Mittelschwaebische Nachrichten
„Das ist ein Armutszeugnis“
Wallfahrtsdirektor Erwin Reichart zur Überhöhung des Banalen
Hätten Sie es gewusst? „Magic Cleaning“: Das hieß früher mal „aufräumen“. Und „ausmisten“heißt jetzt „decluttering“. Mit der Überhöhung des Banalen verdienen immer mehr Vermarkter viel Geld, wie im jüngsten Magazin der Süddeutschen Zeitung nachzulesen ist. Den Trend, das Banale, das Alltägliche, zu überhöhen, ihm bisweilen einen pseudoreligiösen Charakter zu verleihen, möchten wir in unserem neuen „Quergedacht“aufgreifen.
Herr Wallfahrtsdirektor, wie war Ihr „Up-Getting“heute? Oder anders gefragt – was halten Sie von der Idee, das morgendliche Aufstehen in „UpGetting“umzubenennen, klingt doch viel wichtiger? Erwin Reichart: Ich bin heute gesund und erholt aufgestanden und danke dafür Gott. Aber ich würde nie auf die Idee kommen, daraus einen „Zirkus“zu machen. Mich stört überhaupt schon, dass viele mit englischen Begriffen um sich werfen, um besonders modern und intelligent zu wirken. So ein Verhalten ist eigentlich ein Armutszeugnis.
Am Schluss der Lichterprozession am Pfingstsonntag sprachen Sie vom beeindruckenden „Dom der Natur“. Ein Eventmanager würde Ihnen möglicherweise empfehlen, künftig von „Nature-Dome“zu sprechen. Was würden Sie ihm entgegnen? Reichart: Ich würde ihm sagen, dass ich das überhaupt nicht will, weil mir das affig und zeitgeisthörig vorkommt. Eine alte Weisheit lautet: „Wer sich mit dem Zeitgeist vermählt, wird bald Witwer sein!“Wer immer nur dem neuesten Trend hinterher rennt, zeigt nur, dass er kein Fundament hat.
Zu Themen wie Handyverzicht werden heute Seminare angeboten, bei denen gleich einmal rund 500 Euro fällig sind. Was halten Sie von dieser Entwicklung? Reichart: Diese Entwicklung zeigt mir wieder einmal, welche fatalen Folgen die Entchristlichung hat. Der gläubige Christ lernt von klein auf zu verzichten, um später einmal im Leben einigermaßen Herr zu sein über Abhängigkeiten und Süchte. Die Seminare und hohen Kosten könnte man sich sparen, wenn man sich auf den christlichen Glauben wirklich einlassen würde.
Was können wir tun, um uns gegen die „Überhöhung des Banalen“zu wehren? Reichart: Wir müssen zuerst die Ursachen dafür finden. Wahrscheinlich macht unsere heutige „Spaßgesellschaft“viele Menschen so blind und oberflächlich, weil sie die eigentlichen Probleme ständig verdrängen und überspielen können oder müssen. Wenn man die eigentlichen Probleme nicht mehr sehen will oder kann, dann wird automatisch das Banale und Nebensächliche in den Vordergrund treten. Allein schon eine gute, ganz ehrliche Beichte würde auf den Boden der Tatsachen zurückführen.