Mittelschwaebische Nachrichten
Jetzt kommt Chlor ins Leitungswasser
Das Gesundheitsamt hat gestern eine Sicherheitschlorung angeordnet – und zwar für das gesamte Gemeindegebiet von Dinkelscherben. Warum das auch die Bürger Schönebachs betrifft
Dinkelscherben Mitte Mai ist im Hochbehälter Breitenbronn ein coliformer Keim gefunden worden, etwa 2000 Menschen in der Reischenau müssen seitdem ihr Wasser abkochen. Jetzt greift das Staatliche Gesundheitsamt durch: Es hat gestern eine Sich er heitschlorung für das Trinkwasser angeordnet – und zwar für die gesamte Wasserversorgung des Marktes Dinkelscherben. Betroffen sind also nicht mehr nur die Bewohner der südlichen Ortsteile, die über die Oberschöneberger Wassergruppe versorgt werden, sondern alle Menschen im Gemeindegebiet – fast 7000 Menschen. Vorerst müssen sie alle ihr Trinkwasser abkochen.
Der Keim im Hochbehälter war nicht der einzige Grund für diese Vorsichtsmaßnahme des Gesundheit samts. Die Behörde hat bei einer Überprüfung des Wassernetzes – diese findet derzeit nacheinander in allen Kommunen des Landkreises statt – mehrere Mängel festgestellt, unter anderem veraltete Anlagen und Totleitungen (wir berichteten). Die Gemeinde hatte mit einer umfangreichen Stellungnahme noch versucht zu erklären, wie die Mängel behoben werden sollen, um die Chlorung zu verhindern, doch es half nichts: „Aufgrund umfangreicher und teilweise gravierender hygienischer Mängel kann für die durch die Trinkwasser versorgungsanlagen der Marktgemeinde Dinkelscherben versorgten Bürger eine Gefährdung der Gesundheit durch den Gebrauch des Trinkwassers nicht sicher ausgeschlossen werden“, heißt es in der Mitteilung des Landratsamts. „Weder die von der Marktgemeinde Dinkelscherben vorgelegte Stellungnahme noch die auf Wunsch des Marktes durchgeführte Besprechung des be- auftragten Laborleiters mit dem Staatlichen Gesundheitsamt konnten die Besorgnis über mögliche Gesundheitsgefährdungen ausräumen.“
Mit Chlor wird das Wasser desinfiziert, um zum Beispiel Bakterien, Viren und Parasiten abzutöten. Ein solches Bakterium, nämlich ein coliformer Keim, war im Hochbehälter Breitenbronn gefunden worden. Deshalb müssen seit 15. Mai etwa 2000 Bürger aus zwölf Ortsteilen von Dinkelscherben sowie Osterkühbach (Gemeinde Ustersbach) und Schönebach (Markt Ziemetshausen) ihr Trinkwasser abkochen. Seit gut zwei Wochen sind alle Proben aus den Teststellen der Oberschöneberger Wassergruppe in Ordnung. Doch das Gesundheitsamt hielt an der Abkochanordnung fest. Und hat seine Sicherheitsmaß- jetzt noch ausgedehnt. Die Anordnung der Chlorung bezieht sich nun auf das ganze Gemeindegebiet – also auch auf den Zentralort Dinkelscherben und die nördlichen Ortsteile, die über ein getrenntes Wassernetz versorgt werden. Eine Ausnahme ist nur Grünenbaindt: Es bekommt sein Wasser aus Zusmarshausen.
Bis die Chlorung wirkt, empfiehlt das Gesundheitsamt allen Bürgern im Gemeindegebiet, das Trinkwasser nur abgekocht zu verwenden. Dies gilt auch für die Orte, in denen bislang noch keine Abkochanordnung ausgesprochen worden war. Es geht vor allem um folgende Situationen: Trinken, Zubereitung von Nahrung, Waschen von Obst und Gemüse, Zähneputzen und Reinigen offener Wunden. Dafür muss man das Wasser einmalig sprudelnd aufkochen und dann langsam (mindestens zehn Minuten) abkühlen lassen. Wie bei der ersten Abkochanordnung waren auch gestern die Feuerwehren in allen Orten mit Durchsagen und Flugblättern unterwegs, um über die aktuellen Ereignisse zu informieren.
Sobald das Wasser ausreichend gechlort ist, ist Abkochen meist nicht mehr nötig. In vielen Ländern und auch in einigen deutschen Städten kommt Trinkwasser dauerhaft so aus dem Hahn. Auch in der Gemeinde Gessertshausen wurde das Wasser in den Jahren 2016 und 2017 gechlort, manche Bewohner klagten über Hautausschläge, Atemwegsprobleme und kranke Tiere. Das Gesundheitsamt widerspricht dem: „Bei den in Deutschland zugelassenahmen nen Chlorkonzentrationen besteht keine Gesundheitsgefährdung“, heißt es in der Mitteilung. „In einer geringen Dosierung, wie sie am Ausgang der Wasserwerke oder im Rohrnetz erfolgt, ist Chlor für die Gesundheit vollkommen unbedenklich (Ausnahme: in seltensten Fällen eine Chlorallergie).“
Christine Hagen vom Landratsamt betont, dass die Anordnung „sofort umzusetzen“ist. Bürgermeister Edgar Kalb teilte gestern mit, dass die Gemeinde nun die Chlorung organisatorisch vorbereiten und die technischen Voraussetzungen dafür schaffen wird, um „schnellstmöglich“damit zu beginnen. Gleichzeitig hat die Gemeinde aber auch Rechtsanwälte eingeschaltet und überlegt, gegen die Anordnung Klage beim Verwaltungsgericht einzulegen.