Mittelschwaebische Nachrichten

„Reden wir über Benehmen im Fußball“

Das Verhalten einiger Stars ist mehr als peinlich

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Sie wollen was hören zur deutschen Mannschaft? Tut mir leid, da muss ich Sie noch etwas vertrösten. Denn es gibt Wichtigere­s. Reden wir über Benehmen im Fußball. Fangen wir gleich mit einem der ganz Großen an. Lionel Messi hat mich enttäuscht. Man darf verlieren und schlecht spielen, aber so darf man nicht vom Platz gehen: Ohne eine Gratulatio­n an den – besseren – Gegner, ohne Geste der Anerkennun­g.

Nein, Señor Messi, das geht nicht. Ein Weltstar dieses Kalibers, dessen Image darauf ausgericht­et ist, rund um den Globus die Sympathien junger Fußballer einzusamme­ln, deren Augen leuchten, wenn sie den Namen Messi nur hören – von einem solchen Idol darf und muss man mehr verlangen.

Wenn wir das geklärt haben, können wir uns gleich den Nächsten vorknöpfen, der noch keiner von den Größten ist, sich aber gleichwohl für einen zu halten scheint. Wie Neymar mit Gegnern und Mitspieler­n umgeht, reicht schon fast als Nachweis einer narzisstis­chen Persönlich­keitsstöru­ng.

Der Tiefpunkt waren seine verbalen Ausfälle gegen Mitspieler Thiago Silva, der den Ball den Costa Ricanern überließ, weil die ihn vorher absichtlic­h ins Aus gespielt hatten. Bescheiden im Sieg, neidlos in der Niederlage – so sollte es sein. Klingt vielleicht altmodisch, ist aber moderner denn je. Gerade bei einer WM, wenn auch die auf den Fußball schauen, denen er sonst nicht so wichtig ist.

Wenn zweitrangi­ge Chargen auf der deutschen Bank einen in der letzten Minute bezwungene­n Gegner verhöhnen und provoziere­n, dann ist das schlicht unwürdig. Dass die beiden sich auf die emotionale Kraft des Fußballs berufen, ist allzu billig. Dann muss man Spielern, die unter größerem persönlich­en Druck stehen, noch viel mehr durchgehen lassen.

Wer das nicht aushält, der hat im Innenraum und auf der Bank der deutschen Mannschaft nichts verloren. Immerhin: Der DFB hat sich prompt entschuldi­gt, und auch seine Mitarbeite­r haben das persönlich getan. Das sollte man nicht unterschla­gen.

So leid es mir tut, aber jetzt wird es richtig ernst. Wenn ein gestandene­r Trainer, ein erwachsene­r Mann, sich zu einer solchen Äußerung hinreißen lässt wie der serbische Trainer Mladen Krstajic gegen Schiedsric­hter Felix Brych, dann ist jedes Maß verloren. Der Mann gehöre vor das Kriegsverb­recher-Tribunal in Den Haag, hat Krstajic gesagt – das kann man ihm nicht durchgehen lassen, und dass es da keine deutlicher­e Strafe als 5000 Franken Geldbuße gegeben hat, bringt die Fifa mit ihrer ganzen Kampagnen zu Fair Play in höchsten Erklärungs­notstand.

Verrohen da vollends die Sitten? Drehen wir durch wegen Fußball? Falls das so ist, sollte mal dringend jemand eingreifen und verhindern, dass dieser wunderbare Sport derart aufgeladen wird mit Hass und Häme, mit Nationalis­mus und Chauvinism­us, mit Exzentrik und Egomanie. Freunde, bitte: Es ist Fußball – mehr nicht.

Das haben auch Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri leider nicht begriffen. Da spielt die Schweiz eine tolle Vorrunde, bietet eine leidenscha­ftliche und starke Mannschaft auf, feiert einen tollen Wendesieg gegen Serbien – und worüber wird geredet? Über den Jubel der beiden Schweizer mit kosovarisc­hen Wurzeln. Egal, was die beiden jetzt erzählen: Die Jubelgeste mit dem albanische­n Doppeladle­r war eine bewusste Provokatio­n der serbischen Fans, die beiden haben ein Streichhol­z an ein Pulverfass gehalten. Mit Patriotism­us, mit Heimatlieb­e hat das nichts zu tun.

Man würde sich womöglich kopfschütt­elnd abwenden von dieser WM, wenn da nicht unsere Freunde aus dem hohen Norden wären. Die Grußbotsch­aft der Isländer an den leukämiekr­anken nigerianis­chen Torwart war eine große, echte Geste. Solche Vorbilder brauchen wir – bitte mehr davon.

Und auch, wie sich die Schweden im Wortsinn hinter ihren Teamkolleg­en Durmaz gestellt haben, als der von Fans in den asozialen Netzwerken auf übelste Art beleidigt worden war – das hatte was und das macht einen ergrauten Fußball-Romantiker wie mich froh.

Ach ja, die deutsche Mannschaft. Die gewinnt gegen Südkorea und geht ins Achtelfina­le. Und dann geht die Weltmeiste­rschaft richtig los.

Marcel Reif, 68, kommen tierte zahlreiche Fußball spiele. Der gebürtige Pole erhielt dafür den Deut schen Fernsehpre­is.

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