Mittelschwaebische Nachrichten
Relegation im Fußball: Faire Chance oder blanker Unsinn?
Gerade die Relegationsspiele bieten den Amateuren die Möglichkeit, auf dem Fußballfeld die sportlichen Argumente zu liefern, warum ihr Team eine Spielklasse höher gehört; oder warum es auch als Tabellenvorletzter doch noch passt, in dieser Liga zu bleiben. Dies kann nur mit dem letzten Strohhalm Relegation gelingen – und in einer oft frustrierend verlaufenden Saison wird zumindest das Ende noch als glücklich empfunden.
Will man den Zuschauern verdenken, dass sie sich für Allesoder-Nichts-Spiele mehr interessieren als für manches Pflichtspiel, das einen binnen Minuten in Halbschlaf versetzt, so schrecklich niveaulos ist das Rumgegurke? Auch dem Volksport Nummer eins in Deutschland steht es gut zu Gesicht, organisatorisch etwas gegen die Langeweile auf den Fußballplätzen zu tun. Relegationsspiele sind ein probates Mittel dafür.
An der Methodik der Zusammensetzung jener Partien gibt es zurecht einiges auszusetzen. Über die Jahre beschleicht einen das Gefühl, dass hier Pragmatiker am Werke sind, die Entscheidungsspiele mal so und mal so zusammenstellen. Um die Relegation nicht vollends zum Mysterium werden zu lassen, gilt es, transparente und unveränderliche Kriterien aufzustellen, die Leitschnur des Handels sind.
Es darf nicht sein, dass der Meister einer Spielklasse erst noch „durch die Relegation“muss und erst bei weiteren Erfolgserlebnissen dann tatsächlich aufsteigt. Es darf nicht sein, dass die Relegation zu einer langen Reise am Saisonende wird. Wenn ein Spiel gewonnen ist, bedeutet das noch lange nicht, am Ziel der Fußballträume zu sein. Der nächste Gegner wartet. Und manchmal ist eine Niederlage auch nicht mit einem endgültigen Aus gleichzusetzen. Weitere Chancen bieten sich unter Umständen auch dem Verlierer. Und dann darf es nicht sein, dass eine bereits gespielte Relegation durch welche Umstände auch immer plötzlich nicht mehr notwendig war. All diese nicht mit Gerechtigkeit zu erklärenden Varianten sind ärgerlich.
Wie eine Relegation nachvollziehbar verläuft, zeigen die Fußballnachbarn in der Region Ulm/Neu-Ulm, die großteils im Württembergischen Fußballverband ihre sportliche Heimat haben. Das ändert nichts an der grundsätzlichen Sinnhaftigkeit der Relegation. Wann haben Amateure denn die Möglichkeit, so viele Augenzeugen mit ihrer persönlichen Spielweise und dem Auftreten des Teams zu überzeugen?
In fast allen niederländischen Fußballligen wird eine Saison aufgeteilt – und es gibt Abschnittsmeister, die am Ende um den Aufstieg spielen. Das macht die Runde spannend. Solange sich in Deutschland ähnliche innovative Modelle nicht durchsetzen, ist die Relegation das Beste, was wir haben. Und die sollte man sich von Fußballästheten des vergangenen Jahrtausends nicht madig machen lassen.
Relegation ist die hohe Zeit der Uralt-Metaphern im FußballJahr. Kaum ist die Saison vorbei, kommt auch schon das Salz in die Suppe – das sagt schon einiges über die Perspektive vieler Fußballer, Funktionäre und Fans. Auf die Gegenfrage, warum nicht von Beginn an im Pokal-Modus gespielt wird, wenn ein normaler Liga-Betrieb angeblich so fad daherkommt, wissen sie keine Antwort.
Es gibt auch keine. Alle Mannschaften in allen Ligen haben innerhalb einer Saison dieselben Möglichkeiten, sich innerhalb der Rangliste zu platzieren (zugegeben, eine fußball-romantische Annahme, aber für das aktuelle Thema soll sie genügen). Am Ende ist einer Erster und steigt auf, ein anderer ist Letzter und steigt ab. Das Ganze lässt sich auf beiden Seiten der Tabelle auf zwei oder mehr Mannschaften ausdehnen.
Wozu dann Relegation? Warum den Zweiten oder den Zweitletzten mit der zweiten Chance belohnen und damit alles, was in den Monaten zuvor geschehen ist, nachträglich entwerten? Die fußball-unromantische Antwort: Um Geld zu verdienen, natürlich. Ein früherer Funktionär aus dem Landkreis Günzburg sagte einmal: „Ich möchte vor 1000 Zuschauern Relegation spielen und verlieren.“Auch eine sportliche Einstellung.
Womit wir einem Phänomen auf der Spur sind: Wer die Zuschauerzahlen im Amateurfußball verfolgt, gelangt vielerorts erschreckend nah an die Erkenntnis, dass sich im Alltag buchstäblich kein Mensch für das Geschehen auf dem Rasen interessiert. Und auf einmal besuchen mehrere hundert oder in Einzelfällen sogar ein paar tausend „Fans“Relegationsspiele von Mannschaften, für die sie offensichtlich die anderen 364 Tage im Jahr kaum eine Hand geregt haben. Bizarr, so was.
Für Kuriositäten aller Art ist die Relegation ohnehin immer gut. So gab es in nicht allzu ferner Vergangenheit mehrere Relegationsspiele in der Region, die sich im Nachhinein (das heißt, nachdem sich die Fußballer geplagt und die Kunden Eintrittsgeld entrichtet hatten) als überflüssig herausgestellt hatten, weil schwuppdiwupp sämtliche Teilnehmer aufsteigen durften.
In diesem konkreten Zusammenhang ist ausdrücklich zu loben, dass die zuständigen Spielleiter im Kreis Donau, Heiko Loder, Franz Bohmann und Rainer Zeiser, diesmal fix auf im Vorfeld unplanbare Ereignisse wie den Aufstiegs-Verzicht eines Meisters oder die Relegations-Teilnahme eines Tabellenletzten reagiert haben. Es war in den vergangenen Tagen klar zu bemerken, welchen Stress die ehrenamtlich tätigen Funktionäre in dieser Jahreszeit aushalten müssen.
Wenn die Fußball-Oberen endlich auf den Unsinn Relegation verzichten würden, könnten sich alle Beteiligten bis hinunter zur Basis die ganze Aufregung sparen.