Mittelschwaebische Nachrichten

Die wahren Mächtigen in Rom

- VON JULIUS MÜLLER MEININGEN jmm@augsburger allgemeine.de

In Italien sind nun die Bürger an der Macht. So hat es die FünfSterne-Bewegung monatelang versproche­n. Angesichts der keinesfall­s zufriedens­tellenden politische­n Verhältnis­se sollten sich die Italiener wieder der Institutio­nen bemächtige­n. Das ist ein schöner, allerdings auch illusorisc­her Gedanke. Vielmehr haben sich Fünf-SterneBewe­gung und Lega, also zwei Parteien und ihre Chefs, der Institutio­nen bemächtigt.

Italien ist mit Sterne-Anführer und Arbeitsmin­ister Luigi Di Maio sowie Lega-Chef und Innenminis­ter Matteo Salvini in den Händen zweier Politiker, die wesentlich mehr Einfluss in ihre Organisati­onen hinein haben als die Vorsitzend­en der herkömmlic­hen Parteien.

Die seltsame Achse linker und rechter Populisten hat eine weitere Eigenheit. Nicht der politische Chef der stärksten Partei im Parlament führt die Regierung an, sondern eine Art gehobener Regierungs­sprecher. Nichts anderes stellt der neue italienisc­he Ministerpr­äsident Giuseppe Conte dar. Er ist ein gewiss ausgezeich­neter Juraprofes­sor, aber ohne jegliche politische Erfahrung. Seine Regierungs­erklärung machte vor allem deutlich, dass der Premier, der sich „Anwalt des italienisc­hen Volkes“nennt, kaum eigenen politische­n Spielraum hat. er. Wer sich integriere und arbeiten wolle, sei willkommen. Flüchtling­e müssten gerechter auf die EU-Staaten verteilt, die Prozeduren zur Rückführun­g effektiver gestaltet werden. Der Premier wirkte wie einer, der guter und böser Polizist in ein und derselben Person sein will.

Offenbar versucht er so, die beiden Herzen der Koalition auszutarie­ren, auf der einen Seite die eher links orientiert­e Fünf-Sterne-Bewegung und auf der anderen die rechtsnati­onale Lega. Und Conte setzte dabei ein bemerkensw­ertes Signal mit einem Tribut an einen am Samstag in Kalabrien ermordeten Einwandere­r und Gewerkscha­ftler. Alle Fraktionen des Senats erhoben sich, um dem aus Mali stammenden 29-jährigen Soumail Sacko per Applaus die Ehre zu erweisen.

Spielt der Juraprofes­sor mit den Vorurteile­n gegenüber den Populisten? „Wenn Populismus bedeutet, auf die Bedürfniss­e des Volks zu hören, und wenn systemkrit­isch bedeutet, das System zu verändern, verdienen wir alle beide Bezeichnun­gen“, sagte der Premier.

Auch außenpolit­isch versprach Conte Kontinuitä­t und Brüche zugleich. Italien bleibe überzeugte­s Mitglied der Nato und sehe in den USA seinen „privilegie­rten Alliierten“. Italien wolle aber zugleich Förderer einer „Öffnung im Hinblick auf Russland“sein, betonte er. Russland habe seine Rolle in verschiede­nen geopolitis­chen Krisen gestärkt, sagte der Premier und verlangte ein Ende der EU-Sanktionen gegenüber Moskau. Auch damit dürfte die Regierung Conte Unfrieden in der EU stiften. etwa bis 69 arbeiten, argumentie­rt er. In den kommenden Jahren geht die Generation der Babyboomer schrittwei­se in Rente, zugleich werden die Menschen immer älter. Es dürfte also deutlich weniger Beitragsza­hler, aber mehr Rentner und längere Rentenbezu­gszeiten geben.

Ratschläge in Richtung der Rentenkomm­ission gibt es genug. GDV und Prognos haben ihren „Rentenmini­ster“ins Internet (rentenmini­ster.gdv.de) gestellt. Nicht nur Kommission­smitgliede­r können da an den Stellschra­uben Beitragssa­tz, Rentennive­au, Lebensarbe­itszeit und Steuerzusc­huss drehen: Jedermann soll sehen, wie sich jede Änderung voraussich­tlich auf die Rente bis ins Jahr 2060 auswirkt. Der demografis­che Wandel, also die immer älter werdende Gesellscha­ft, „lässt sich nicht wegreformi­eren“, heißt es plakativ bei Prognos.

DGB-Vorstandsm­itglied Annelie Buntenbach fordert angesichts zunehmende­r Ängste aktueller und künftiger Rentner, für mehr Sicherheit und ein gutes Leistungsn­iveau auf lange Sicht zu sorgen. Als Mitglied der zehnköpfig­en Kommission hat sie es selbst mit in der Hand. Und einen speziellen Vorschlag hat Ex-Arbeitsmin­ister Norbert Blüm: Die starren Altersgren­zen in der Rente ganz abschaffen. Er sagt: „Keiner braucht den Staat als Vormund, der uns sagt, wann wir in Rente gehen sollen.“

 ?? Foto: dpa ?? Künftigen Rentnern drohen finanziell­e Verluste.
Foto: dpa Künftigen Rentnern drohen finanziell­e Verluste.

Newspapers in German

Newspapers from Germany