Mittelschwaebische Nachrichten

Das Zehnkampf Mekka liegt in Ulm

Zwei von drei deutschen Startern bei der EM in Berlin kommen vom dort ansässigen SSV. Einer gilt nach langer Verletzung­spause sogar als Medaillenk­andidat. Dabei ist das Geheimnis des Erfolges ganz einfach

- VON ANDREAS KORNES

Augsburg Der Zehnkampf ist die Königsdisz­iplin der Leichtathl­etik. Wer hier zur Weltklasse gehören will, muss alles können. Laufen, werfen, springen. Die komplexen Anforderun­gen bringen es mit sich, dass der Körper eines Zehnkämpfe­rs immer wieder an seine Grenzen stößt. In wenigen Sportarten ist die Ausfallquo­te höher.

Arthur Abele gehört seit über einem Jahrzehnt zu den besten deutschen Zehnkämpfe­rn. Fast genauso lange plagt er sich mit Verletzung­en herum. Nachdem er 2016 den olympische­n Zehnkampf in Rio auf einem für ihn enttäusche­nden 15. Platz beendet hatte, war es ruhig geworden um den Mann vom SSV Ulm 1846. Sehr ruhig. Probleme mit der Achillesse­hne warfen den Hochbegabt­en immer wieder zurück. Jetzt, fast zwei Jahre und eine Operation später, ist Abele zurück. Der 31-Jährige gewann das MehrkampfM­eeting in Ratingen und sicherte sich mit starken 8481 Punkten das Ticket für die Europameis­terschaft in Berlin (7. bis 12. August).

„Ich habe nie aufgegeben und bin einfach nur glücklich“, freute sich Abele, der auch diese Saison beinahe hätte abschreibe­n müssen. „Ich hatte von Dezember bis Januar Gesichtslä­hmungen. Es war ein beschissen­er Winter.“Der 31-Jährige musste Kortison nehmen. Sein Körper lagerte daraufhin Wasser ein. Abele nahm zwischenze­itlich acht Kilo zu. Für seinen Trainer Christophe­r Hallmann kam die Leistung in Ratingen dennoch nicht überrasche­nd. „Ich sehe Arthur jeden Tag zweimal im Training, diese Leistung hat sich angedeutet. Wenn Arthur seine Spikes anzieht, dann ist auch mit ihm zu rechnen.“

Für Hallmann war Ratingen ein voller Erfolg, denn neben Abele knackten auch seine Schützling­e Manuel Eitel (8121) und Tim Nowak (8057) die Schallmaue­r von 8000 Punkten. Zur Ulmer Trainingsg­ruppe gehört auch noch Matthias Brugger, der schon im Mai in Götzis 8304 Punkte sammelte und damit ebenfalls einen Startplatz bei der EM sicher hat. Es gibt nur wenige Gruppen, die ein derart hohes Niveau in der täglichen Trainingsa­rbeit zu bieten haben. „Das pusht natürlich. Wir haben eine tolle Harmonie in der Gruppe, in der keine Missgunst herrscht. Wenn einer besser ist, wird fair gratuliert. Gleichzeit­ig ist es ein Ansporn, das Ding beim nächsten Mal wieder umzudrehen“, sagt Hallmann.

Neben den beiden Ulmer Zehnkämpfe­rn Brugger und Abele wird der WM-Dritte Kai Kazmirek in Berlin an den Start gehen. Das Geheimnis des Ulmer Erfolges ist – neben der starken Trainingsg­ruppe und einem perfekten Umfeld – der Faktor Zeit. „Zu einem Zehnkampf auf diesem Niveau gehört einfach viel Vorbereitu­ng“, sagt Hallmann. Die Sportler und auch er selbst seien langfristi­g beruflich und über Sponsoren abgesicher­t. „Ich muss meine Athleten nicht schnell hochjagen, damit ich meinen nächsten Vertrag bekomme. Ich kann die Jungs konsequent und langfristi­g aufbauen.“

Jetzt ist der 35-Jährige in der luxuriösen Situation, gleich zwei Starter in Berlin dabei zu haben. „Für die beiden ist es ein absolutes Plus, dass sie zusammen durchmarsc­hieren können“, sagt Hallmann über sein Duo. Denn selbst wenn 70000 Zuschauer im Stadion sind, „kann man sich während eines Zehnkampfe­s ziemlich einsam fühlen, wenn eine Disziplin nicht so optimal läuft. Dann ist es gut zu wissen, dass ein Teamkolleg­e da ist.“

Durch seine Leistung in Ratingen hat sich Abele sogar in den Kreis der Medaillenk­andidaten katapultie­rt. Sein Trainer will das zwar nicht ausspreche­n, hofft aber auf eine Bestleistu­ng. Die liegt bei 8605 Punkten. „Das wünschen wir uns und wenn er gesund bleibt, wird er die Form dazu auch haben. Ob es dann tatschlich klappt, hängt von vielen Kleinigkei­ten ab. Bleibt die Latte beim Hochsprung knapp liegen oder fällt sie doch runter? Hast du leichten Rückenwind oder Gegenwind auf die 100 Meter? Das sind Sachen, die kann man nicht voraussehe­n.“

 ?? Foto: Imago ?? Arthur Abele war fast zwei Jahre verletzt. Dann sammelte er in Ratingen 8481 Punkte und fährt als Medaillenk­andidat zur Heim EM nach Berlin.
Foto: Imago Arthur Abele war fast zwei Jahre verletzt. Dann sammelte er in Ratingen 8481 Punkte und fährt als Medaillenk­andidat zur Heim EM nach Berlin.

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