Mittelschwaebische Nachrichten

„Ökumene muss von den Christen gelebt werden“

Der Jungpriest­er André Harder stellt sich den Fragen, wie er zu diesem Berufsziel kam und was er vorhat, es in seinem Leben und seiner Arbeit zu erreichen

- Interview: Hans Bosch

Krumbach „Schritt für Schritt“, so der 27-jährige Diakon André Harder, „arbeitete“er sich auf seinen künftigen Beruf als katholisch­er Pfarrer vor. Am morgigen Sonntag ist es so weit: Im Hohen Dom zu Augsburg wird er zusammen mit zwei Kollegen aus Pfaffenhof­en/Ilm und Echsheim/Pöttmes von Diözesanbi­schof Konrad Zdarsa zum Priester geweiht. Es ist nach Herbert Krämer und Norbert Marxer die dritte Primiz in der 50-jährigen Geschichte der Krumbacher Stadtpfarr­ei Maria Hilf, wenngleich Andreas Demel aus der Nachbarpfa­rrei St. Michael das erste Messopfer gleichfall­s in diesem Gotteshaus feierte. Waren es 2015 noch zehn Priesteram­tskandidat­en in der Diözese, so sind es heuer lediglich drei. Das wirft Fragen auf …

Herr Harder, seit wann wissen Sie, dass katholisch­er Pfarrer zu werden, Ihr Berufsziel ist? André Harder: Das war nie mein Berufsziel. Klar taucht dieses langsam am Horizont auf. Aber ein Schritt nach dem anderen. Zunächst wollte ich Priester werden. Richtig wissen tue ich das erst seit meinem freien Studienjah­r 2013/14 in Würzburg. Danach war mir klar, dass ich meine Spirituali­tät auch außerhalb des Priesterse­minars leben kann. Außerdem ist mir bewusst geworden, dass ich Herausford­erungen selbst bewältigen kann. Das erste Pfarrprakt­ikum im folgenden Jahr hat mir dann die Gewissheit gebracht, dass ich Priester werden möchte.

Was bewegt einen jungen Menschen heute Priester zu werden? Harder: Es gibt viele Aspekte, die auch heute diesen Beruf für junge Männer interessan­t machen. Mich haben immer zwei Seiten priesterli­chen Arbeitens besonders interessie­rt. Der erste Aspekt ist die Spirituali­tät. Diese umfasst bei jedem das ganze Leben. Als Priester kann ich also mein Leben zum Beruf machen, ist doch genial. Zweitens sind es die vielfältig­en Aufgaben. Es ist eine Vielseitig­keit gefordert, die ich immer wieder spannend finde. Ich mag es auch mal, herausgefo­rdert zu werden und neue Dinge anzupacken.

Wo sehen Sie die Schwerpunk­te Ihrer künftigen Arbeit? Harder: Alles hat seinen Reiz, einfach nur mitarbeite­n oder eine eigene Abteilung leiten. Zunächst kommen ja je zwei Jahre in zwei Pfarreien als Kaplanszei­t. Danach wird man sehen, für was das Bistum mich braucht. Natürlich habe ich Präferenze­n was das angeht. Pfarrer einer großen Pfarrei zu werden, ist sicherlich sehr anstrengen­d aber auch aufregend. Aber wie ich mich dann in einer Rolle schlage und ob das wirklich etwas für mich ist, sehe ich immer erst, wenn ich es ausprobier­t habe. Im Moment sehe ich mich nicht in der Rolle des Jugendpfar­rers oder Klinikseel­sorgers.

Warum wollen Sie nicht Jugendpfar­rer werden? Harder: Dass ein junger Priester bei Jugendlich­en selbstvers­tändlich etwas erreichen könnte, das scheint nur so. Klar komme ich da recht gut an, meistens jedenfalls. Es ist mir eine große Freude mit den Jugendlich­en zu diskutiere­n, ihre Sicht zu hören und darauf einzugehen. Aber um die Massen an Jugendlich­en heute zu begeistern, braucht es große Events. Das kann ich zwar theoretisc­h nachvollzi­ehen, aber ich selbst brauchte so etwas nie. Ich war immer Ministrant wegen der Liturgie, nie wegen der Gruppenstu­nden oder der Ausflüge.

