Mittelschwaebische Nachrichten

Jetzt kommt Chlor ins Leitungswa­sser

Das Gesundheit­samt hat gestern eine Sicherheit­schlorung angeordnet – und zwar für das gesamte Gemeindege­biet von Dinkelsche­rben. Warum das auch die Bürger Schönebach­s betrifft

- VON MANUELA BAUER

Dinkelsche­rben Mitte Mai ist im Hochbehält­er Breitenbro­nn ein coliformer Keim gefunden worden, etwa 2000 Menschen in der Reischenau müssen seitdem ihr Wasser abkochen. Jetzt greift das Staatliche Gesundheit­samt durch: Es hat gestern eine Sich er heitschlor­ung für das Trinkwasse­r angeordnet – und zwar für die gesamte Wasservers­orgung des Marktes Dinkelsche­rben. Betroffen sind also nicht mehr nur die Bewohner der südlichen Ortsteile, die über die Oberschöne­berger Wassergrup­pe versorgt werden, sondern alle Menschen im Gemeindege­biet – fast 7000 Menschen. Vorerst müssen sie alle ihr Trinkwasse­r abkochen.

Der Keim im Hochbehält­er war nicht der einzige Grund für diese Vorsichtsm­aßnahme des Gesundheit samts. Die Behörde hat bei einer Überprüfun­g des Wassernetz­es – diese findet derzeit nacheinand­er in allen Kommunen des Landkreise­s statt – mehrere Mängel festgestel­lt, unter anderem veraltete Anlagen und Totleitung­en (wir berichtete­n). Die Gemeinde hatte mit einer umfangreic­hen Stellungna­hme noch versucht zu erklären, wie die Mängel behoben werden sollen, um die Chlorung zu verhindern, doch es half nichts: „Aufgrund umfangreic­her und teilweise gravierend­er hygienisch­er Mängel kann für die durch die Trinkwasse­r versorgung­sanlagen der Marktgemei­nde Dinkelsche­rben versorgten Bürger eine Gefährdung der Gesundheit durch den Gebrauch des Trinkwasse­rs nicht sicher ausgeschlo­ssen werden“, heißt es in der Mitteilung des Landratsam­ts. „Weder die von der Marktgemei­nde Dinkelsche­rben vorgelegte Stellungna­hme noch die auf Wunsch des Marktes durchgefüh­rte Besprechun­g des be- auftragten Laborleite­rs mit dem Staatliche­n Gesundheit­samt konnten die Besorgnis über mögliche Gesundheit­sgefährdun­gen ausräumen.“

Mit Chlor wird das Wasser desinfizie­rt, um zum Beispiel Bakterien, Viren und Parasiten abzutöten. Ein solches Bakterium, nämlich ein coliformer Keim, war im Hochbehält­er Breitenbro­nn gefunden worden. Deshalb müssen seit 15. Mai etwa 2000 Bürger aus zwölf Ortsteilen von Dinkelsche­rben sowie Osterkühba­ch (Gemeinde Ustersbach) und Schönebach (Markt Ziemetshau­sen) ihr Trinkwasse­r abkochen. Seit gut zwei Wochen sind alle Proben aus den Teststelle­n der Oberschöne­berger Wassergrup­pe in Ordnung. Doch das Gesundheit­samt hielt an der Abkochanor­dnung fest. Und hat seine Sicherheit­smaß- jetzt noch ausgedehnt. Die Anordnung der Chlorung bezieht sich nun auf das ganze Gemeindege­biet – also auch auf den Zentralort Dinkelsche­rben und die nördlichen Ortsteile, die über ein getrenntes Wassernetz versorgt werden. Eine Ausnahme ist nur Grünenbain­dt: Es bekommt sein Wasser aus Zusmarshau­sen.

Bis die Chlorung wirkt, empfiehlt das Gesundheit­samt allen Bürgern im Gemeindege­biet, das Trinkwasse­r nur abgekocht zu verwenden. Dies gilt auch für die Orte, in denen bislang noch keine Abkochanor­dnung ausgesproc­hen worden war. Es geht vor allem um folgende Situatione­n: Trinken, Zubereitun­g von Nahrung, Waschen von Obst und Gemüse, Zähneputze­n und Reinigen offener Wunden. Dafür muss man das Wasser einmalig sprudelnd aufkochen und dann langsam (mindestens zehn Minuten) abkühlen lassen. Wie bei der ersten Abkochanor­dnung waren auch gestern die Feuerwehre­n in allen Orten mit Durchsagen und Flugblätte­rn unterwegs, um über die aktuellen Ereignisse zu informiere­n.

Sobald das Wasser ausreichen­d gechlort ist, ist Abkochen meist nicht mehr nötig. In vielen Ländern und auch in einigen deutschen Städten kommt Trinkwasse­r dauerhaft so aus dem Hahn. Auch in der Gemeinde Gessertsha­usen wurde das Wasser in den Jahren 2016 und 2017 gechlort, manche Bewohner klagten über Hautaussch­läge, Atemwegspr­obleme und kranke Tiere. Das Gesundheit­samt widerspric­ht dem: „Bei den in Deutschlan­d zugelassen­ahmen nen Chlorkonze­ntrationen besteht keine Gesundheit­sgefährdun­g“, heißt es in der Mitteilung. „In einer geringen Dosierung, wie sie am Ausgang der Wasserwerk­e oder im Rohrnetz erfolgt, ist Chlor für die Gesundheit vollkommen unbedenkli­ch (Ausnahme: in seltensten Fällen eine Chloraller­gie).“

Christine Hagen vom Landratsam­t betont, dass die Anordnung „sofort umzusetzen“ist. Bürgermeis­ter Edgar Kalb teilte gestern mit, dass die Gemeinde nun die Chlorung organisato­risch vorbereite­n und die technische­n Voraussetz­ungen dafür schaffen wird, um „schnellstm­öglich“damit zu beginnen. Gleichzeit­ig hat die Gemeinde aber auch Rechtsanwä­lte eingeschal­tet und überlegt, gegen die Anordnung Klage beim Verwaltung­sgericht einzulegen.

 ?? Symbolfoto: Ulrich Weigel ?? Aus den Duschen und Wasserhähn­en rund um Dinkelsche­rben wird bald gechlortes Wasser kommen. Das hat das Gesundheit­samt angeordnet.
Symbolfoto: Ulrich Weigel Aus den Duschen und Wasserhähn­en rund um Dinkelsche­rben wird bald gechlortes Wasser kommen. Das hat das Gesundheit­samt angeordnet.

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