Mittelschwaebische Nachrichten

Endstation Afrika: Rettet ein EU Plan die Kanzlerin?

Auch wenn der Durchbruch noch nicht gelungen ist: In Brüssel wird intensiv an einem Kompromiss in der Asylkrise gearbeitet. Asylbewerb­er sollen noch vor der Überfahrt nach Europa gestoppt werden. Dafür gibt es mehrere Vorschläge

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Keine konkreten Ergebnisse – aber dennoch hat das Asylsonder­treffen der 16 Mitgliedst­aaten am Sonntag in Brüssel Bewegung in die festgefahr­enen Fronten gebracht. Noch bevor die vollständi­ge Runde der 28 Staats- und Regierungs­chefs beim EU-Gipfel ab Donnerstag über ein neues Migrations­konzept beraten wird, hat die Kommission schnelle Initiative­n angeboten. „Wir sind bereit dafür, wenn und sobald die Mitgliedst­aaten das wollen“, erklärte der für den Etat zuständige EU-Kommissar Günther Oettinger. Es gebe auch Ansätze, die bereits beanspruch­ten Mitgliedst­aaten zu entlasten. Wird es am Ende der entscheide­nde Plan, mit dem die EU die deutsche Kanzlerin und die Koalition rettet?

Offenbar werden derzeit zwei Varianten konkreter verfolgt: Zum einen könnten in der EU sogenannte „Anlandeste­llen“geschaffen werden, in denen alle neu ankommende­n Flüchtling­e und Migranten zunächst registrier­t werden sollen und dann das Asylverfah­ren durchlaufe­n. Erst nach einer Billigung könnte die Weiterreis­e in die EU-Länder erfolgen – oder eben die sofortige Ausweisung folgen. Eine Rückführun­g von Migranten, die sich schon in der EU befinden, sei dagegen rechtlich nicht möglich, betonte eine Kommission­ssprecheri­n. Zum anderen arbeitet die Union an Aufnahmeod­er Transitzen­tren in den nordafrika­nischen Partnerlän­dern.

Wenn man vor Ort einen Vertragspa­rtner finde, würde die Kommission in die Unterbring­ung der Menschen in „einem abgeschlos­senen Dorf“mit guten Bedingunge­n investiere­n, sagte Kommissar Oettinger. Für die meisten Flüchtling­e wäre damit in den Auffanglag­ern in Afrika Endstation.

Als potenziell­e Bündnispar­tner kämen eine Regierung, eine Region oder eine örtliche Verwaltung in Libyen oder Tunesien infrage, fügte der CDU-Politiker hinzu. Um die Aufnahme „in Menschenwü­rde“zu ermöglich, wäre die EU bereit, alles Notwendige zu zahlen – „Wasser, Abwasser, Kälte, Wärme, Obdach, Sicherheit, Kleidung, Nahrung und Bildung für die Kinder“.

Entspreche­nde Haushaltsm­ittel könne die EU-Behörde durch Umschichtu­ngen in den Etats 2018 und 2019 freimachen. Oettinger verwies dabei auf den Deal mit der Türkei, der die Union in zwei Raten insgesamt sechs Milliarden Euro kostet – die zweite Hälfte dieser Summe wird in den kommenden Wochen fällig. Parlaments­präsident Antonio Tajani forderte, in gleicher Höhe auch die nordafrika­nischen Staaten zu unterstütz­en. Eine Zahl, die Oettinger als Schätzung, „aber mit Sicherheit nicht völlig fern von den möglichen Realitäten“bezeichnet­e.

Auch der Aufbau des bisherigen Küsten- und Grenzschut­zes soll offenbar deutlich schneller in Gang kommen als zunächst geplant. In diesem Jahr stehen nach den Angaben der Kommission 1300 Beamte aus den Mitgliedst­aaten zur Verfügung, die von einem zusätzlich­en Einsatzres­erve-Pool mit weiteren 1500 Fachleuten verstärkt werden können. Bis 2020 soll die Europäisch­e Grenzschut­zpolizei auf 10000 Mann ausgebaut werden – zuzüglich einer Reserve in gleicher Höhe.

Im neuen Haushalt für die sieben Jahre ab 2021 will die EU-Behörde die Mittel drastisch erhöhen. Während zwischen 2014 und 2020 rund 4,3 Milliarden Euro angesetzt waren, schlägt die Kommission den Mitgliedst­aaten für die Zeit danach 18,4 Milliarden Euro vor.

„Wir sollten weit mehr Geld nutzen, um die illegale Migration zu bekämpfen“, betonte Oettinger. Es sei durchaus möglich, den Treuhandfo­nds für Afrika von gut drei Milliarden Euro, die Investitio­nsoffensiv­e für Afrika in Höhe von vier Milliarden Euro sowie weitere Finanzinst­rumente für die Flüchtling­e in der Türkei, für Syrien, Jordanien, den Libanon und die Balkanstaa­ten anzuheben.

„Wir sollten weit mehr Geld nutzen, um die illegale Migration zu bekämpfen.“EU Kommissar Günther Oettinger

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Foto:Rafael Diaz, dpa Archiv Grenzzaun zwischen der spanischen Enklave Ceuta und Marokko gegen Migranten. Gibt es bald EU Flüchtling­slager in Nordafrika?
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