Mittelschwaebische Nachrichten
Wie sich VW das Carsharing der Zukunft vorstellt
Volkswagen richtet unter der Marke „Moia“eine Art Taxi-Service ein. In Hannover und Hamburg geht es los
Hamburg Taxi? Gerade keines zu sehen, außerdem recht teuer. U-Bahn oder Bus? Zu umständlich. Eigenes Auto? Keine Lust auf Stau. Was tun, um in der Stadt voranzukommen? Die Antwort gibt ein Mega-Trend der Digitalisierung: SmartphoneApp aufrufen, Wagen bestellen und auf dem Weg umweltfreundlich möglichst noch andere Fahrgäste aufsammeln. So plant es die Volkswagen-Tochter Moia. „Der Markt ist ganz am Anfang – und er wird riesig werden“, glaubt Firmenchef Ole Harms.
Wie läuft der Dienst ab? Fahrgäste ordern zuerst ihr Moia-Fahrzeug zu einer virtuellen Haltestelle in ihrer Nähe. Das Fahrzeug kommt dann dorthin. Das Besondere daran: Es sollen mehrere Fahrgäste mitgenommen werden. Und zwar alle, die auf einer ähnlichen Route unterwegs sind. Ein Test mit 35 VWBussen läuft bereits in Hannover, eine Konzession für bis zu 250 Fahrzeuge ist beantragt. Noch 2018 wird der offizielle Start des Angebots angepeilt. In Hannover testet Moia mit 3500 Nutzern in der City. Die Tester buchen und bezahlen den Shuttle-Service ebenfalls per Smartphone-App. Dabei nimmt Moia bisher eher utopisch niedrige sechs Cent je Kilometer – sei die Konzession erst da, würden die Preise steigen. Dennoch bringt dies die Taxifahrer auf die Palme. Laut Wolfgang Pettau, Geschäftsführer der Hallo Taxi 3811 GmbH in Hannover, würde eine Konzession für 250 Moia-Fahrzeuge das Taxigewerbe schwächen, bis nur noch Trümmer übrig blieben.
Ein Meilenstein steht für Moia aber in Hamburg an: Dort hat der Anbieter schon eine Erlaubnis ab Januar 2019 – und zwar für 500 Fahrzeuge in den ersten beiden Jahren, wie Harms sagt. Der Start in Hamburg ist für die ersten Monate 2019 geplant. Beantragt war zunächst eine Konzession für 1000 vollelektrische Kleinbusse, nun sind es noch bis zu 500. Ein Zugeständnis an die Taxiunternehmer? Mit denen liegt Moia auch in Hamburg im Clinch.
Harms betont, Moia sei mit den Taxiverbänden und -unternehmen im Gespräch. Doch das Taxi deckt aus seiner Sicht nur bestimmte Fälle ab, habe je nach Stadt einen Anteil von einem bis drei Prozent am Verkehr. „Wir sagen: Es profitieren am Ende alle.“Ein Beispiel: Wer eilig zum Flughafen wolle, werde immer das Taxi nehmen, um nicht warten zu müssen, bis andere Fahrgäste zugestiegen seien – außerdem könne er so mehr Gepäck unterbringen.
Noch ist das neue CarsharingKonzept von VW eine Nische „Der Markt steckt noch in den Kinderschuhen“, sagt der Moia-Chef. Das soll sich ändern. Moia will einer der führenden „Mobility-on-Demand“-Anbieter werden: „Wir sind nicht für zwei Städte angetreten.“Man wolle ein „veritables Standbein“des VW-Konzerns und globales Unternehmen werden.
Ein Kernbestandteil aller modernen Mobilitätskonzepte ist das autonome Fahren. Die Anbindung unterversorgter Gebiete auf dem Land sei schon heute nicht kostendeckend möglich, die Automatisierung mache dies leichter, sagt Harms. Das sei aber Zukunftsmusik – und „Fahrer sind noch lange notwendig“. Zunächst hat VW mit Moia vor, den Stadtraum abzudecken, um den Verkehr zu entlasten. Indem sich Menschen ein Fahrzeug teilten, verringere sich die Zahl der Autos auf der Straße – das bedeute weniger Staus, Lärm und Abgase.
Volkswagen ist mit seinem Angebot nicht allein. Es tummeln sich inzwischen viele andere Anbieter auf dem Markt. Die Amerikaner haben mit Uber vorgemacht, wie es gehen könnte. Und auch Google ist im Spiel: Die Schwesterfirma Waymo hatte kürzlich angekündigt, ihre Flotte selbstfahrender Autos mit bis zu 62 000 Minivans von Chrysler auszubauen. BMW und Mercedes wiederum legten ihre CarsharingDienste DriveNow und Car2Go zusammen.
Branchenexperte Stefan Bratzel nimmt die Entwicklung ernst: „Wir erleben einen Paradigmenwechsel der Industrie: Autokauf und -besitz sind nur noch eine Option.“