Mittelschwaebische Nachrichten
Die wahren Mächtigen in Rom
In Italien sind nun die Bürger an der Macht. So hat es die FünfSterne-Bewegung monatelang versprochen. Angesichts der keinesfalls zufriedenstellenden politischen Verhältnisse sollten sich die Italiener wieder der Institutionen bemächtigen. Das ist ein schöner, allerdings auch illusorischer Gedanke. Vielmehr haben sich Fünf-SterneBewegung und Lega, also zwei Parteien und ihre Chefs, der Institutionen bemächtigt.
Italien ist mit Sterne-Anführer und Arbeitsminister Luigi Di Maio sowie Lega-Chef und Innenminister Matteo Salvini in den Händen zweier Politiker, die wesentlich mehr Einfluss in ihre Organisationen hinein haben als die Vorsitzenden der herkömmlichen Parteien.
Die seltsame Achse linker und rechter Populisten hat eine weitere Eigenheit. Nicht der politische Chef der stärksten Partei im Parlament führt die Regierung an, sondern eine Art gehobener Regierungssprecher. Nichts anderes stellt der neue italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte dar. Er ist ein gewiss ausgezeichneter Juraprofessor, aber ohne jegliche politische Erfahrung. Seine Regierungserklärung machte vor allem deutlich, dass der Premier, der sich „Anwalt des italienischen Volkes“nennt, kaum eigenen politischen Spielraum hat. er. Wer sich integriere und arbeiten wolle, sei willkommen. Flüchtlinge müssten gerechter auf die EU-Staaten verteilt, die Prozeduren zur Rückführung effektiver gestaltet werden. Der Premier wirkte wie einer, der guter und böser Polizist in ein und derselben Person sein will.
Offenbar versucht er so, die beiden Herzen der Koalition auszutarieren, auf der einen Seite die eher links orientierte Fünf-Sterne-Bewegung und auf der anderen die rechtsnationale Lega. Und Conte setzte dabei ein bemerkenswertes Signal mit einem Tribut an einen am Samstag in Kalabrien ermordeten Einwanderer und Gewerkschaftler. Alle Fraktionen des Senats erhoben sich, um dem aus Mali stammenden 29-jährigen Soumail Sacko per Applaus die Ehre zu erweisen.
Spielt der Juraprofessor mit den Vorurteilen gegenüber den Populisten? „Wenn Populismus bedeutet, auf die Bedürfnisse des Volks zu hören, und wenn systemkritisch bedeutet, das System zu verändern, verdienen wir alle beide Bezeichnungen“, sagte der Premier.
Auch außenpolitisch versprach Conte Kontinuität und Brüche zugleich. Italien bleibe überzeugtes Mitglied der Nato und sehe in den USA seinen „privilegierten Alliierten“. Italien wolle aber zugleich Förderer einer „Öffnung im Hinblick auf Russland“sein, betonte er. Russland habe seine Rolle in verschiedenen geopolitischen Krisen gestärkt, sagte der Premier und verlangte ein Ende der EU-Sanktionen gegenüber Moskau. Auch damit dürfte die Regierung Conte Unfrieden in der EU stiften. etwa bis 69 arbeiten, argumentiert er. In den kommenden Jahren geht die Generation der Babyboomer schrittweise in Rente, zugleich werden die Menschen immer älter. Es dürfte also deutlich weniger Beitragszahler, aber mehr Rentner und längere Rentenbezugszeiten geben.
Ratschläge in Richtung der Rentenkommission gibt es genug. GDV und Prognos haben ihren „Rentenminister“ins Internet (rentenminister.gdv.de) gestellt. Nicht nur Kommissionsmitglieder können da an den Stellschrauben Beitragssatz, Rentenniveau, Lebensarbeitszeit und Steuerzuschuss drehen: Jedermann soll sehen, wie sich jede Änderung voraussichtlich auf die Rente bis ins Jahr 2060 auswirkt. Der demografische Wandel, also die immer älter werdende Gesellschaft, „lässt sich nicht wegreformieren“, heißt es plakativ bei Prognos.
DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach fordert angesichts zunehmender Ängste aktueller und künftiger Rentner, für mehr Sicherheit und ein gutes Leistungsniveau auf lange Sicht zu sorgen. Als Mitglied der zehnköpfigen Kommission hat sie es selbst mit in der Hand. Und einen speziellen Vorschlag hat Ex-Arbeitsminister Norbert Blüm: Die starren Altersgrenzen in der Rente ganz abschaffen. Er sagt: „Keiner braucht den Staat als Vormund, der uns sagt, wann wir in Rente gehen sollen.“