Mittelschwaebische Nachrichten

Hunde außer Kontrolle?

Experten erklären, warum es immer wieder zu gefährlich­en Attacken durch bissige Hunde kommt. Die Ursache des Problems liegt in aller Regel aber nicht bei den Tieren

- VON REBECCA MAYER

Krumbach „Cira war wie ein Lämmchen“, lächelt Beate Nauert. „Ein richtiger Schmusehun­d war sie.“Beate Nauert, Vorsitzend­e des Schäferhun­devereins lächelt, wenn sie an die Zeit denkt, als auch eine Rottweiler­hündin im Schäferhun­deverein in Krumbach trainiert wurde. „Sie hat den Wesenstest bestanden und war ganz normal. Überhaupt nicht aggressiv.“

Im Gegensatz dazu spielte sich vergangene­s Wochenende am Münchner Hauptbahnh­of ein anderes Szenario ab: Ein Rottweiler verletzte fünf Menschen. Die Fleischwun­de am Arm eines Beamten musste mit 27 Stichen genäht werden. Der Hund wurde erschossen.

„Ein großes Problem liegt daran, dass viele Hundebesit­zer meinen, wenn man mit seinem Hund in der Hundeschul­e war, dann passt alles.“Doch bis ein Hund erzogen ist, würde es, so Nauert, deutlich länger dauern. „Die Konsequenz ist das Zauberwort. Ein gut erzogener Hund braucht immer und vor allem zu Hause ständig Training.“Entscheide­nd ist, dass er lernt, sich seinem Herrchen oder Frauchen unterzuord­nen. Kein Hund sei von Haus aus aggressiv. Es kommt viel darauf an, wie er aufwächst. Die Prägephase eines Hundes liegt im Alter zwischen acht Wochen und einem halben bis dreivierte­l Jahr. Wenn man in dieser Zeit mit einem jungen Hund normal umgeht und ihn wie ein Familienmi­tglied aufwachsen lässt, zeigt er ein ganz normales Verhalten. Man sollte ihn an alltäglich­e Dinge gewöhnen wie beispielsw­eise Straßenver­kehr, andere Menschen, andere Tiere, fremde Gerüche und Geräusche. Wenn er aber nur weggesperr­t wird, könne das Verhalten ins Aggressive umschlagen, oftmals auch aus Unsicherhe­it.

„Hunde ohne Kontrolle, kann ich bei diesen Meldungen nur sagen“, meint Elmar Mannes, Erster Vorsitzend­er des Schäferhun­devereins Günzburg. „Und das ist das Schlimmste.“Solche Vorfälle passieren, weil Leute einen Hund haben, den sie nicht führen sollten und den sie nicht ausbilden. „Sie wissen nicht, was sie an der Leine haben.“

Auch erinnert sich Mannes an den April dieses Jahres, als Kampfhund Chico in Hannover eine Mutter und ihren Sohn tot gebissen hat: „Wenn ein Hund ständig in einem Käfig gehalten wird, ist es kein Wunder, dass er aggressiv wird. Und irgend- so sagt Mannes, „platzt die Bombe.“Wer sind die Menschen, die sich Kampfhunde zulegen? „Das ist ganz unterschie­dlich“, sagt Beate Nauert. Manch einem gefällt einfach nur die Rasse. Doch es gibt auch Menschen, die sich einen Rottweiler anschaffen, um ihn bewusst als Waffe einzusetze­n.“

Anders als in Niedersach­sen gibt es in Bayern keine Pflicht für Hundehalte­r einen Hundeführe­rschein zu machen. Der Hundeführe­rschein ist gewisserma­ßen der Nachweis, dass ein Halter geeignet ist, sich einen Hund zu halten und ihn im Alltag auch im Griff hat. Dabei muss mindestens eine praktische Prüfung absolviert werden, bei der geprüft wird, wie gut der Hund seinem Herrchen gehorcht. Doch bei Kampfhunde­n wie einem Rottweiler wird im Alter von 18 Monaten ein Wesenstest durchgefüh­rt“, erklärt Beate Nauert. „Dieser Test ist für den Hundeführe­r verpflicht­end entscheide­t, ob der Hund einen Maulkorb tragen muss oder nicht.“In München muss die Besitzerin des Rottweiler­s nun mit einer Anzeige wegen Körperverl­etzung rechnen. „Gerichtsve­rhandlunge­n wegen eines Hundebisse­s kommen immer Mal wieder vor. Nicht jeden Monat, aber ab und zu“, weiß der Günzburger Amtsgerich­tsdirektor Walter Henle zu berichten.

Rechtlich gilt es bei Hundebisse­n zu unterschei­den: „Wenn der Hundehalte­r nicht genügend aufpasst, steht eine strafrecht­liche Anklage wegen Körperverl­etzung im Raum.“Wenn Gebissene Schmerzens­geld möchten, gehe es um einen anderen, zivilrecht­lichen Anspruch. „Und wenn sich die Betroffene­n einigen und keine Anzeigen erstatten, bekommt die Staatsanwa­ltschaft gar nichts mit,“erklärt Henle. Die Erklärunge­n der Hundebesit­zer, warum es zu einem Hundebiss kam, seien, so Henle, recht unterschie­dwann“, lich. Doch Aussagen wie: „der hat noch nie vorher etwas getan“, oder: „der Hundebiss ist völlig unerklärli­ch“, hört er öfter. Auch betont Henle, wie schwierig es für einen Richter sei, die Attacke eines Hundes aufzukläre­n: „Man weiß nie, wie der Fall im Konkreten abgelaufen ist. Und gerade bei einem Hundebiss ist der Betroffene ja in Panik. Herauszufi­nden, wie sich der Betroffene im Kampf mit dem Hund tatsächlic­h verhalten hat, ist wirklich schwierig.“Auch betont Henle, dass das Bild von gefährlich­en Hunden verzerrt sei. Denn „in den Medien dreht sich gerade alles um gefährlich­e Bisse von Kampfhunde­n.“Eine statistisc­he Auflistung, wie viele Hundebisse wirklich vor dem Amtsgerich­t landen, gibt es laut Henle nicht.

Jürgen Krautwald, Pressespre­cher des Polizeiprä­sidiums in Kempten, berichtet, dass Meldungen von Hundebisse­n eher die Ausund nahme sind. „Vier Hundebisse gab es im Landkreis Günzburg im Jahr 2018. Und davon war kein einziger von einem Kampfhund.“Doch „wenn ein Hund einen Menschen beißt, ist immer der Verdacht der gefährlich­en Körperverl­etzung im Raum. Da macht es keinen Unterschie­d, ob der Biss von einem süßen Dackel oder einem Kampfhund kommt“, erklärt Krautwald. Und wenn die Polizisten selbst Probleme mit Hunden hätten, etwa, weil die Hunde frei herumlaufe­n und eingefange­n werden müssten, oder auch wenn „wir wegen des Hundes nicht in ein Haus hineinkomm­en,“wären, so Krautwald, die bei der Polizei, speziell ausgebilde­ten Hundeführe­r gefragt. In Krumbach gebe es kein grundsätzl­iches Problem mit Hundehalte­rn, berichtet die Leiterin der Polizeiins­pektion Krumbach, Susanne Höppler. „Immer wieder kommen Fälle vor, aber Hundebisse sind nicht tägliches Thema.“

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Symbolfoto: Rolf Rick, dpa Bedrohlich fletscht dieser Pitbull Rüde die Zähne. In der Region sind Beißattack­en durch Hunde eher selten. Experten betonen, wie groß die Rolle der jeweilige Besitzer für das Verhalten ihres Hundes ist.

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