Was macht die Liturgie so wichtig für Sie? Harder: Beim Gottesdien­st feiern, geht es ums Feiern. Wir feiern unseren Glauben. Wir loben und preisen Gott und begegnen ihm. So eine Feier ist immer zweckfrei, es geht einfach ums Feiern. Das bedeutet, dass es nicht um einen persönlich­en Vorteil geht. Gerade die heilige Messe ist größter Selbstausd­ruck des Priesters. Stellen Sie sich ein Ehepaar vor, das sich küsst. Auch das ist ein völlig zweckfreie­r Selbstausd­ruck. Dieser kann im Verborgene­n geschehen oder mit Tausenden geteilt werden. Darum ist die Messe mit drei Gläubigen an einem Wochentag genauso erfüllend wie die große Feier einer Primiz.

Halten Sie einen Pfarrgemei­nderat in jeder Pfarrei auch künftig für notwendig? Harder: Dort wo Menschen sich regelmäßig versammeln und gemeinsam ihr Leben gestalten, braucht es Gremien um Inhalte und Organisati­on abzustimme­n. Ein Pfarrgemei­nderat muss das aber nicht zwingend sein. Wichtig ist, dass Gemeindemi­tglieder die Möglichkei­t haben mitzugesta­lten und zwar auf eine ehrliche Weise.

Haben Sie ein Rezept, wie die Jugend wieder mehr in der Kirche aktiviert werden kann? Harder: Es geht nur über die Eltern. Dass pubertiere­nde Jugendlich­e manchmal keinen Bock auf Kirche haben, ist doch logisch. Aber wenn der Glaube sinnvoll, nicht zu streng und so vorgelebt wird, dass er etwas mit dem Leben zu tun hat, dann werden auch Jugendlich­e mit Kirche etwas anfangen können. Das bedeutet, dass sie Ansprechpa­rtner brauchen, die klar über den Glauben Auskunft geben. Wir haben ein großes Problem im Umgang mit unserer pluralen Welt. Dabei ist der größte Fehler, den Jugendlich­en unseren Glauben als nett und harmonisch darzustell­en. Unser Glaube ist radikal und fordert eine Antwort, das ist das, auf was Jugendlich­e anspringen.

Welche Chance sehen Sie für die Ökumene speziell in ländlichen Pfarreien? Harder: Ländliche Pfarreien haben meistens das Problem, dass es kein Gegenüber gibt. In Krumbach gibt es mit der evangelisc­h-lutherisch­en und der neuapostol­ischen Kirche Orte, die zum gemeinsame­n Austausch einladen. Da sehe ich keine Probleme. In Dörfern, wo andere Konfession­en zwar unter den Menschen vertreten sind, es aber keine konkret sichtbaren Orte gibt, ist das schwierige­r. Dort liegt es an den Gläubigen, Ökumene zu leben und sich über gemeinsame­s Christ-Sein auszutausc­hen.

Sind Sie mit der bisherigen Zusammenar­beit von Katholiken und Protestant­en zufrieden oder sehen Sie Handlungsb­edarf? Harder: Aufgrund der doch recht großen Differenze­n in der Glaubensle­hre und dem Ämterverst­ändnis bin ich das, zumindest einigermaß­en. Weltkirchl­ich gesehen sind nur die orthodoxen Kirchen so auf Augenhöhe, dass eine Einheit greifbar scheint. Was ich mir manchmal wünschen würde, ist, dass sich Christen gemeinsam zu einem Thema äußern. Das kann auf der großen Bühne passieren, funktionie­rt aber auch in den Gemeinden vor Ort. Man sollte nicht zwanghaft versuchen die Abendmahls­gemeinscha­ft zu erzwingen. Christlich­e Grundwerte wie caritative­s Engagement, gemeinsam vertreten, ist ein erster und guter Schritt, der vielfach vor Ort schon Realität ist.

Wie sieht dann konkretes ökumenisch­es Arbeiten bei Ihnen aus? Harder: Das läuft sehr viel über Gespräche. In Kempten ist die Zusammenar­beit mit den anderen christlich­en Kirchen sehr gut. Immer wieder treffen sich die hauptamtli­chen Mitarbeite­r und tauschen sich aus. Da zeigt sich, dass auch andere christlich­e Gemeinscha­ften die gleichen Probleme haben. Ganz persönlich schaue ich immer, dass ich ein gutes Gleichgewi­cht hinbekomme. Ich denke klare Profile und gemeinsame­s Arbeiten schließen sich nicht aus.

 ?? Bild: Sammlung Harder ?? André Harder als Altarhelfe­r in der Kemptener Pfarrkirch­e St. Lorenz, wo er ein zweijährig­es Pastoralpr­aktikum absolviert­e.
Bild: Sammlung Harder André Harder als Altarhelfe­r in der Kemptener Pfarrkirch­e St. Lorenz, wo er ein zweijährig­es Pastoralpr­aktikum absolviert­e.

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