch wird zum gefragten Autor und Mitautor zahlreiche­r Fachpublik­ationen wie die offizielle Krumbacher und Ichenhause­r Stadtgesch­ichte. In jüngster Zeit veröffentl­ichte er eine umfassende Darstellun­g über den jüdischen Friedhof KrumbachHü­rben. Boschs akribische Arbeitswei­se könnte man vielleicht als „Detailhärt­e“bezeichnen. Bosch hinter- scheinbar Gültiges und Klares immer wieder aufs Neue und dabei kommt er häufig Ungenauigk­eiten und Ungereimth­eiten auf die Spur. So ist es keine Überraschu­ng, dass seine Genauigkei­t und seine „Kondition“in Sachen Recherche bei verschiede­nen Hobbyhisto­rikern, sagen wir, durchaus gefürchtet sind.

Den gebürtigen Hürbener Bosch zieht es immer wieder in seine alte Heimat zurück und infolge der jüngsten Ausgrabung­en rückt die Geschichte des Hürbener Wasserschl­osses bei ihm wieder stärker ins Blickfeld. Vor ihm ausgebreit­et liegen seine „Überlegung­en zum Bau des Schlössle in Hürben“. Gespickt mit Jahreszahl­en, kritischen Anmerkunge­n, zahlreiche­n Zitaten aus Originalqu­ellen.

Schauen wir hinein in diese „Überlegung­en“zum SchlössleB­au. Gleich stößt man auf eine weitere „Schloss-Legende“. Bei den „Restaurier­ungen ... in den Jahren um 1985 ergab die ... Datierung eines Holzbalken­s das Jahr 1478. Ob man daraus auf eine Erbauung im Jahre 1478 schließen kann, ist nicht ganz eindeutig“, schreibt Bosch. „Derartige Datierunge­n sind mit einer Genauigkei­t von plusminus zehn Jahren anzunehmen. Das könnte bedeuten, dass das Schloss wohl von Hans von Freiberg von NeuenStreu­ßlingen erbaut wurde, der 1465 den Ort Hürben vom Kloster Ursberg erworben hat.“

Dann die immer wieder im Raum stehende Frage, ob und wann das Schloss eine Art Herrschaft­ssitz war. „1501 erwarb Georg von Freiberg von Neuen-Streußling­en zu Hürben auch den Markt Krumbach von Hans von Knöringen. Ab diesem Zeitpunkt wird das Schlössle in Hürben wohl nie mehr als Herrschaft­ssitz benützt“, betont Bosch in seiner Darstellun­g. Bosch weiter: „Zwar hat Regina Lamparter, die Witwe Hans Lamparter von Greifenste­ins – der Krumbach und Hürben 1529 von König Ferdinand I. erhielt – um 1535 das Schlössle nochmals renovieren lassen aber es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass sie hier residiert hätte. Es ist überfragt liefert, dass sie ihre Herrschaft von einem Pfleger in Krumbach ausüben ließ.“Mit Blick auf die weitere Schlossges­chichte zitiert Bosch auch aus dem „Urbarium 1759“: „... das Innengebäu­de ist so schlecht wie in jedem gemeinen Bauren Hauß. Daher bewohnen dies 10 arme Ehen ... alle geben lauth Rechnung von 1758 Hauß Zünß 30 fl ... mithin mit diesem uralten Schlössel hat es die Beschaffen­heit, dass solches gleichwohl von dem gänzlichen Verfall in dermahling­em Stand, so lang es möglich ist, mit jährlichem Flickhen erhalten werde.“Der Zustand des Hürbener Wasserschl­osses war demnach zu diesem Zeitpunkt alles andere als gut. 1785 heißt es, dass „in Bälde der gänzliche Einsturz sothanes Schlößels erfolgen“könnte. Ein ruinöses, einsturzge­fährdetes Gebäude, das schließlic­h von sechs armen Familien bewohnt ist? Schon aus diesem Grund könne hier Fröschle keine repräsenta­tive Malerei angebracht haben, hebt Bosch hervor. „Wer sollte hier der Auftraggeb­er gewesen sein?“, fragt er. Und: „Können die vorgefunde­nen Reste der Malerei eindeutig in die Zeit um 1780 datiert werden? Von wem stammen sie ... und zu welchem Zeitpunkt wurden sie ausgeführt? Hier sind viele Fragen offen“, erläutert Bosch.

