Mittelschwaebische Nachrichten

In Günzburg läuft’s, doch die Ferne ruft

Sarah-Marie Fickel hat ihre Ausbildung am Bezirkskra­nkenhaus beendet. Eigentlich läuft alles nach Plan – doch jetzt möchte sie einen entwicklun­gspolitisc­hes Jahr in Palästina machen. Wie sie sich darauf vorbereite­t

- VON PHILIPP WEHRMANN

Günzburg Wann ist der richtige Zeitpunkt für das „gap year“? Ein Jahr etwas anderes erleben: Viele wählen dafür das Jahr nach ihrem Schulabsch­luss. Doch Sarah Marie Fickel aus Günzburg sagt, damals hat sie sich das noch nicht getraut. Außerdem möchte sie ihre Zeit sinnvoll einsetzen und vor Ort einen Mehrwert schaffen – und dafür hätten ihr einfach noch die Fähigkeite­n gefehlt. „Jetzt hast du Abi, kannst aber nichts“, hat sie sich gedacht. Deshalb wollte sie erst eine Ausbildung zur Gesundheit­s- und Krankenpfl­egerin am Bezirkskra­nkenhaus Günzburg machen. Die ist nun fertig, Sarah-Marie hat eine Festanstel­lung in einer Station, die ihr gefällt. Freunde haben sie gefragt, wieso sie das alles aufgeben möchte – doch die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt ist für sie keine einfache. Jetzt sei sie noch unabhängig und für niemanden verantwort­lich. Ab August leistet sie zwölf Monate einen entwicklun­gspolitisc­hen in Palästina. Die 24-Jährige ist auf das Projekt x-change der Diakonie BadenWürtt­emberg gestoßen, das vom Bundesmini­sterium für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g im Rahmen des Programms Weltwärts gefördert wird.

Sie wird das Jahr über in einer Einrichtun­g namens Sternberg arbeiten, der sich auf dem gleichnami­gen Hügel befindet. Dort betreut sie körperlich und geistig behinderte Kinder. Ihr ist es wichtig, die „europäisch­e Standardsi­cht“eine Weile aufzugeben und die Perspektiv­e eines anderen Landes anzunehmen.

In letzter Zeit haben sich die Konflikte in Palästina wieder verschärft. Als Donald Trump vor wenigen Wochen die amerikanis­che Botschaft nach Jerusalem verlegt hatte, starben bei gewaltsame­n Protesten Dutzende Menschen. Auf die Frage, ob sie denn keine Angst habe, überlegt Sarah-Marie eine Weile. „Eigentlich nicht“, sagt sie. Zwar sei die Sicherheit­slage in dem Gebiet kritisch, doch man könne sich da- rauf verlassen, dass Einheimisc­he einen vor gefährlich­en Situatione­n warnen. Außerdem sei sie ja nicht im Gazastreif­en, wo es besonders gefährlich ist – da komme man sowieso nicht rein. Und überhaupt: Wo ist es denn absolut sicher? Ganz neu ist das Land für sie ohnehin nicht. Schon im Sommer vergangene­n Jahres ist sie nach Palästina geFreiwill­igendienst reist. Während ihres Aufenthalt­s in der Stadt Hebron gab es Schusswech­sel auf offener Straße.

Insgesamt zahlt ihre Entsendeor­ganisation mehr als 4000 Euro pro Monat für ihre Unterbring­ung, die Flüge, das Visum und so weiter, sagt sie. Vor Ort erhält sie ein Taschengel­d von 250 Euro pro Monat – doch das muss sie selbst im Vorfeld mit Spenden finanziere­n. Das bedeutet, dass sie etwa 3000 Euro Spenden benötigt. Sie hat einen Blog eingericht­et, auf dem sie ihre Vorbereitu­ngen beschreibt und ihre Freunde und Familie während ihres Aufenthalt­s auf dem Laufenden halten möchte. Ihre Internetse­ite zeigt einen Timer, der die Tage bis zur Reise zählt – heute sind es noch 82.

 ?? Foto: Franz Oberschmid ?? Vergangene­s Jahr war Sarah Marie Fickel schon im Nahen Osten: Hier befindet sie sich in der alten Hafenstadt Akkon in Israel. In ihrem entwicklun­gspolitisc­hen Freiwillig­endienst möchte sie die Menschen Palästinas und ihre Sprache kennenlern­en.
Foto: Franz Oberschmid Vergangene­s Jahr war Sarah Marie Fickel schon im Nahen Osten: Hier befindet sie sich in der alten Hafenstadt Akkon in Israel. In ihrem entwicklun­gspolitisc­hen Freiwillig­endienst möchte sie die Menschen Palästinas und ihre Sprache kennenlern­en.
 ?? Foto: Philipp Wehrmann ?? Sarah Marie Fickel ist ausgebilde­te Gesundheit­s und Krankenpfl­egerin. Ihren Job am BKH lässt sie für den Freiwillig­endienst zurück.
Foto: Philipp Wehrmann Sarah Marie Fickel ist ausgebilde­te Gesundheit­s und Krankenpfl­egerin. Ihren Job am BKH lässt sie für den Freiwillig­endienst zurück.

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