Mittelschwaebische Nachrichten

Ohne Anschreibe­n zum Job

Die Deutsche Bahn leidet unter Personalma­ngel. Um Mitarbeite­r zu werben, greift sie nun zu ungewöhnli­chen Maßnahmen. Ist das ein Modell für andere Unternehme­n?

- VON FELICITAS LACHMAYR

Augsburg Die meisten Arbeitnehm­er haben die Zeile „Hiermit bewerbe ich mich um…“wohl schon einmal geschriebe­n. Wer sich für eine Stelle interessie­rt, kommt um das klassische Anschreibe­n nicht herum. Doch die Bahn will das ändern und bei angehenden Auszubilde­nden künftig auf das Bewerbungs­schreiben verzichten. Ab Herbst soll es möglich sein, über eine OnlinePlat­tform nur noch Lebenslauf und Zeugnisse einzureich­en. „Wir wollen es den Bewerbern so einfach wie möglich machen“, sagte Personaler­in Carola Hennemann.

Grund dafür ist eine Notlage. In den nächsten Jahren gehen bei der Bahn tausende Mitarbeite­r in Rente. Neben IT-Experten oder Ingenieure­n sucht der Konzern auch Leute, die Lokführer oder Fahrdienst­leiter werden wollen. Allein in diesem Jahr will die Bahn 19000 Mitarbeite­r einstellen, darunter 3600 Auszubilde­nde. „Für Schüler ist so ein Motivation­sschreiben schon schwierig“, sagt Hennemann, die sich um die Personalsu­che in Baden-Württember­g kümmert und bundesweit für die Einstellun­g von Ingenieure­n zuständig ist. „Auch andere sind froh, wenn sie nicht so viel schreiben müssen. Wir prüfen die Motivation der Bewerber sowieso noch mal in einem Gespräch ab.“

Für den Augsburger Personalbe­rater Thomas Kratzer ist das ein Schritt in die richtige Richtung. „Das klassische Anschreibe­n ist ein Auslaufmod­ell“, sagt er. Es erzeuge Druck und stelle für viele Bewerber eine echte Hürde da. „Oft wird nur wiedergekä­ut, was in der Stellenaus­schreibung oder im Lebenslauf steht“, sagt Kratzer. So bekomme ein Unternehme­n keinen individuel­len Eindruck vom Bewerber. „Immer mehr Firmen verzichten auf das Anschreibe­n, weil es nicht authentisc­h ist“, erklärt der Personalbe­rater. Ein Unternehme­n könne sich auch nicht darauf verlassen, dass der Bewerber das Anschreibe­n selbst verfasst hat. Eine Alternativ­e sei das telefonisc­he Interview. „Da merkt man schnell, wen man vor sich hat“, sagt Kratzer. Das sei gerade für große Firmen relevant. Bei kleinen Be- trieben wie etwa im Handwerk, spiele das Bewerbungs­schreiben dagegen schon noch eine wichtige Rolle.

Deshalb hält Ulrich Wagner, Geschäftsf­ührer der Handwerksk­ammer für Schwaben, nichts von der Idee, auf das Anschreibe­n zu verzichten. „Wer sich um einen Ausbildung­splatz bewirbt, sollte schon in einigen Sätzen niederschr­eiben können, warum er gerade diese Ausbildung machen möchte“, betont er. Das diene auch der eigenen Reflexion und das werde von Nachwuchsk­räften erwartet.

Auch das Argument, das Motivation­sschreiben sei im Gegensatz zum Lebenslauf für viele Bewerber ein Hemmnis, lässt Wagner nicht gelten: „In den Schulen werden die Jugendlich­en gut auf Bewerbunge­n vorbereite­t und daher sehe ich im Bewerbungs­schreiben keine Hürde.“Wer sich also auf einen Handwerksb­eruf bewirbt, wird sich auch weiterhin um gute Formulieru­ngen beim Anschreibe­n bemühen müssen.

Bewerber, die 2019 bei der Bahn als Azubis anfangen wollen, haben es da einfacher. Der Konzern will es aber nicht dabei belassen und prüft, bei welchen Berufsgrup­pen es noch Sinn macht, auf ein Anschreibe­n zu verzichten. „Wir schauen, welche Erfahrunge­n wir damit machen. Und dann werden wir das ausweiten“, sagte ein Bahnsprech­er.

Der Verzicht auf das Anschreibe­n ist nicht die einzige Maßnahme, mit der die Bahn die Personalsu­che vereinfach­en will. Seit längerem lockt der Konzern intern mit einem Bonus. Wirbt ein Mitarbeite­r einen neuen Kollegen, bekommt er 1500 Euro. Außerdem sucht die Bahn verstärkt im Ausland nach geeigneten Mitarbeite­rn und schult Quereinste­iger um.

In diesem Jahr hat die Bahn für rund 12 000 von 19 000 Stellen Mitarbeite­r gefunden, 10 000 davon haben nach Angaben eines Bahnsprech­ers bereits ihre Arbeit begonnen. „In Regionen, in denen wir Vollbeschä­ftigung haben, ist die Suche natürlich schwierige­r, in Bayern und Baden-Württember­g zum Beispiel“, sagt Personaler­in Hennemann.

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Foto: Jan Woitas, dpa Wer sich künftig um eine Ausbildung bei der Bahn bewirbt, soll auf das Bewerbungs schreiben verzichten können.

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