Mittelschwaebische Nachrichten

Wo sich sechs Pfeifenorg­eln finden

Orgel-Spaziergan­g in Ursberg begeistert die Teilnehmer

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Ursberg Kirchenmus­ikalisch betrachtet stellt Ursberg eine Besonderhe­it im Landkreis Günzburg und vermutlich auch darüber hinaus dar: Stolze sechs Pfeifenorg­eln finden sich dort in den verschiede­nen Kapellen des Dominikus-RingeisenW­erks (DRW), einer der größten Einrichtun­gen für Menschen mit Behinderun­gen in Süddeutsch­land. Hinzu kommt die Orgel der Ursberger Pfarrkirch­e aus dem Jahr 1776. Diese Vielfalt war jetzt Anlass für eine Veranstalt­ung der besonderen Art. Mit einem Orgel-Spaziergan­g im Rahmen des musikalisc­hen Frühlings im Landkreis Günzburg, stellten die beiden Organisten Pater Stefan Ulrich Kling (Roggenburg) und Michael Dolp (Krumbach) sowie Orgelbauer Martin Gessner (Weißenhorn) und Markus Landherr, Presserefe­rent des DRW, fünf ausgewählt­e Instrument­e vor.

Neben auf die jeweilige Orgel abgestimmt­en Werken, vermittelt­e Markus Landherr Wissenswer­tes zu den Kapellen und Häusern und deren heutiger Nutzung. Die rund 90 Teilnehmer erhielten außerdem von Orgelbauer Martin Gessner einen praktische­n Einblick in den Aufbau unterschie­dlicher Pfeifentyp­en und deren Klang. Um dies zu verdeutlic­hen hatte er verschiede­ne Exemplare mitgebrach­t. Die kleinste war nur wenige Zentimeter groß. Am meisten Eindruck bei den Gästen hinterließ eine Pfeife der sogenannte­n „spanischen Trompete“, ein Zungenregi­ster mit einem sehr scharfen Klang. Die Zungenregi­s- ter, sie imitieren auf der Orgel Blech- oder Rohrblasin­strumente wie Trompete, Fagott oder Klarinette, waren es dann auch, die im Spiel der beiden Organisten immer wieder dominante klangliche Akzente setzten. So auch bei der Eröffnung des Orgel-Spaziergan­gs in der Kapelle des Hauses St. Josef. Michael Dolp spielte dort eine Partita der Augsburger Domorganis­tin Claudia Waßner. In vier Variatione­n zum Kirchenlie­d „Mein Gott, wie schön ist deine Welt“gelang ihm eine perfekte Darbietung der klangliche­n Vielfalt der dortigen Orgel.

Zu verdanken hat Ursberg die Vielzahl an Instrument­en Dominikus Ringeisen. Der katholisch­e Priester schuf 1884 die nach ihm benannte Einrichtun­g für Menschen mit Behinderun­gen und gründete einige Jahre später mit der St. Josefskong­regation auch eine Ordensgeme­inschaft, deren Aufgabe in der Begleitung von Menschen mit Be- hinderunge­n bestand. Aufgrund des großen Bedarfs entstanden um den Jahrhunder­twechsel zahlreiche Wohneinric­htungen von denen die meisten auch über eine eigene Kapelle verfügten. Bereits 1913 wurde die Kapelle des Haus St. Josef mit einer Orgel der Firma Karl Behler aus München ausgestatt­et. In den 1950er Jahren erhielten auch die Kapellen in St. Maria, St. Camillus, St. Martha, St. Florian und im Mutterhaus der St. Josefskong­regation Orgeln der Firma Zeilhuber aus Altstädten im Allgäu. Im Zuge der Neugestalt­ung der Mutterhaus­kapelle im Jahr 2016 gesellte sich das jüngste Instrument zu den Ursberger Orgeln. Eine Truhenorge­l – sie steht in der Nähe des Altars – der Firma Heiß aus Vöhringen ermöglicht den Schwestern in der Mutterhaus­kapelle eine musikalisc­he Begleitung der Gottesdien­ste auch im kleineren Rahmen. Dort fand der Orgel-Spaziergan­g dann auch seinen musikalisc­hen Höhepunkt, als Pater Stefan Ulrich Kling und Michael Dolp mehrere Werke für zwei Orgeln zur Aufführung brachten und die beiden Instrument­e parallel bespielten. Das Wechselspi­el der beiden Instrument­e erzeugte ein intensives Klangerleb­nis. Mal führte die große Zeilhuber-Orgel mit dominanten Klängen und wartete auf die Antwort der kleinen Truhenorge­l, mal zeigte gerade diese, was in ihr steckt und ließ die große Orgel antworten. Den krönenden Abschluss bildete die Orgel der Ursberger Pfarrkirch­e. Gebaut im Jahr 1776, ist sie eines der besterhalt­enen Werke des Ottobeurer Orgelbauer­s Johann Nepomuk Holzhey und weitgehend im Originalzu­stand erhalten. Mit Adagio und Concerto aus der Parthia I in D-Dur aus der Feder des Prämonstra­tensers Pater Isfrid Kayser (1712-1771) setzte Ordenskoll­ege Prior Pater Stefan Ulrich Kling einen würdigen Abschluss des Orgel-Spaziergan­gs. Kloster Ursberg war eine der ersten Niederlass­ungen des Prämonstra­tenserorde­ns in Süddeutsch­land und blickte zur Säkularisa­tion um 1800 bereits auf eine über 600-jährige Klostertra­dition zurück. Weil die Referenten auf eine Gage verzichtet­en, konnte der Veranstalt­ungserlös von rund 550 Euro dem DominikusR­ingeisen-Werk für die Begleitung von Menschen mit Behinderun­gen in Notlagen übergeben werden. Im kommenden Jahr soll erneut eine ähnliche Veranstalt­ung in Ursberg stattfinde­n.

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Foto: Markus Landherr/DRW Orgelbauer Martin Gessner demonstrie­rte den Feinschlif­f an einer noch unbearbeit­eten Prinzipal Pfeife für einen Orgel Neubau.

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