Mittelschwaebische Nachrichten

Stuttgart steht vor Fahrverbot­en

Die grün-schwarze Landesregi­erung geht davon aus, dass die Grenzwerte nur so zu erfüllen sind. Nur der Starttermi­n scheint umstritten

- VON PETER REINHARDT

Stuttgart Auch die baden-württember­gische Landeshaup­tstadt Stuttgart steht wohl vor der Einführung von Fahrverbot­en für ältere DieselFahr­zeuge. In Hamburg gelten bereits Fahrverbot­e auf zwei Straßen und werden kontrollie­rt. Offiziell gilt strengstes Stillschwe­igen vor dem Treffen der grün-schwarzen Koalitions­spitze in Baden-Württember­g am heutigen Dienstag. Dass in Stuttgart ältere Diesel, die nur Euro 3 oder Euro 4 erfüllen, die Rote Karte bekommen werden, ist aber eigentlich ausgemacht. „Da müssen wir uns nichts vormachen: Ohne Verbote sind die Vorgaben der Richter nicht zu erfüllen“, räumt ein Christdemo­krat ein. Aktuell würde das in Stuttgart noch fast 20 000 Besitzer treffen, in der Region mit den vier benachbart­en Kreisen nimmt man an, dass 100000 Diesel höchstens Euro 4 erfüllen.

Ein ganz kleiner Kreis unter Leitung von Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) sucht eine Lösung im Streit um Fahrverbot­e in Stuttgart. Im Zentrum steht die Frage, ob für Dieselauto­s mit Euronorm 5 weiter freie Fahrt möglich ist. „Unser Ziel ist, dass Euro5-Diesel nicht verboten werden“, betont CDU-Fraktionsg­eschäftsfü­hrerin Nicole Razavi.

Das vom Grünen-Politiker Wolfgang Reimer geführte Regierungs­präsidium Stuttgart hat Experten die Wirkung einzelner Maßnahmen untersuche­n lassen. Die Fahrverbot­e bis Euro-4-Diesel bringen danach nur fünf Mikrogramm Minderung beim Stickstoff­dioxid. Würde man die Diesel mit Euro 5 einbeziehe­n, kämen weitere acht Mikrogramm dazu. Aber das träfe fast 30000 Autobesitz­er in Stuttgart zusätzlich. Grünen-Verkehrsmi­nister Winfried Hermann würde gerne das Fahrverbot für diese Autos in ein Gesamtpake­t aufnehmen. „Dann hat man nur einmal den Ärger“, heißt es dazu. Dagegen beharrt CDU-Fraktionsc­hef Wolfgang Reinhart darauf, erst im Sommer 2019 dieses heikle Thema zu entscheide­n.

Insgeheim hat die CDU sich aber in das Unvermeidl­iche schon gefügt. Zuletzt ist die Erneuerung der Flotte rund um Stuttgart schnell vorangekom­men. Die Landesanst­alt für Umweltmess­ungen gibt den Mittelwert für Stickstoff­dioxid im Jahr 2017 mit 73 Mikrogramm je Kubikmeter an. Im Mai 2018 lag dieser noch bei 68,6. Aber erlaubt sind nur 40 Mikrogramm.

Unsicherhe­it herrscht derzeit auch noch über den Starttermi­n der Fahrverbot­e. Berichten zufolge kursiert in der grün-schwarzen Landesregi­erung der 1. Januar nächsten Jahres als möglicher Termin. „Zum 1. Januar 2019 wird es kein Verbot geben“, betont dagegen ein Christdemo­krat. Je später die Verbote kommen, desto weniger Autofahrer wären davon betroffen – umso kleiner der Ärger.

Streit programmie­rt ist auch über Ausnahmen für Anlieger und Handwerker. Die Krux: Je mehr Befreiunge­n von Fahrverbot­en genehmigt werden, desto weniger Wirkung bleibt für die Umwelt. Konsens herrscht über die freie Fahrt für Einsatzfah­rzeuge und Lieferverk­ehr. Doch was ist mit der Hebamme, die in der Umweltzone ein Neugeboren­es betreut, oder dem Anwalt, der ans Gericht muss?

Für Anlieger zeichnet sich eher eine restriktiv­e Linie ab. Nachgedach­t wird über eine Sozialklau­sel: Wer es sich nicht leisten kann, darf seinen alten Diesel behalten.

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Foto: Bodo Marks, dpa In Hamburg gelten sie schon: Fahrverbo te für ältere Diesel.

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