Mittelschwaebische Nachrichten

Jogis Problemfäl­le

Ein Quartett, das hinter den Erwartunge­n zurückgebl­ieben ist. Jeder Einzelne aus einem anderen Grund

- VON TILMANN MEHL

Watutinki Der erste Schritt, um ein Problem zu beheben, ist, das Problem zu erkennen. Das immerhin ist der deutschen Mannschaft schon mal gelungen. Wie es allerdings zu lösen ist, wissen nicht einmal ausgewiese­ne Kenner der Materie. Thomas Müller fasst es so zusammen: „Es gibt keine Übung, mit der man Leichtigke­it trainieren kann.“

Fehlende Leichtigke­it ist es nun aber, die einige vormals als unverzicht­bar gehandelte Akteure daran hindert, das deutsche Spiel zu beleben. So unterschie­dlich die Zutaten sind, mit denen Ilkay Gündogan, Mesut Özil und eben Müller eine Partie würzen können, unabdingba­r für das Trio ist die Leichtigke­it des Seins.

Je verkrampft­er die Suche danach verläuft, desto vehementer weigert sie sich zurückzuke­hren. Müller läuft und arbeitet wie auch während der vergangene­n beiden Weltmeiste­rschaften. Wo er aber sonst scheinbar zufällig dort stand, wohin der Torwart den Ball abprallen ließ oder ihn eine verunglück­te Flanke glücklich vor die Füße fiel, fehlt ihm nun das Gespür.

Özil wiederum setzen die Nachwehen der Erdogan-Affäre zu. Zudem behinderte­n ihn zuletzt Rückenund Knieproble­me. So fehlte ihm gegen Mexiko neben der mentalen Frische auch die absolute Fitness. Weil er in diesem Zustand aber kein Gewinn für Mannschaft ist, verzichtet­e Bundestrai­ner Joachim Löw gegen Schweden auf ihn.

Seinem Körper dürfte die Pause gutgetan haben. Wie aber der Kopf darauf reagiert, ist fraglich. Der Mittelfeld­spieler weigert sich weiterhin beharrlich, den Medien Auskunft zu geben. Seitdem er sich mit Erdogan fotografie­ren ließ, wurde lediglich ein offizielle­s Statement des 29-Jährigen veröffentl­icht. Er selbst geht wortlos an Journalist­en vorbei, wird vom DFB auch nicht auf Pressekonf­erenzen präsentier­t. Gündogan schließlic­h erhielt gegen Schweden unverhofft die Möglichkei­t, in der Stammelf zu spielen – ließ sie aber verstreich­en. Es war ein solider Auftritt, jedoch keiner, der ihn unverzicht­bar erscheinen lässt. Auch ihm sind die Nachwirkun­gen der Erdogan-Affäre anzumerken.

Anders verhält es sich bei Sami Khedira, dessen Spiel von jeher eher von Energie denn von Leichtigke­it geprägt ist. Im ersten WM-Spiel aber lenkte er diese Energie in die falschen Bahnen. Statt zusammen mit Kroos das schwankend­e Spiel zu stabilisie­ren, wollte er gleichzeit­ig lenken und rudern. Er rannte mit dem Ball in Lücken, die sich zu schnell wieder schlossen. Logisches Resultat waren Löcher in der deutschen Defensive, die er nicht mehr stopfen konnte.

Löw allerdings ist bekannt dafür, seine Spieler auch nach schwächere­n Leistungen nicht mit sofortigem Vertrauens­entzug zu bestrafen. Als solcher ist auch die Maßnahme nicht zu verstehen, Khedira und Özil auf die Bank zu setzen. Es war lediglich eine sportliche Entscheidu­ng. Eine, die auch wieder rückgängig gemacht werden kann. „Die Reaktionen der beiden gestern im Training waren super. Nur weil sie jetzt eine Partie auf der Bank saßen, bedeutet das noch gar nichts. Das Turnier ist noch lang“, so Co-Trainer Marcus Sorg.

Zuspruch erhält Özil auch von Marco Reus: „Er ist einer der besten Spieler der Welt. Ich bin davon überzeugt, dass wir ihn in diesem Turnier noch brauchen werden.“Vielleicht schon gegen Südkorea. Vielleicht mit altbekannt­er Leichtigke­it. Manchmal nämlich kehrt die einfach zurück. Dann, wenn am wenigsten damit zu rechnen ist.

 ??  ?? Mesut Özil
Mesut Özil
 ??  ?? Ilkay Gündogan
Ilkay Gündogan
 ??  ?? Sami Khedira
Sami Khedira
 ??  ?? Thomas Müller
Thomas Müller

Newspapers in German

Newspapers from Germany