Mittelschwaebische Nachrichten
Theorie wacker – Radeln wackelig
In der vierten Klasse lernen Schüler, wie sie sich als Fahrradfahrer richtig verhalten. Warum viele Kinder die praktische Fahrradprüfung nicht mehr bestehen und wie Eltern sie unterstützen können
Augsburg Sofort die Nachfrage: „Hast du geschaut, ob jemand kommt?“Und dann der Hinweis: „Schön auf der rechten Seite fahren.“Nein, hier handelt es sich nicht um eine Autofahrstunde, sondern um die praktische Fahrradausbildung. Auf einem Übungsplatz dirigieren die Polizeibeamten Angelika Czerny und Bernhard Framberger die rund 20 Grundschüler durch die Straßen. Mal stimmt ein Abstand zwischen zwei Fahrrädern nicht, in einem anderen Fall vergisst ein Mädchen den Schulterblick.
Jeder Schüler absolviert in der vierten Klasse die Fahrradausbildung. In theoretischen und praktischen Einheiten lernen sie das richtige Verhalten im Straßenverkehr. Zum Schluss gibt es sowohl eine theoretische als auch eine praktische Prüfung und – bei Bestehen – den Fahrradführerschein. Die beiden Polizeibeamten unterrichten seit über 15 Jahren Grundschüler.
Die heutige Schulklasse ist zum ersten Mal auf dem Übungsplatz. Deshalb erarbeiten Czerny und Framberger zusammen mit den Fahrradanfängern zunächst die Grundlagen. Die Schüler erfahren unter anderem, dass sie immer drei Fahrradlängen Abstand zum Verkehrsteilnehmer vor ihnen einhalten sollen. Auch die Handzeichen sind wichtig. „Das ist wie der Blinker beim Auto“, weiß ein Schüler.
Anschließend dürfen sie ihre ersten Runden auf dem Übungsplatz drehen. Routiniert steigen die Kinder auf ihr Rad, kontrollieren, ob kein Gegenverkehr kommt und fahren los. Das ist nicht bei jeder Klasse der Fall. „Immer mehr Schüler haben motorische Probleme“, sagt Czerny. Einige können nur schlecht oder gar nicht Fahrrad fahren. Es fängt laut Framberger schon bei der richtigen Pedalstellung beim Losfahren an. Czerny erklärt, dass die Eltern früher an den Wochenenden mit den Kindern Fahrradausflüge unternommen haben. „Heutzutage wird dagegen vom Elternhaus immer weniger Wert auf Fahrradfahren gelegt“, sagt die Polizeihauptkommissarin. Es komme deshalb vor, dass die Lehrkraft abseits des Übungsplatzes einzelnen Schülern das Radfahren erst beibringen muss.
Viele Grundschüler, die zu Beginn der praktischen Fahrradausbildung nicht Rad fahren können, verbessern sich zwar im Laufe der Einheiten, fallen aber oft durch die Prüfung. „Sie beherrschen die Verkehrsregeln theoretisch, können sie aber praktisch nicht umsetzen, weil sie sich zu sehr aufs Fahrradfahren konzentrieren müssen“, sagt Framberger. Einige seien noch zu wackelig unterwegs. Außerdem fehlen oft Grundvoraussetzungen, zum Beispiel kurzzeitig mit einer Hand fahren zu können.
Für Kinder, die die Fahrradprüfung nicht bestehen, bietet die Polizei ein Ferienprogramm an. Dort können sie den Test wiederholen. Aber auch an diesem Termin werde nicht das Fahren an sich geübt, betont Czerny.
Auf dem Übungsplatz haben die Kinder in der Zwischenzeit ihre ersten Runden gedreht. Nun lernen sie, wie sie einen Radweg verlassen: Schulterblick, Handzeichen geben, zweiter Blick nach hinten und wenn die Straße frei ist, den Radweg verlassen. In den weiteren praktischen Einheiten üben die Grundschüler außerdem das Vorbeifahren an einem Hindernis, die Regeln zur Vorfahrt und das Linksabbiegen. Die Theorie erarbeiten sie in der Schule.
Die Fahrradausbildung ist laut Czerny jedoch nicht mit dem Fahrradführerschein beendet. Wie beim Autofahren sei auch beim Rad eines sehr wichtig: viel Übung.