Mittelschwaebische Nachrichten
Das Urteil fällt in neuen Räumen
Nach dreieinhalb Jahren Bauzeit finden erste Verhandlungen im Anbau statt
Memmingen Noch stehen die Bauzäune vor dem Eingang des Memminger Amtsgerichts. „Wir haben noch Probleme mit der Technik“, erklärt Direktor Reiner Egger. Doch die sollen bis nächste Woche behoben und damit der letzte große Bauabschnitt des Amtsgerichts abgeschlossen sein.
Erste Sitzungen finden bereits seit vergangener Woche in dem Neubau an der Buxacher Straße statt. Im Altbau befinden sich Büros und Mitarbeiterräume. Seit 2015 wird auf dem Areal gebaut. Eigentlich hätten bereits Anfang 2017 erste Verhandlungen in den neuen Sitzungssälen stattfinden sollen – doch mehrere Pannen beim Bau verzögerten die Fertigstellung über ein Jahr lang. In der Zwischenzeit mussten Angeklagte, Richter und Anwälte in Räume in der Nähe des Allgäu-Airports ausweichen. „Die haben wir inzwischen geräumt“, sagt Amtsgerichtspräsident Reiner Egger.
Wer das neue Gebäude betritt, muss eine provisorische Holztreppe hinauf, direkt in den sanierten Altbau. Künftig soll die Einlasskontrolle in einem großen Foyerbereich stattfinden. Gerichtsmitarbeiter, Besucher und Angeklagte: Sie alle betreten künftig durch diesen Raum das Amtsgericht. Das habe den Vorteil, dass Polizisten nur noch einen Eingang sichern müssten. Gleichzeitig könne es aber zu Wartezeiten kommen, meint Egger.
Besucher müssen zunächst durch einen Metalldetektor, danach tasten die Beamten sie ab. Der Abtastbereich ist durch ein Segel nach oben vor neugierigen Blicken geschützt. Zusätzlich soll noch ein ausfahrbarer Sichtschutz installiert werden. „Für die nicht in der Öffentlichkeit abgetastet werden wollen“, erklärt Egger. Das sei etwa bei Muslimen manchmal der Fall.
Bei „bekannten Menschen“– Staatsanwälten, Richtern und Mit- arbeitern – sei es möglich, sie ohne Kontrolle und an möglichen Wartenden vorbei hineinzulassen. Dafür wurde eigens eine Tür in die Absperrung gebaut. „Darauf sind wir sehr stolz“, sagt Egger. Von den AkPersonen, tenbergen im Keller über die Zellen für Häftlinge und die großen Sitzungssäle im Erdgeschoss bis zu den kleineren Sitzungszimmern im ersten Stock herrscht inzwischen reger Betrieb in dem Gebäude. Ein paar Handwerker sind noch mit Feinheiten der Technik beschäftigt. In den Sitzungssälen halten Anwälte ihre Plädoyers, und auf den Bänken in den Gängen warten die Zeugen.
Im Erdgeschoss befinden sich die großen Sitzungssäle. Parkettboden, helle Holzwände und große Fenster bestimmen die Räume. Richter, Staatsanwalt und Angeklagte sitzen an schlichten Holztischen, jeweils mit Mikrofon. „Ich kann als Richter steuern, wer spricht“, erklärt Egger. Wichtiger sei jedoch, dass in den Mikrofonen auch Lautsprecher eingebaut sind, das erleichtere das Reden in den großen Räumen. Sobald Menschen laut sprächen, gehe paraverbale Kommunikation verloren – also Betonungen, Lautstärke und Stimmlage. Manchmal sei es als Richter aber wichtig, in einem ruhigen Tonfall zu sprechen oder eine Aussage fragend in den Raum zu stellen.
Links und rechts am Richterpult kann man zwei hüfthohe Absperrungen aus Milchglas ausfahren. „Die finde ich gut gelungen. Das Licht kommt noch durch, aber es ist eine Abgrenzung zu den anderen Prozessbeteiligten“, erklärt Egger. So entsteht eine symbolische Trennung zwischen Richter sowie Angeklagten und Staatsanwaltschaft. Diese wird durch ein kleines Podest verstärkt.
„In den kleineren Sitzungszimmern haben wir überlegt, ob Podest ja oder nein“, erzählt Egger. Im Familiengericht, in dem unter anderem Sorgerechtsstreitigkeiten verhandelt werden, habe man darauf verzichtet. Im Zivilgericht hat man sich allerdings für die erhöhte Position des Richters entschieden. Nach dem Umbau ist das gesamte Amtsgericht barrierefrei. Schön sei, dass ein einziger Aufzug für Altbau und Neubau ausreiche, sagt Egger. Der Bürotrakt der Mitarbeiter und der öffentliche Bereich sind im ganzen Gericht konsequent getrennt. So soll die Sicherheit der Mitarbeiter erhöht werden.