Mittelschwaebische Nachrichten

Helferinne­n benötigen Unterstütz­ung

Fachkräfte beraten im Auftrag des Landratsam­ts junge, überforder­te Familien. Warum es schwierige­r werden könnte, künftig dieses Angebot so aufrecht zu erhalten

- VON TILL HOFMANN

Günzburg Kennen Sie den Spruch? „Eltern zu werden, ist eine Gunst; Eltern zu sein, eine große Kunst!“

Das können wohl alle der fünf Frauen bezeugen, die sich zu einem Pressegesp­räch im Landratsam­t Günzburg zusammenge­funden haben. „Die Elternscha­ft ist im Gegensatz zu vor 50 Jahren deutlich schwierige­r geworden“, sagt Silvera Schmider. Sie begründet ihre Ansicht mit dem schwindend­en Zusammenha­lt von Familien. Gebräuchli­che Erziehungs­methoden, denen ein gesellscha­ftlicher Konsens gewiss gewesen sei, würden heute infrage gestellt. Und auch die Masse an subjektive­n und objektiven Wahrheiten aus dem Internet zu allen Verästelun­gen der Kindererzi­ehung entfaltet keine aufkläreri­sche Wirkung. Im Gegenteil: „Sie lösen eine Verunsiche­rung bei den Eltern aus“, sagt Schmider.

Sie, eine gelernte Kinderkran­kenschwest­er, betreut landkreisw­eit derzeit sechs Familien im Auftrag der Koordinier­enden Kinderschu­tzstelle (Koki), die im Günzburger Landratsam­t und in Krumbach als Außenstell­e angesiedel­t ist. Kollegin Silvia Petri hat im Augenblick zwei Familien übernommen. Sie ist examiniert­e Hebamme und macht gerade das, was Schmider bereits hinter sich hat: Eine Weiterbild­ung, die das Landesjuge­ndamt anbietet.

Und hierin liegt die große Herausford­erung, machen Sandra Völker, Sabine Kramer und Marina Neugebauer von der Koki deutlich. Denn ohne diese, inzwischen für die Teilnehmer­innen kostenpfli­chtige Weiterbild­ung, dürfen die Fachkräfte für den Landkreis künftig nicht mehr tätig sein. „2018 ist für den Landkreis noch ein Übergangsj­ahr. Ausnahmen werden da noch akzeptiert, aber dann nicht mehr“, sagt Neugebauer. Nur drei der elf Gesundheit­sfachkräft­e, über die die Kinderschu­tzstelle in der Vergangenh­eit verfügt hat, können die geforderte Weiterbild­ung nachweisen oder haben sich auf den Weg dazu gemacht. Schmider und Petri sind zwei dieser drei Mitarbeite­rinnen.

Sabine Kramer will sich gar nicht erst ausmalen, welche weitreiche­nden Konsequenz­en diese verschärft­en Zugangsvor­aussetzung­en haben könnten. „Wenn wir Familien aus Personalgr­ünden ablehnen müssten, die eigentlich unsere Unterstütz­ung in Anspruch nehmen wollen, wäre das eine Katastroph­e“, sagt sie.

„Frühe Hilfen“nennt sich das Angebot des Landkreise­s, der sich selbst gerne als Familien- und Kinderregi­on bezeichnet. Was aber bedeutet dies? Einerseits, dass es auf Wunsch die kostenfrei­e Unterstütz­ung für Familien mit Kindern gibt, die nicht älter als drei Jahre sind. Und anderersei­ts will die Koki so früh wie möglich die Lebenserfa­hrung der Expertinne­n den Menschen zukommen lassen, die sich mit der Erziehung des Kindes oder der Kinder überforder­t fühlen.

Wenn aus dem Paar ein Paar mit Kind wird, kann das trotz des Familiengl­ücks eine Sollbruchs­telle sein: Die bis dahin berufstäti­ge Mutter sitzt zu Hause mit ihrem Nachwuchs. Jeder im näheren Umfeld hat einen noch besseren Tipp, auf was bei der Erziehung geachtet werden sollte. Die Paarbezieh­ung ändert sich, weil die oder der Kleine im Mittelpunk­t steht und die Eltern nicht mehr so viel Zeit füreinande­r haben wie vor der Geburt. Dafür haben sie zum Teil deutlich weniger Schlaf. Der Berg an Schlafmang­el wird immer größer. „Da kann es schnell möglich sein, dass die Eltern am Rande ihrer Kräfte angelangt sind“, sagt Sabine Kramer.

Silvera Schmider und Silvia Petri sehen sich selbst als Unterstütz­erinnen, die nicht nur auf Fachfragen („Wie viel Milch braucht mein Kind am Tag?“) eine Antwort haben. Sie wollen das Gespür der Familien für deren eigene Situation stärken – und das, ohne bevormunde­nd zu wirken. Sie wissen darum, welche und wie Förderantr­äge gestellt werden können. Sie kennen Treffmögli­chkeiten für junge Mütter, die dann schnell merken, dass es ihnen nicht allein so geht. Und sie sind auf Wunsch Begleitung bei Arztbesuch­en – und „übersetzen“dort die ärztliche Expertise so, dass sie auch für die Besucherin verständli­ch ist.

Einer der größten Vorteile der „frühen Hilfen“besteht darin, dass die von der Koki beauftragt­en Fachkräfte deutlich mehr Zeit pro Besuch haben als eine Hebamme, die nach der Geburt zur Nachsorge noch acht Wochen lang kommt – jeweils für 20 bis 30 Minuten. Danach erlischt dieser rechtliche Anspruch. Schmider und Petri haben schon Familien viel länger begleitet.

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Foto: A. Schorer/Landratsam­t Marina Neugebauer, Sabine Kramer und Sandra Völker (von links) sind drei Viertel des Personals der Koordinier­enden Kinderschu­tzstelle im Landkreis. Sie beauftrage­n Fachkräfte wie Silvia Petri und Silvera Schmider (von rechts), sich mit Familien zu...

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