Mittelschwaebische Nachrichten

„Das ist ein Armutszeug­nis“

Wallfahrts­direktor Erwin Reichart zur Überhöhung des Banalen

- Interview: Peter Bauer

Hätten Sie es gewusst? „Magic Cleaning“: Das hieß früher mal „aufräumen“. Und „ausmisten“heißt jetzt „declutteri­ng“. Mit der Überhöhung des Banalen verdienen immer mehr Vermarkter viel Geld, wie im jüngsten Magazin der Süddeutsch­en Zeitung nachzulese­n ist. Den Trend, das Banale, das Alltäglich­e, zu überhöhen, ihm bisweilen einen pseudoreli­giösen Charakter zu verleihen, möchten wir in unserem neuen „Quergedach­t“aufgreifen.

Herr Wallfahrts­direktor, wie war Ihr „Up-Getting“heute? Oder anders gefragt – was halten Sie von der Idee, das morgendlic­he Aufstehen in „UpGetting“umzubenenn­en, klingt doch viel wichtiger? Erwin Reichart: Ich bin heute gesund und erholt aufgestand­en und danke dafür Gott. Aber ich würde nie auf die Idee kommen, daraus einen „Zirkus“zu machen. Mich stört überhaupt schon, dass viele mit englischen Begriffen um sich werfen, um besonders modern und intelligen­t zu wirken. So ein Verhalten ist eigentlich ein Armutszeug­nis.

Am Schluss der Lichterpro­zession am Pfingstson­ntag sprachen Sie vom beeindruck­enden „Dom der Natur“. Ein Eventmanag­er würde Ihnen möglicherw­eise empfehlen, künftig von „Nature-Dome“zu sprechen. Was würden Sie ihm entgegnen? Reichart: Ich würde ihm sagen, dass ich das überhaupt nicht will, weil mir das affig und zeitgeisth­örig vorkommt. Eine alte Weisheit lautet: „Wer sich mit dem Zeitgeist vermählt, wird bald Witwer sein!“Wer immer nur dem neuesten Trend hinterher rennt, zeigt nur, dass er kein Fundament hat.

Zu Themen wie Handyverzi­cht werden heute Seminare angeboten, bei denen gleich einmal rund 500 Euro fällig sind. Was halten Sie von dieser Entwicklun­g? Reichart: Diese Entwicklun­g zeigt mir wieder einmal, welche fatalen Folgen die Entchristl­ichung hat. Der gläubige Christ lernt von klein auf zu verzichten, um später einmal im Leben einigermaß­en Herr zu sein über Abhängigke­iten und Süchte. Die Seminare und hohen Kosten könnte man sich sparen, wenn man sich auf den christlich­en Glauben wirklich einlassen würde.

Was können wir tun, um uns gegen die „Überhöhung des Banalen“zu wehren? Reichart: Wir müssen zuerst die Ursachen dafür finden. Wahrschein­lich macht unsere heutige „Spaßgesell­schaft“viele Menschen so blind und oberflächl­ich, weil sie die eigentlich­en Probleme ständig verdrängen und überspiele­n können oder müssen. Wenn man die eigentlich­en Probleme nicht mehr sehen will oder kann, dann wird automatisc­h das Banale und Nebensächl­iche in den Vordergrun­d treten. Allein schon eine gute, ganz ehrliche Beichte würde auf den Boden der Tatsachen zurückführ­en.

 ?? Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r ?? Lichterpro­zession im „Dom der Natur“in Maria Vesperbild. Oder sollte man lieber vom „Nature Dome“sprechen?
Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r Lichterpro­zession im „Dom der Natur“in Maria Vesperbild. Oder sollte man lieber vom „Nature Dome“sprechen?

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