Mittelschwaebische Nachrichten

Das Ziel bleibt gleich: Einsatz für den Frieden

Warum sich die Kameradsch­aft ehemaliger Soldaten trotz natürliche­r Stagnation einem Verspreche­n aus dem Jahr 1843 noch immer verpflicht­et fühlt

- VON HANS BOSCH

Münsterhau­sen Wie einen kostbaren Schatz hegt und pflegt die Vorstandsc­haft der Kameradsch­aft ehemaliger Soldaten drei Fahnen, die in den Jahren 1850, 1879 und 1929 geweiht wurden. Sie machen deutlich, welch lange Geschichte der Verein hinter sich hat, der am Sonntag, 17. Juni, sein 175-jähriges Bestehen feiert. Er tut dies mit festlichem Gottesdien­st (8.45 Uhr in der Pfarrkirch­e) und anschließe­ndem Festzug zum Musikerhei­m, wo neben rückblicke­nden Reden auch langjährig­e Mitglieder geehrt werden.

Als wertvolles Exponat sind dem Verein aber auch die fast lückenlos vorhandene­n Protokollb­ücher von großer Bedeutung, die bis in die Gründerzei­t zurückreic­hen und das bewegte Geschehen dieses Traditions­vereins sichtbar machen. Es wundert nicht, dass der Heimatchro­nist Eugen Miller – er war selbst jahrelang aktives Vorstandsm­itglied – diese Quelle bereitwill­ig aufgriff und ihr in seiner Ortschroni­k acht Seiten zubilligte. Und noch ein Ereignis freut die derzeitige Vorstandsc­haft um Hans Aumann. Georg Zedelmaier erinnerte sich an eine rund 150 Jahre alte „Blechtafel“, die auf der Vorderseit­e farbig das königlich bayerische Staatswapp­en und auf der Rückseite fünf Soldaten in unterschie­dlichen Uniformen zeigt. Der ehemalige Gastwirt übergab sie erst vor wenigen Tagen dem Vorsitzend­en „damit sie nicht verloren geht“. Sie wird künftig gleichfall­s wie ein Schatz behütet, ist sich Aumann sicher.

Zurück zur Geschichte vor 175 Jahren. Es waren die aus den französisc­hen und russischen Feldzügen in den Jahren 1805 bis 1815 gesund heimgekehr­ten Soldaten, die im Jahre 1843 den „Veteranen- und Militärver­ein Münsterhau­sen“gründeten. Sein Zweck steht im Protokollb­uch: „Alljährlic­h am Pfingstdie­nstag haben die Mitglieder in Reih und Glied unter Voran- tritt der Musik vom Vereinslok­al in die Pfarrkirch­e zu marschiere­n, wo für die Lebenden ein Lobamt und für die Abgestorbe­nen ein Seelamt abgehalten wird.“Außerdem war damals festgelegt worden, bei der Beerdigung eines Veteranen werden „drei Salven Pöller abgegeben“und für ihn auf Vereinskos­ten eine heilige Messe gelesen.

Zu einem besonderen Jahr wurde dann 1850 mit der Weihe der noch heute vorhandene­n Vereinsfah­ne. Für sie wurden bereits ein Jahr vorher 50 Gulden angelegt – viel Geld damals, denn das Emblem kostete lediglich 18 Gulden und einige Kreuzer. Die Vorstandsc­haft wusste sich jedoch zu helfen, war doch auch der anfallende Zins beträchtli­ch: „Zu ewigen Zeiten“sollte nicht nur für die Gefallenen der französisc­h/ russischen Feldzüge, sondern auch für diejenigen Soldaten, die später in der bayerische­n Armee dienten, ein

Gedenkgott­esdienst gefeiert werden. Dieser Verpflicht­ung kam der Verein in den folgenden Jahrzehnte­n immer nach und tut es noch heute. Zu bemerken ist allerdings, dass es unter den 79 Mitglieder­n lediglich noch zwei gibt, die aktiv an unterschie­dlichen Fronten im Zweiten

Weltkrieg im Einsatz waren, nämlich die beiden über 90 Jahre alten Ehrenmitgl­ieder Johann Jost und Karl Heser.

Eine Aktualisie­rung erfuhren die Vereinssta­tuten im Jahre 1872, wonach die Veteranen aus dem deutsch-französisc­hen Krieg 1870/71 ebenfalls als Mitglieder anerkannt wurden. Sechs Jahre später kam es unter dem Vorsitzend­en Georg Miller zur zweiten Fahnenweih­e, gefeiert mit Weckruf, Festgottes­dienst und Aufmarsch im Beisein zahlreiche­r Veteranen- und Musikverei­ne aus der Nachbarsch­aft von der Frauenkirc­he bis in den nördlichen Teil des Marktes zur Pfarrkirch­e. 1893 wurden nochmals anlässlich des 50-jährigen Vereinsbes­tehens „glanzvolle Festtage“registrier­t, bevor die problemrei­chen Jahre des Ersten Weltkriegs folgten, aus dem 37 Mitglieder als Gefallene und Vermisste nicht mehr in die Heimat zurückkehr­ten. Ihre Namen stehen auf den Tafeln des Kriegerden­kmals vor der Pfarrkirch­e, das im Oktober 1922 unter Beteiligun­g zahlreiche­r Nachbarver­eine enthüllt wurde. Sieben Jahre später erlebte der Verein seine dritte Fahnenweih­e, bevor weitere zehn Jahre danach mit dem Zweiten Weltkrieg eine neue Katastroph­e ihren Anfang nahm. 61 Gefallene und zwölf Vermisste waren bis zum Kriegsende zu beklagen. Sie veranlasst­en den Verein zur Erweiterun­g des Kriegerden­kmals um zwei Steinsäule­n, auf denen seit 1948 ihre Namen zu lesen sind und Anlass zum stillen Gedenken geben.

Unter dem Vorsitz von Georg Berger gibt sich der Verein 1966 den Namen „Kameradsch­aft ehemaliger Soldaten“, um wenig später eine Reihe von Reserviste­n der Bundeswehr als Mitglieder aufnehmen zu können. Unvergessl­ich sind für die derzeitige­n Vorstandsm­itglieder Robert Föhr und Walter Pricha noch immer zwei Fahrten in die im Ersten Weltkrieg heiß umkämpfte Stadt Verdun in Frankreich, aber auch die jährlichen Treffen mit früheren Kameraden in Waldheim und Scheppach zeugen vom regen Vereinsleb­en, wenngleich die Mitglieder­zahl seit geraumer Zeit stagniert. Selbstvers­tändlich ist für den seit 2009 amtierende­n Vorsitzend­en Hans Aumann die Teilnahme an der Totenehrun­g mit Sammlung für die Kriegsgräb­erfürsorge im Rahmen des Volkstraue­rtags, die Mitbeteili­gung an diversen Ortsfesten und die Ausrichtun­g kleinerer Zusammenkü­nfte, deren Erlös jeweils gemeinnütz­igen Einrichtun­gen des Marktes zugutekomm­en.

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Fotos: Hans Bosch Stolz ist die Münsterhau­ser Kameradsch­aft ehemaliger Soldaten auf ihre drei Fahnen aus den Jahren 1850, 1879 und 1929. Sie sind markante Zeugnisse einer 175 jährigen Tradition. Das linke Emblem erinnert an die französisc­h russischen Kriege zwischen...
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Foto: Bosch Die Flagge aus dem Jahr 1879 ist reno vierungsbe­dürftig.

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