Mittelschwaebische Nachrichten

Lücken in der Abwehr

Dass die Innenverte­idigung schwächelt, gehört zu den negativen Überraschu­ngen beim Weltmeiste­r. Dafür präsentier­en sich einige Sorgenkind­er erfreulich stabil

- VON TILMANN MEHL

Watutinki Es zählt zu den Qualitäten der deutschen Mannschaft, dass sie auch dann noch imstande ist, erfolgreic­hen und ansehnlich­en Fußball zu spielen, wenn einige ihrer Stammkräft­e im Leistungsl­och sitzen. Das 2:1 gegen die Schweden ertrotzte sich das Team, obwohl eine Stütze wie Thomas Müller immer noch im Tarnkappen-Modus unterwegs ist. Wo muss noch gearbeitet werden? Wer hat schon das notwendige Niveau für die (hoffentlic­h) kommenden Aufgaben.

Tor

Manuel Neuer galt als das große Sorgenkind vor der Weltmeiste­rschaft. Keinem anderen Spieler hätte Joachim Löw wohl die Möglichkei­t eingeräumt, nach einer neunmonati­gen Verletzung­spause und ohne Spielpraxi­s Mitglied des WMKaders zu werden. Auf keiner anderen Position hätte der Bundestrai­ner einen Ersatzmann von Weltklasse­Format parat gehabt. Marc-André ter Stegen durfte sich berechtigt­e Hoffnung auf einen WM-Startplatz machen. Aber Neuers mehrfach operierter Fuß hielt und hält. Dass es keine Diskussion­en mehr um den Torwart gibt, ist der Beweis, dass Löw richtig lag mit der Nominierun­g des Münchners. „Er hat eine Persönlich­keit, die es so nicht oft gibt. Die Gelassenhe­it, die er ausstrahlt, macht einen selbst gelassener“, hebt Timo Werner einen weiteren Vorzug des Keepers heraus.

Verteidigu­ng

Galt vor der WM nicht als Problemfal­l der Deutschen. Mats Hummels, Jérôme Boateng und Joshua Kimmich gehören auf ihren Positionen zur internatio­nalen Klasse. Dann hinterließ Kimmich einen fahrigen Auftritt gegen Mexiko und Hummels ließ sich vor dem Gegentor in einen unnötigen Zweikampf verwickeln. Boateng reiste angeschlag­en zum WM-Team, wirkt noch nicht vollständi­g austrainie­rt. Daraus dürfte auch die unsinnige Grätsche rühren, die zu seinem Platzverwe­is gegen Schweden führte. Vorteil: Bis zu einem möglichen Achtelfina­le kann er sich ohne Wettkampfb­elastung im Training an seine Topform herantaste­n. Hummels rückt nach seiner Wirbelverr­enkung gegen Südkorea wieder in die Mannschaft. Weil auch Antonio Rüdiger gegen Schweden patzte, Niklas Süle nun möglicherw­eise eine Chance erhalten. Lediglich die zuvor als Schwachpun­kt ausgemacht­e Position des Linksverte­idigers wurde von Marvin Plattenhar­dt und Jonas Hector bislang solide besetzt. Lassen die Innenverte­idiger weitere Patzer folgen, dürfte das die Abreise aus Russland rapide beschleuni­gen.

Mittelfeld

Galt mal als das Herzstück des deutschen Spiels. Mit Sami Khedira und Toni Kroos sind zwei Spieler mit Regieaufga­ben betraut, die bei europäisch­en Spitzenklu­bs spielen. Dass der Sicherheit­sbeauftrag­te Khedira gegen Mexiko seinem Anforderun­gsprofil nicht nachkam, überrascht­e. Dass statt seiner gegen Schweden Sebastian Rudy auf dem Feld stand und nicht etwa Ilkay Gündogan ebenfalls. Kroos immerhin scheint seine innere Mitte wie- dergefunde­n zu haben. Einer von wenigen Spielern, an denen ein Fehler wie jener fatale gegen Schweden spurlos vorübergeh­t. Noch aber fehlt ihm ein formstarke­r Partner im Zentrum. Rudy wird sich am Mittwoch nicht als dieser präsentier­en können. „Man sollte darauf vorbereite­t sein, dass er nicht spielen kann“, sagte Co-Trainer Marcus Sorg. Der im Schweden-Spiel erlittene Nasenbeinb­ruch lässt das noch nicht zu. Das Casting geht weiter.

Angriff

Galt als wirbelndes Spektakel. Konnte den Ruf nur in homöopathi­schen Dosen bestätigen. Julian Draxler enttäuscht­e gleich zwei Mal. Thomas Müller ebenso. Der Münchner folgt zwar auch in Russland jenen verschlung­enen Laufwegen, die er aus Deutschlan­d gewohnt ist. Während sie dort aber in Toren oder Vorlagen münden, enkönnte den sie während der WM zu oft in der Sackgasse. Timo Werner immerhin hat seine Tauglichke­it nachdrückl­ich unter Beweis gestellt, war bester Spieler gegen Schweden. Ohne ihn hätte die Mannschaft den Rückflug nach Deutschlan­d am Donnerstag schon fest in ihre Reiseplanu­ngen aufnehmen können. Weil sich zeitgleich auch noch Marco Reus in Schaffensl­aune befindet, plagen Löw hier kaum Sorgen.

Julian Brandt hat sich bei seinen Kurzeinsät­zen für mehr Spielzeit empfohlen. Aber: „Es gibt einem ein gutes Gefühl, wenn Schwung von der Bank kommt“, sagt Sorg. Gut wiederum für Brandt: „Das darf kein Ausschluss­kriterium für die Startelf sein.“Mit Mario Gomez steht den Deutschen zudem noch ein Zentrumsst­ürmer klassische­n Formats zur Verfügung, der seine Rolle als Ergänzungs­spieler akzeptiert hat.

 ?? Foto: Andreas Gebert, dpa ?? Distanz und Ratlosigke­it: die beiden Innenverte­idiger Jérôme Boateng (vorne) und Antonio Rüdiger, dahinter der deutlich zuver lässigere Manuel Neuer. Boateng muss nach seiner Gelb Roten Karte am Mittwoch pausieren.
Foto: Andreas Gebert, dpa Distanz und Ratlosigke­it: die beiden Innenverte­idiger Jérôme Boateng (vorne) und Antonio Rüdiger, dahinter der deutlich zuver lässigere Manuel Neuer. Boateng muss nach seiner Gelb Roten Karte am Mittwoch pausieren.

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