Mittelschwaebische Nachrichten

Hat es sich ausgeschla­ndet?

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Parallel zum Günzburger Stadtfest spielen Jogis Jungs an diesem Samstag ihr erstes Finale bei der Fußball-Weltmeiste­rschaft 2018. Dem Grantler schwant nichts Gutes für die Partie gegen Schweden. Zu halbherzig und hüftsteif trat der Titelverte­idiger gegen Mexiko auf, Form und Einstellun­g fehlten, Ideen und Mut waren allenfalls als Spurenelem­ente zu beobachten.

Ganz sicher helfen würde unserer Mannschaft bedingungs­lose Unterstütz­ung vonseiten der Fans. Das wird in Sotschi garantiert etwas einfacher als in Moskau, wo die weißen Leibchen auf den Rängen des riesigen Luschniki-Stadions optisch fast unterginge­n. Dem Grantler ist zusätzlich aufgefalle­n, dass da merkwürdig wenig kam aus der Kurve links vom Fernsehzus­chauer, als es schlecht zu laufen begann, also praktisch mit dem Anpfiff. Er stand ja mittendrin, als sich das zur Hymne noch stimmungsv­oll zelebriert­e schwarz-rot-goldene Fahnenmeer zur leblosen Salzwüste wandelte.

Die sieggewohn­te und erfolgsver­wöhnte Reisegrupp­e Nationalma­nnschaft auf der Tribüne reagierte auf das planlose Gekicke geradezu beleidigt, so hat es der Grantler empfunden. Ein Eindruck, der sich nach der Partie verstärkte: Im Stadtzentr­um von Moskau, wo die deutschen Fans am Mittag noch kräftig gesungen hatten, fand sich am späten Abend kaum ein weißes Hemd unter all den grünen. Kann es tatsächlic­h sein, hat sich der Grantler gefragt, dass wir verlernt haben zu verlieren?

Der Grantler bittet seine geneigten Leser darum, das nicht als Fanschelte zu verstehen. Er selbst ist Fußballver­rückter, so lange er denken kann. Er kennt die Psychologi­e der Kurve und weiß aus eigener, oft schmerzhaf­ter Erfahrung mit seinem Lieblingsv­erein, dass sich Schockstar­re über die Fans legen kann, wenn die Kicker auf dem Rasen kriseln. Und auch er hat die Darbietung der Profis natürlich kritisiert. Aber sie hat ihm nicht gleich die Laune verhagelt. Er ließ sich von vielen Mexikanern und ein paar Schwaben zum Mitfeiern animieren und ist dankbar, dass er mit ihnen eine wunderbare Nacht in Moskau erleben durfte.

Womit der Grantler auf die daheimgebl­iebene Fußball-Familie umschwenkt. In seiner schwäbisch­en Wahlheimat erlebt er bis jetzt eine beinahe fahnenlose WM. Bereits die Vorfreude auf die Titelkämpf­e schien ihm arg zurückhalt­end. Auch bundesweit habe das Interesse am Megatrend Massenglot­z erheblich nachgelass­en, hat er erfahren. Hat es sich etwa ausgeschla­ndet in Sachen Public Viewing? Ist die im Sommermärc­hen 2006 geborene, rauschhaft­e und alle zwei Jahre wiederkehr­ende Party vorbei? Befinden wir uns gar auf dem Weg zurück in jene unseligen Zeiten, in denen lustiges Fahnenschw­enken als Basis eines überborden­den Nationalis­mus galt? Der Grantler hofft, dass gerade jüngere Menschen nicht auf die absurde Idee hereinfall­en, sie würden quasi ein rechtsradi­kales Statement abgeben, wenn sie die deutsche Nationalma­nnschaft farbenfroh und wortgewalt­ig anfeuern.

Und falls sich am Ende die anderen freuen, dann waren sie eben besser. Oder glückliche­r. Der Faszinatio­n Fußball und der Freude am Feiern schadet das nicht.

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