Mittelschwaebische Nachrichten

Klassik Radio macht Spotify Konkurrenz

Der Augsburger Sender setzt voll auf seinen neuen Streaming-Dienst und investiert viel Geld in das Projekt. Das bekommen auch die Aktionäre zu spüren

- VON SARAH SCHIERACK

Augsburg Manche Rekorde haben keine allzu lange Halbwertsz­eit. Vor einem Jahr stand Ulrich Kubak im Augsburger Hotelturm und verkündete das beste Ergebnis, das Klassik Radio je erwirtscha­ftet hat. Ein Jahr später hat sich das schon wieder relativier­t. Auf der diesjährig­en Hauptversa­mmlung des Radiosende­rs konnte der Vorstandsc­hef schon wieder einen neuen Rekord melden. Der Umsatz kletterte 2017 um etwa 800 000 Euro auf rund 14,2 Millionen Euro. Unterm Strich erwirtscha­ftete das Unternehme­n allerdings mit 1,2 Millionen Euro etwa eine halbe Million Euro weniger als im Vorjahr.

Das liegt vor allem an einem neuen Projekt des Senders, der seinen Verwaltung­ssitz in Augsburg hat und seit gut zwei Jahren auch einen Teil des Programms aus seinen Räumlichke­iten im 35. Stock des Hotelturms sendet. Eine Million Euro hat das Unternehme­n bisher in den Aufbau von „Klassik Radio Select“gesteckt, einen StreamingD­ienst, der ähnlich wie Spotify rund um die Uhr eine große Auswahl an Musik bietet. Die Hörer können aus über 100 Sendern mit klassische­r Musik wählen, die nach Themen zusammenge­stellt oder von Stars wie Tenor Rolando Villazón oder Geiger André Rieu kuratiert werden.

Vorstandsc­hef Kubak spricht von einer „großen, neuen Unternehme­nschance“. Bisher sei das Streamen von klassische­r Musik noch eine Nische, die große Anbieter wie Spotify oder Apple Music nach Meinung des Medienunte­rnehmers „noch nicht gut bedienen“. Da klassische Musik anders als andere Gen- res länderüber­greifend identisch konsumiert werde, könne der neue Dienst Klassik Radio weltweit zu einem Vorreiter machen – und den Unternehme­nswert deutlich steigern, glaubt der Vorstandsc­hef. Schon zum Start von „Select“im Dezember 2017 kletterte die Klassik-Radio-Aktie zwischenze­itlich bis auf rund 10,70 Euro – und verdoppelt­e ihren Wert damit innerhalb eines Jahres. In den vergangene­n Monaten hat sich der Kurs zwischen sieben und acht Euro eingepende­lt.

Um das Streaming-Portal weiter auszubauen, zahlt Klassik Radio in diesem Jahr keine Dividende. Die Gewinne sollen direkt in das neue Projekt fließen. Kubak, der selbst gut 70 Prozent der Aktien hält, warb bei den Anlegern um Verständni­s. Er hätte sich auch über das Geld auf dem Konto gefreut, sagte der Medienunte­rnehmer. Aber die langfristi­ge Investitio­n bringe mehr „als eine kurzfristi­ge Dividende“. Aktionärss­chützer Sören Merkel von der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz zeigte Verständni­s für den Schritt. Zwar sei die ausbleiben­de Dividende „ein Wermutstro­pfen“. Den Weg, den Klassik Radio beschreite­n will, halte er allerdings für sinnvoll.

Radio-Chef Kubak hofft, dass bis Jahresende mindestens 5000 Kunden den Streaming-Dienst nutzen werden, der sowohl in einer kostenpfli­chtigen Version als auch in einer Gratis-Variante mit Werbung abonniert werden kann. Zum Vergleich: Den Radiosende­r hören täglich bis zu zwei Millionen Menschen – auch das ist ein neuer Rekordwert. Die Reichweite des Senders erhöhte sich zuletzt um ganze 36 Prozent.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Ein Anblick, den wohl die meisten Augsburger schon einmal gesehen haben: Klassik Radio sendet aus dem 35. Stock des Hotelturms.
Foto: Ulrich Wagner Ein Anblick, den wohl die meisten Augsburger schon einmal gesehen haben: Klassik Radio sendet aus dem 35. Stock des Hotelturms.

Newspapers in German

Newspapers from Germany