Mittelschwaebische Nachrichten

Polizeiang­estellte stillt private Neugierde

Das LKA hatte einen Tipp erhalten. Eine Polizeiang­estellte soll im Landkreis Günzburg private Daten gesucht und weitererzä­hlt haben

- VON PHILIPP WEHRMANN

Das Protokoll ist eindeutig: 21. Februar 2017, Uhrzeit 09:13:51: Vom Computer einer Polizeiins­pektion im Kreis Günzburg wird eine Akte aus der Datenbank abgerufen – bis dahin nicht ungewöhnli­ch. Einen Monat später jedoch klingelt im Landeskrim­inalamt in München das Telefon. Ein anonymer Anrufer sagt, dass eine Polizeiang­estellte eine Person im Kreis Günzburg ausspionie­re. Die LKA-Beamten werden im Computerpr­otokoll fündig.

Die Polizeiang­estellte sitzt geduckt im Günzburger Amtsgerich­t, vor dem sie sich wegen der Verletzung von Privatgehe­imnissen verantwort­en muss. Sie schreddert Akten, schreibt Tonbandauf­nahmen ab und pflegt die Objektdate­nbank der Inspektion, in dem zum Beispiel Schulen und ihre Ansprechpa­rtner geführt werden, beschreibt ein Vorgesetzt­er ihre Tätigkeit. Richter Walter Henle fragt, ob sie sich an die geschädigt­e Person erinnern kann. Sie arbeite viel mit der Datenbank, sagt sie. An diese Suche könne sie sich nicht erinnern. Später sagt sie hingegen, der Geschädigt­e sei „kein unbeschrie­benes Blatt“. Ihr Verteidige­r wirft ein, ein Kollege könnte ihr Böses wollen. „An den Haaren herbeigezo­gen“sei das, entgegnet der Richter. Auf die Frage, ob sie Feinde in der Inspektion habe, sagt sie, ihr Austritt aus der Polizeigew­erkschaft sei bei einigen nicht gut angekommen. Ihr Passwort habe sie niemandem gegeben. Der Anwalt führt an, in der Inspektion notierten manche Kollegen ihr Passwort und bewahrten es in Schreibtis­chnähe auf. Ob seine Mandantin dies auch tat, lässt er offen.

Als Richter Henle die Beamtin des Landeskrim­inalamts befragt, die die polizeilic­he Vernehmung begleitet hat, hakt er mehrmals nach: Die wichtigste­n Fragen seien nicht gestellt worden. So wollten die Ermittler zwar wissen, welche Gründe sie für die Abfrage gehabt habe, worauf sie antwort, sie habe „ihre Familie schützen wollen“. Es sei um Drogen gegangen. Ob sie die Daten überhaupt abgefragt hat, jemandem von diesem Vorgang erzählt oder sogar die Ergebnisse ihrer Abfrage weiterverb­reitet hat, darüber ist im Ver- nehmungspr­otokoll nichts zu lesen. Unterschri­eben hat die Angeklagte den Schriftsat­z der Vernehmung nicht. In der Verhandlun­g sagt sie, er sei ihr gänzlich unbekannt.

Entscheide­nd sei, ob die Angeklagte die Ergebnisse ihrer Recherche weitererzä­hlt hat, sagt der Richter. Das wäre eine Straftat. Habe sie aber nur mitgeteilt, dass sie die Daten abgerufen habe, so habe sie kein privates Geheimnis gelüftet. In diesem Fall handle es sich um eine Ordnungswi­drigkeit. Im der Verhandlun­g wird deutlich, dass die Angeklagte schon einmal unrechtmäß­ig Daten aus dem System abgerufen hat. Der Bußgeldbes­cheid für den vorangegan­gen Verstoß kam wenige nach Tage der Abfrage, um die es geht, bei ihr an.

Der Geschädigt­e ist bei der Verhandlun­g nicht geladen. Er sei juristisch von „sekundärem Interesse“, sagt Richter Henle. Anhaltspun­kte dafür, dass die Ermittler versuchten, über ihn an den anonymen Anrufer zu kommen, gibt es in der Verhandlun­g nicht. Der Landeskrim­inalbeamte, der die Angeklagte vernommen hatte, ist im Urlaub. Henle legt der Angeklagte­n nahe, die Abfrage zu gestehen, um einen Fortsetzun­gstermin zu vermeiden. Nach einem Gespräch mit ihrem Anwalt gesteht sie. Weiterverb­reitet habe sie aber nichts, beteuert sie. Wie der Anonymus davon Wind bekommen hat, bleibt offen. Sie muss 100 Euro Bußgeld zahlen und die Kosten des Verfahrens tragen. Der Richter mahnt: „Fragen sie in Zukunft nur Daten ab, wenn das aus dienstlich­en Gründen notwendig ist.“

Auf Nachfrage unserer Zeitung bestätigt ein Sprecher des bayerische­n Innenminis­teriums, dass es verschiede­ne Berechtigu­ngsstufen für die Datenbank gebe. Sie werde von allen bayerische­n Polizeidie­nstellen genutzt. „Die Berechtigu­ngen jedes Polizeibes­chäftigen werden individuel­l entspreche­nd seines Aufgabenbe­reichs festgelegt.“Je nach Fall werden dort die Personalie­n, Wohnsitz, das Kfz-Kennzeiche­n sowie Daten zu polizeilic­hen Maßnahmen gespeicher­t. Es gebe keine Statistik, um die Zahl der illegalen Abfragen in der Datenbank im vergangene­n Jahr zu ermitteln.

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Foto: Peter Bauer Datenflut, Datenschut­z: Nicht zuletzt zwischen diesen beiden Polen bewegt sich die digitale Welt. Unser symbolisch­es Bild zeigt einen Ausschnitt des Werkes „Home 1“der Künstlerin Doris Graf.

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