Mittelschwaebische Nachrichten
Polizeiangestellte stillt private Neugierde
Das LKA hatte einen Tipp erhalten. Eine Polizeiangestellte soll im Landkreis Günzburg private Daten gesucht und weitererzählt haben
Das Protokoll ist eindeutig: 21. Februar 2017, Uhrzeit 09:13:51: Vom Computer einer Polizeiinspektion im Kreis Günzburg wird eine Akte aus der Datenbank abgerufen – bis dahin nicht ungewöhnlich. Einen Monat später jedoch klingelt im Landeskriminalamt in München das Telefon. Ein anonymer Anrufer sagt, dass eine Polizeiangestellte eine Person im Kreis Günzburg ausspioniere. Die LKA-Beamten werden im Computerprotokoll fündig.
Die Polizeiangestellte sitzt geduckt im Günzburger Amtsgericht, vor dem sie sich wegen der Verletzung von Privatgeheimnissen verantworten muss. Sie schreddert Akten, schreibt Tonbandaufnahmen ab und pflegt die Objektdatenbank der Inspektion, in dem zum Beispiel Schulen und ihre Ansprechpartner geführt werden, beschreibt ein Vorgesetzter ihre Tätigkeit. Richter Walter Henle fragt, ob sie sich an die geschädigte Person erinnern kann. Sie arbeite viel mit der Datenbank, sagt sie. An diese Suche könne sie sich nicht erinnern. Später sagt sie hingegen, der Geschädigte sei „kein unbeschriebenes Blatt“. Ihr Verteidiger wirft ein, ein Kollege könnte ihr Böses wollen. „An den Haaren herbeigezogen“sei das, entgegnet der Richter. Auf die Frage, ob sie Feinde in der Inspektion habe, sagt sie, ihr Austritt aus der Polizeigewerkschaft sei bei einigen nicht gut angekommen. Ihr Passwort habe sie niemandem gegeben. Der Anwalt führt an, in der Inspektion notierten manche Kollegen ihr Passwort und bewahrten es in Schreibtischnähe auf. Ob seine Mandantin dies auch tat, lässt er offen.
Als Richter Henle die Beamtin des Landeskriminalamts befragt, die die polizeiliche Vernehmung begleitet hat, hakt er mehrmals nach: Die wichtigsten Fragen seien nicht gestellt worden. So wollten die Ermittler zwar wissen, welche Gründe sie für die Abfrage gehabt habe, worauf sie antwort, sie habe „ihre Familie schützen wollen“. Es sei um Drogen gegangen. Ob sie die Daten überhaupt abgefragt hat, jemandem von diesem Vorgang erzählt oder sogar die Ergebnisse ihrer Abfrage weiterverbreitet hat, darüber ist im Ver- nehmungsprotokoll nichts zu lesen. Unterschrieben hat die Angeklagte den Schriftsatz der Vernehmung nicht. In der Verhandlung sagt sie, er sei ihr gänzlich unbekannt.
Entscheidend sei, ob die Angeklagte die Ergebnisse ihrer Recherche weitererzählt hat, sagt der Richter. Das wäre eine Straftat. Habe sie aber nur mitgeteilt, dass sie die Daten abgerufen habe, so habe sie kein privates Geheimnis gelüftet. In diesem Fall handle es sich um eine Ordnungswidrigkeit. Im der Verhandlung wird deutlich, dass die Angeklagte schon einmal unrechtmäßig Daten aus dem System abgerufen hat. Der Bußgeldbescheid für den vorangegangen Verstoß kam wenige nach Tage der Abfrage, um die es geht, bei ihr an.
Der Geschädigte ist bei der Verhandlung nicht geladen. Er sei juristisch von „sekundärem Interesse“, sagt Richter Henle. Anhaltspunkte dafür, dass die Ermittler versuchten, über ihn an den anonymen Anrufer zu kommen, gibt es in der Verhandlung nicht. Der Landeskriminalbeamte, der die Angeklagte vernommen hatte, ist im Urlaub. Henle legt der Angeklagten nahe, die Abfrage zu gestehen, um einen Fortsetzungstermin zu vermeiden. Nach einem Gespräch mit ihrem Anwalt gesteht sie. Weiterverbreitet habe sie aber nichts, beteuert sie. Wie der Anonymus davon Wind bekommen hat, bleibt offen. Sie muss 100 Euro Bußgeld zahlen und die Kosten des Verfahrens tragen. Der Richter mahnt: „Fragen sie in Zukunft nur Daten ab, wenn das aus dienstlichen Gründen notwendig ist.“
Auf Nachfrage unserer Zeitung bestätigt ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums, dass es verschiedene Berechtigungsstufen für die Datenbank gebe. Sie werde von allen bayerischen Polizeidienstellen genutzt. „Die Berechtigungen jedes Polizeibeschäftigen werden individuell entsprechend seines Aufgabenbereichs festgelegt.“Je nach Fall werden dort die Personalien, Wohnsitz, das Kfz-Kennzeichen sowie Daten zu polizeilichen Maßnahmen gespeichert. Es gebe keine Statistik, um die Zahl der illegalen Abfragen in der Datenbank im vergangenen Jahr zu ermitteln.