Mittelschwaebische Nachrichten
Hunde außer Kontrolle?
Experten erklären, warum es immer wieder zu gefährlichen Attacken durch bissige Hunde kommt. Die Ursache des Problems liegt in aller Regel aber nicht bei den Tieren
Krumbach „Cira war wie ein Lämmchen“, lächelt Beate Nauert. „Ein richtiger Schmusehund war sie.“Beate Nauert, Vorsitzende des Schäferhundevereins lächelt, wenn sie an die Zeit denkt, als auch eine Rottweilerhündin im Schäferhundeverein in Krumbach trainiert wurde. „Sie hat den Wesenstest bestanden und war ganz normal. Überhaupt nicht aggressiv.“
Im Gegensatz dazu spielte sich vergangenes Wochenende am Münchner Hauptbahnhof ein anderes Szenario ab: Ein Rottweiler verletzte fünf Menschen. Die Fleischwunde am Arm eines Beamten musste mit 27 Stichen genäht werden. Der Hund wurde erschossen.
„Ein großes Problem liegt daran, dass viele Hundebesitzer meinen, wenn man mit seinem Hund in der Hundeschule war, dann passt alles.“Doch bis ein Hund erzogen ist, würde es, so Nauert, deutlich länger dauern. „Die Konsequenz ist das Zauberwort. Ein gut erzogener Hund braucht immer und vor allem zu Hause ständig Training.“Entscheidend ist, dass er lernt, sich seinem Herrchen oder Frauchen unterzuordnen. Kein Hund sei von Haus aus aggressiv. Es kommt viel darauf an, wie er aufwächst. Die Prägephase eines Hundes liegt im Alter zwischen acht Wochen und einem halben bis dreiviertel Jahr. Wenn man in dieser Zeit mit einem jungen Hund normal umgeht und ihn wie ein Familienmitglied aufwachsen lässt, zeigt er ein ganz normales Verhalten. Man sollte ihn an alltägliche Dinge gewöhnen wie beispielsweise Straßenverkehr, andere Menschen, andere Tiere, fremde Gerüche und Geräusche. Wenn er aber nur weggesperrt wird, könne das Verhalten ins Aggressive umschlagen, oftmals auch aus Unsicherheit.
„Hunde ohne Kontrolle, kann ich bei diesen Meldungen nur sagen“, meint Elmar Mannes, Erster Vorsitzender des Schäferhundevereins Günzburg. „Und das ist das Schlimmste.“Solche Vorfälle passieren, weil Leute einen Hund haben, den sie nicht führen sollten und den sie nicht ausbilden. „Sie wissen nicht, was sie an der Leine haben.“
Auch erinnert sich Mannes an den April dieses Jahres, als Kampfhund Chico in Hannover eine Mutter und ihren Sohn tot gebissen hat: „Wenn ein Hund ständig in einem Käfig gehalten wird, ist es kein Wunder, dass er aggressiv wird. Und irgend- so sagt Mannes, „platzt die Bombe.“Wer sind die Menschen, die sich Kampfhunde zulegen? „Das ist ganz unterschiedlich“, sagt Beate Nauert. Manch einem gefällt einfach nur die Rasse. Doch es gibt auch Menschen, die sich einen Rottweiler anschaffen, um ihn bewusst als Waffe einzusetzen.“
Anders als in Niedersachsen gibt es in Bayern keine Pflicht für Hundehalter einen Hundeführerschein zu machen. Der Hundeführerschein ist gewissermaßen der Nachweis, dass ein Halter geeignet ist, sich einen Hund zu halten und ihn im Alltag auch im Griff hat. Dabei muss mindestens eine praktische Prüfung absolviert werden, bei der geprüft wird, wie gut der Hund seinem Herrchen gehorcht. Doch bei Kampfhunden wie einem Rottweiler wird im Alter von 18 Monaten ein Wesenstest durchgeführt“, erklärt Beate Nauert. „Dieser Test ist für den Hundeführer verpflichtend entscheidet, ob der Hund einen Maulkorb tragen muss oder nicht.“In München muss die Besitzerin des Rottweilers nun mit einer Anzeige wegen Körperverletzung rechnen. „Gerichtsverhandlungen wegen eines Hundebisses kommen immer Mal wieder vor. Nicht jeden Monat, aber ab und zu“, weiß der Günzburger Amtsgerichtsdirektor Walter Henle zu berichten.
Rechtlich gilt es bei Hundebissen zu unterscheiden: „Wenn der Hundehalter nicht genügend aufpasst, steht eine strafrechtliche Anklage wegen Körperverletzung im Raum.“Wenn Gebissene Schmerzensgeld möchten, gehe es um einen anderen, zivilrechtlichen Anspruch. „Und wenn sich die Betroffenen einigen und keine Anzeigen erstatten, bekommt die Staatsanwaltschaft gar nichts mit,“erklärt Henle. Die Erklärungen der Hundebesitzer, warum es zu einem Hundebiss kam, seien, so Henle, recht unterschiedwann“, lich. Doch Aussagen wie: „der hat noch nie vorher etwas getan“, oder: „der Hundebiss ist völlig unerklärlich“, hört er öfter. Auch betont Henle, wie schwierig es für einen Richter sei, die Attacke eines Hundes aufzuklären: „Man weiß nie, wie der Fall im Konkreten abgelaufen ist. Und gerade bei einem Hundebiss ist der Betroffene ja in Panik. Herauszufinden, wie sich der Betroffene im Kampf mit dem Hund tatsächlich verhalten hat, ist wirklich schwierig.“Auch betont Henle, dass das Bild von gefährlichen Hunden verzerrt sei. Denn „in den Medien dreht sich gerade alles um gefährliche Bisse von Kampfhunden.“Eine statistische Auflistung, wie viele Hundebisse wirklich vor dem Amtsgericht landen, gibt es laut Henle nicht.
Jürgen Krautwald, Pressesprecher des Polizeipräsidiums in Kempten, berichtet, dass Meldungen von Hundebissen eher die Ausund nahme sind. „Vier Hundebisse gab es im Landkreis Günzburg im Jahr 2018. Und davon war kein einziger von einem Kampfhund.“Doch „wenn ein Hund einen Menschen beißt, ist immer der Verdacht der gefährlichen Körperverletzung im Raum. Da macht es keinen Unterschied, ob der Biss von einem süßen Dackel oder einem Kampfhund kommt“, erklärt Krautwald. Und wenn die Polizisten selbst Probleme mit Hunden hätten, etwa, weil die Hunde frei herumlaufen und eingefangen werden müssten, oder auch wenn „wir wegen des Hundes nicht in ein Haus hineinkommen,“wären, so Krautwald, die bei der Polizei, speziell ausgebildeten Hundeführer gefragt. In Krumbach gebe es kein grundsätzliches Problem mit Hundehaltern, berichtet die Leiterin der Polizeiinspektion Krumbach, Susanne Höppler. „Immer wieder kommen Fälle vor, aber Hundebisse sind nicht tägliches Thema.“