Mittelschwaebische Nachrichten
Fast 15000 Dieseln droht Stilllegung
Eineinhalb Jahre hatten die Besitzer manipulierter VW- und Audi-Fahrzeuge Zeit, um die illegale Motor-Software löschen zu lassen. Die Frist läuft jetzt aus
Berlin Knapp 15000 Besitzern von VW- und Audi-Dieseln mit einer manipulierten Abgasreinigung droht in den nächsten Wochen die Stilllegung ihrer Fahrzeuge. Kritisch wird es, wenn die Fahrer bisher nicht in der Werkstatt waren, um die illegale Motor-Software durch die neue legale Version ersetzen zu lassen. Auch an anderer Stelle spitzt sich die Entwicklung zu: Nach ersten Fahrverboten auf zwei Straßen in Hamburg und drohenden Diesel-Fahrverboten in Aachen geht man auch in Stuttgart davon aus, dass Fahrverbote schwer vermeidbar sind.
Wer einen manipulierten VWoder Audi-Diesel besitzt und bisher nicht in der Werkstatt war, für den besteht dringender Handlungsbedarf: Die Kfz-Zulassungsstellen haben deutschlandweit Briefe mit der Aufforderung verschickt, ihre Fahrzeuge nachrüsten zu lassen. Denn es endet die 18-Monats-Frist für den verbindlichen Rückruf der Fahrzeuge.
„Fahrzeuge, die nicht umgerüstet werden, können in letzter Konsequenz außer Betrieb gesetzt werden“, berichtet das Bundesverkehrsministerium. Betroffen sind VW- und Audi-Modelle der Baujahre 2009 bis 2014 mit dem „EA 189“-Dieselmotor. Anfang Juni waren 95 Prozent dieser Autos bereits umgerüstet. In rund 0,6 Prozent der Fälle habe das Kraftfahrtbundesamt aber die zuständigen Zulassungsbehörden informiert, dass die Fahrzeughalter innerhalb des 18-monatigen Rückrufzeitraums trotz mehrfacher Aufforderung nicht am verpflichtenden Rückruf teilnahmen. 0,6 Prozent entsprechen 14760 der insgesamt 2,46 Millionen Autos.
Das Kraftfahrtbundesamt gibt die Daten säumiger Dieselbesitzer an die kommunalen Kfz-Zulassungsstellen weiter, die die Betreffenden ein weiteres Mal anschreiben und ihnen in der Regel eine letzte Frist von vier Wochen setzen. Sofern dann immer noch keine Reaktion erfolgt ist, können die Autos aus dem Verkehr gezogen werden. Erste Stilllegungen hat es bereits gegeben – in Hamburg, München und Sachsen-Anhalt.
Nach Hamburg und Aachen drohen auch Diesel-Fahrverbote in Stuttgart. In der grün-schwarzen Landesregierung gilt es als schwierig bis unmöglich, um die Sperrungen noch herumzukommen. Der SWR berichtete, die Landesregierung in Baden-Württemberg plane bei möglichen Fahrverboten Ausnahmen etwa für Pendler und Anwohner – vorausgesetzt, ihre Diesel-Autos würden mit einer Hardware nachgerüstet, um den Stickoxid-Ausstoß zu senken.
Ein Treffen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) mit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) verlieh solchen Mutmaßungen Nahrung: Spiegel Online berichtete unter Verweis auf einen angeblichen „Geheimplan“Kretschmanns, Scheuer solle die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, damit die Besitzer der umgerüsteten Wagen einen Eintrag in die Fahrzeugpapiere oder eine andere Kennzeichnung bekämen. Nur so könnten Polizisten erkennen, ob der Wagen sauber sei. Kretschmanns Sprecher Rudi Hoogvliet sagte dazu, es gebe keinen „Geheimplan“. Man stehe am Anfang der Überlegungen.
Der ADAC hatte zusammen mit dem Land Baden-Württemberg die Nachrüstung von Euro-5-Dieseln mit Hardware getestet. Ergebnis: Bei den vier Testfahrzeugen mit einem sogenannten SCR-System lag der Schadstoffausstoß innerorts um bis zu 70, außerorts um bis zu 88 Prozent niedriger. Preis der technischen Nachrüstung: 1400 bis 3300 Euro pro Fahrzeug. Das Kraftfahrtbundesamt soll es in Aussicht gestellt haben, ein erstes Nachrüst-Set zu genehmigen. In der baden-württembergischen Landesregierung soll es zudem Überlegungen geben, sich die Kosten für Nachrüstung zu teilen: 50 Prozent solle die Industrie tragen, 25 Prozent das Land und 25 Prozent die Fahrer.
Nach VW gerät auch Daimler immer stärker in Manipulationsverdacht. Am heutigen Montag wollen
Manipulationssoftware auch bei Daimler
sich Daimler-Chef Dieter Zetsche und Verkehrsminister Scheuer nochmals in Berlin treffen. Berichten zufolge hat das Kraftfahrtbundesamt inzwischen fünf „unzulässige Abschaltfunktionen“bei Modellen von Daimler entdeckt. Fast eine Million Fahrzeuge sollen betroffen seien. Scheuer soll bereits mit Bußgeldern bis zu 5000 Euro pro Auto gedroht haben.