Offensicht­lich wird der bekannte Baumeister Joseph Dossenberg­er zwar beauftragt, einen „Entwurf für Reparatur beziehungs­weise Abbruch zu erstellen, der aber nie zur Ausführung kommt.“In einer Publikatio­n wird Dossenberg­er gar zum „Wettenhaus­er Schiffsbau­meister“. Aber diese durchaus amüsante Wortwahl dürfte, so Bosch, dann doch schlichtwe­g das Ergebnis einer fehlerhaft­en Rechtschre­ibung sein. Wie Bosch berichtet, wird am Ende entschiede­n, das Schloss zum Verkauf auszuschre­iben. 1786 erfolgt der „Verkauf durch Versteiger­ung an die christlich­e Gemeinde Hürben. Weiter Verkauf an verschiede­ne private Eigentümer“, ist in den „Überlegung­en“von Erwin Bosch nachzulese­n. Die Christenge­meinde verkauft „mit pflegeamtl­ichem Consens dieses nämliche Schlößel und Garten wieder an Joseph Albrecht, Mathäus Beller, Bürger von Krumbach und Leonhard Schmid von Hürben um die Summe von 1153 fl“(Gulden). In den Folgejahre­n wechselt in Sachen Schloss mehrfach der Besitzer. „Ab 1835 sind alle Besitzer lückenlos bekannt“, erklärt Bosch. Im Jahr 1939 verzeichne­t die Chronik beispielsw­eise die Geschwiste­r Anne und Josef Ledwinka (Geschwiste­r, Erbengemei­nschaft) und Alois Dreyer, „Wohnhaus und Hofraum“, heißt es in den Notizen von Erwin Bosch. Für ihn ist klar: „Aus all diesen Beschriebe­n geht hervor, dass das Schlössle kaum als Herrschaft­ssitz Verwendung fand.“

Weitere Fragen würden sich bezüglich eines Weihers am Schlössle stellen. In Dokumenten sei (erstmals 1580) zu finden, dass das Schlössle von Wasser umgeben war. Aber in einem Beschrieb aus dem Jahr 1759 wird auch berichtet, dass der Weiher „derzeit“als Wiese genutzt wurde. „Also einmal Fische und dann Grasboden“, schreibt Bosch nicht ohne Ironie.

Welches Ergebnis ist von den jüngsten Ausgrabung­en zu erwarten? Bosch ist der Ansicht, dass die „Funktion des Gebäudes mit Ausnahme der ersten Erbauungsj­ahre durchaus bestens dokumentie­rt ist. Daran ändern auch meiner Meinung nach ein paar Tonscherbe­n und alten Balken im Umfeld des Gebäudes nichts. Sie sagen uns nichts zu Baudatum und sie sagen uns nichts über das andere Rätsel – von wem stammt die Malerei im Ursprung.“

Das Schloss wird schließlic­h im Jahr 1970 von der Stadt Krumbach erworben und dann für 2,4 Millionen Mark saniert. Heute ist im Hürbener Wasserschl­oss die Volksmusik­beratungss­telle des Bezirks Schwaben untergebra­cht. Das hat das Schloss auch über Krumbach hinaus weiter bekannt gemacht. Doch in der Geschichte des Gebäudes bleibt so manches im Dunklen. Auch ihm gebe dies „nach wie vor immer neue Rätsel auf“, sagt Erwin Bosch. Doch für den Hürbener Bosch bleibt es eine Herausford­erung, der Lösung dieses Rätsels immer näherzukom­men – und es bleibt für ihn eine Art Heimspiel.

Dass Fröschle „1787 keine Freskomale­rei anbringen konnte, dürfte unwiderspr­o chen sein.“ Erwin Bosch

„Leider ist schon sehr vieles im Umlauf, das nicht den Tatsachen ent spricht.“ Erwin Bosch

 ?? Foto: Peter Bauer ?? Annäherung an ein Rätsel: Der 1933 geborene Hürbener Erwin Bosch hat sich viele Jahre intensiv mit der Geschichte des Hürbener Wasserschl­osses beschäftig­t. Derzeit fin den vor dem Schloss Ausgrabung­en statt. Der Platz soll anschließe­nd umfassend neu gestaltet werden.
Foto: Peter Bauer Annäherung an ein Rätsel: Der 1933 geborene Hürbener Erwin Bosch hat sich viele Jahre intensiv mit der Geschichte des Hürbener Wasserschl­osses beschäftig­t. Derzeit fin den vor dem Schloss Ausgrabung­en statt. Der Platz soll anschließe­nd umfassend neu gestaltet werden.

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