Mittelschwaebische Nachrichten
Ja, wir dürfen uns freuen!
Der Ball rollt. Mit der Partie zwischen Gastgeber Russland und Saudi-Arabien wird heute die Fußball-Weltmeisterschaft eröffnet. Kein Kracher eigentlich, sondern laut Weltrangliste das Treffen der beiden schwächsten Mannschaften in diesem Turnier. Trotzdem sagt der Grantler: Endlich geht’s los. Er hat ja in den vergangenen Wochen immer schlechter geschlafen vor lauter vorfreudiger Anspannung. Was ihm nicht uneingeschränkt Sympathien einbrachte, wie er einräumen muss. Zu seiner Verwunderung gibt es in seiner schwäbischen Wahlheimat Zeitgenossen, die seine Fußball-Verrücktheit in Zusammenhang mit diesem Land, das sie wahlweise als Putins Autokratie oder in bester Kalter-Krieg-Metaphorik gleich als Reich des Bösen bezeichnen, rein gar nicht teilen wollen. Die Vergabe der Weltmeisterschaft an Russland sei Resultat blanker Korruption, behaupten sie. Für die Herrschenden im Gastgeber-Staat seien Menschenrechte und demokratische Grundwerte Fremdwörter, bemerken sie. Die Führungsclique nutze die Spiele zur Selbstdarstellung und zum Machterhalt und deshalb verbiete sich jede Form der positiven Herangehensweise, betonen sie.
Für all das gibt es Argumente, teilweise auch Beweise. Die Frage lautet also: Darf man sich auf eine Fußball-WM in Russland freuen?
Ja logo, bekräftigt der Grantler nachdrücklich. Er könnte es sich jetzt leicht machen und die Gegenfrage stellen, ob irgendjemand ernsthaft der Ansicht ist, sportliche Großereignisse früherer Zeiten (zum Beispiel die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland) seien stets sauber im Sinne von mauscheleifrei vergeben worden. Mit Genuss könnte er auf die ersten schwarzrot-goldenen Autokorsos warten und dann die jubelnden Menschen vor Ort (zum Beispiel in Günzburg) befragen, ob man sich denn derart ekstatisch über sportliche Erfolge in Russland freuen darf.
Der Grantler ist gewiss nicht weltfremd. Aber er findet die in den vergangenen Tagen oft zur Schau gestellte, besserwisserische Miesmacherei Unfug. Zumal die meisten ihrer Urheber einfach nicht ins Herz des Fußball-Fans blicken können oder wollen.
Ein solcher ist der Grantler aber. Und er hält dagegen, dass es allerorten in Russland zu friedlichen Begegnungen zwischen Menschen unterschiedlichster Herkunft und Denkweise kommen wird, dass echte Freundschaften entstehen werden und dass auch diese WM für Einheimische wie Besucher ein Anstoß zu mehr gegenseitigem Respekt sein wird. Das ist es, was wirklich zählt, findet der Grantler. Ob sich dann irgendwelche Politiker im Glanze irgendwelcher Fußballstars sonnen oder nicht – wen juckt’s?