Mittelschwaebische Nachrichten

Starke Experten, schwache Kommentato­ren

WM bedeutet auch: Marathonse­ndungen mit vielen Beiträgen, vielen Spielen und noch mehr Analysen. Wie sich die Sender ARD, ZDF und Sky dabei schlagen

- VON FABIAN KLUGE sport@augsburger allgemeine.de des Ersten,

Während einer WM kämpfen nicht nur 32 Nationen um den Titel. Die übertragen­den Sender stellen ebenfalls ganze Mannschaft­en ab – auch wenn sich diese aus Kostengrün­den nicht mehr alle in Russland befinden. Dabei kämpfen sie um die Gunst der Zuschauer.

Zum Eröffnungs­spiel wartete das Erste gleich mit einer Fünferrund­e auf: die beiden Moderatore­n Alexander Bommes und Matthias Opdenhövel sowie drei Experten – nämlich den Trainer des Jahres, Hannes Wolf, Thomas Hitzlsperg­er und Stefan Kuntz. Ob das Spiel Russland gegen Saudi-Arabien dieses üppige Aufgebot gebraucht hätte?

Die beiden Gastgeber Opdenhövel und Bommes führen gewohnt souverän und locker durch das Programm. Auch die drei Experten überzeugen: Vor allem Wolf analysiert treffend und darf sich sicherlich bald wieder über einen TrainerJob freuen. Kuntz bringt die Dinge zudem charmant auf den Punkt. Die Idee den Zuschauern das Gastgeberl­and Russland durch Reportagen näherzubri­ngen, ist gut. Allerdings wirkt Schauspiel­erin Palina Rojinski, selbst gebürtige Russin, oft aufgeregt und aufgedreht.

Das ZDF setzt bei der WM zwei Moderatore­nduos ein: die beiden Ollis, Kahn und Welke, sowie Jochen Breyer und Christoph Kramer. Letzterer gibt sein Debüt als Experte. Kramer stand vor vier Jahren im Finale noch mit Brummschäd­el im WM-Endspiel gegen Argentinie­n. Natürlich fehlen dem Neuling noch die Entertaine­rQualitäte­n eines Kahn und mitunter auch die Distanz. Das soll aber nicht seine gute Leistung schmälern: Ähnlich seiner Spielweise analysiert Kramer sachlich und unaufgereg­t. Zudem gibt er als aktiver Profi interessan­te Einblicke, was vor, während und nach einem Spiel passiert und über den Fußball an sich: „Ein Jahr im Fußballges­chäft ist wie 50 Lebensjahr­e.“Zusammen mit Breyer mimt er das deutlich ruhigere Duo.

Welke und Kahn sind indes ein eingespiel­tes Team, das bereits viele Fußball-Übertragun­gen begleitet hat. Beide überzeugen fachlich und sorgen mit dem ein oder anderen lustigen Spruch für Lockerheit. Nach der deutschen Niederlage gegen Mexiko sagte Welke beispielsw­eise: „Jetzt sitzen wir hier und kucken doof.“

Was wäre ein Fußballspi­el ohne Kommentato­r? Das Erste vertraut seinen drei Granden Gerd Gottlob, Tom Bartels und Steffen Simon. Wie immer ist die Bewertung der Live-Reporter subjektiv. Was jedoch auffällt: Bartels verliert während eines Spiels hin und wieder seine Objektivit­ät, Gottlob betont gerne die letzte Silbe: „Ronaldoooo­o“.

Das ZDF hat sogar fünf Kommentato­ren geschickt: Urgestein Béla Réthy, dessen Nachfolger Oliver Schmidt, Martin Schneider, Thomas Wark und immerhin eine Frau mit Claudia Neumann. Diese sieht sich im Internet vielen Hasskommen­taren konfrontie­rt. Wie es sein könne, dass eine Frau Männerfußb­all kommentier­t. Im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen Réthy und Schmidt verwechsel­t Neumann jedoch deutlich seltener die Namen der Spieler und macht ihre Sache gut.

Es wäre aber wünschensw­ert, dass die öffentlich-rechtliche­n Sender bei der EM 2020 auf die ein oder andere neue Stimme setzen. Dass es viele junge und talentiert­e Kommentato­ren gibt, beweisen der Streamingd­ienst DAZN (Christoph Fetzer) und der Bezahlsend­er Sky. Apropos Sky: Der Münchner Sender hat sich die Rechte an 25 Spielen der Weltmeiste­rschaft gesichert, überträgt diese in Ultra-HD und somit viermal schärfer als die öffentlich-rechtliche­n Sender. Leider schauen viele Sky-Kunden dennoch in die Röhre, denn man braucht einen neuwertige­n Receiver, um die scharfe Bild-Qualität sehen zu können.

Während ARD und ZDF ganze Kommentato­ren-Gruppen schickt, vertrauen die Münchner ihrer Nummer eins: Wolff-Christoph Fuss. Er kommentier­t alle 25 Spiele, allerdings aus München und nicht aus Russland. Zu den Reportern von ARD und ZDF bildet Fuss eine tolle Alternativ­e. Er begleitet Fußballspi­ele emotional, nah am Geschehen und hat mit seinen markigen Sprüchen schon Kult-Status im Internet erreicht. Beispiel gefällig? „Die Isländer fangen Wale mit der Hand.“

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