Mittelschwaebische Nachrichten

Lesepaten helfen bei der richtigen Aussprache

Grundschül­er lesen immer schlechter. Welche Erfahrunge­n eine Augsburger­in gemacht hat

- VON ANJA RINGEL

Augsburg Konzentrie­rt beugt sich Elisabeth Graby über eine Lesefibel. Arbeitet sich zusammen mit ihrem Schützling, einem Viertkläss­ler, Zeile für Zeile durch einen Text. Während der Schüler vorliest, deutet die Seniorin auf das jeweilige Wort. Spricht er einen Begriff falsch aus, unterbrich­t sie ihn. „Was ist das für ein Buchstabe?“, fragt sie ihn. Auf die Lösung soll der Viertkläss­ler selbst kommen. Erst als der dritte Versuch auch falsch ist, hilft sie ihm.

Graby ist eine von über 200 Freiwillig­en in Augsburg, die sich als Lesepaten um Schüler kümmern, die eine individuel­le Unterstütz­ung benötigen, für die die Lehrkräfte oft keine Zeit haben. Claudia Seitz vom Freiwillig­en-Zentrum erklärt, dass die Freiwillig­en an allen Augsburger Grundschul­en und einigen Kindertage­sstätten im Einsatz sind. Demnächst werden sie auch an Berufsschu­len mithelfen. Das Freiwillig­en-Zentrum vermittelt seit 2004 Lesepaten. Seitz erklärt, dass die Freiwillig­en Lesefreude wecken und die Lesekompet­enz stärken sollen.

Graby ist dreimal in der Woche an zwei Grundschul­en in der Augsburger Innenstadt im Einsatz. Neben Lesen unterstütz­t die Seniorin die Schüler zum Beispiel auch beim Schreibenl­ernen und bringt ihnen bei, wie sie die Uhrzeit ablesen. „Ich spreche mich vor der Stunde immer mit der Lehrkraft ab“, sagt sie. Diese erkläre ihr, was geübt werden soll und gibt ihr entspreche­ndes Material. Die Lesefibel könne sie inzwischen fast auswendig, erzählt Graby und lacht.

Heute liest sie zusammen mit ihrem Schüler die Texte zum Thema Sommer. Der Viertkläss­ler war vorher in einer Übergangsk­lasse, in der Kinder mit Migrations­hintergrun­d in der deutschen Sprache gefördert werden. Der Bub hat weiterhin Probleme, Texte auf Deutsch zu lesen. Graby achtet bei ihm besonders darauf, dass er die Endungen der Wörter korrekt und deutlich ausspricht. „Sonst macht er bei Diktaten sehr viele Fehler“, sagt sie.

Die Augsburger­in ist seit fast zehn Jahren Lesepatin. „Kinder sind unsere Zukunft, die muss man fördern“, erklärt sie. Der Beginn eines Schuljahre­s ist für die Seniorin immer sehr spannend. Sie wisse nie, welche Charaktere sie erwarteten. Manche Schüler seien unruhig, andere schüchtern. Einige lernen schnell, andere brauchen etwas mehr Zeit. In den vergangene­n Jahren bemerkte Graby, dass die Grundschül­er immer schlechter lesen können. „Die Eltern lesen mit ihren Kindern immer weniger.“Es sei außerdem erschrecke­nd, dass viele nach dem Lesen nicht wüssten, wovon der Text handelt. Viele haben zudem Schwierigk­eiten, „ie“und „ei“zu unterschei­den.

Mit ihren Schützling­en baut die Augsburger­in oft ein Vertrauens­verhältnis auf, sodass sie ihr manchmal auch erzählen, was gerade zu Hause passiert oder wie es ihnen in der Schule geht. Es sei ein stilles Abkommen, dass sie einfach zuhört, sagt Graby.

Viele Erziehungs­berechtigt­e wissen laut Graby nicht, dass sie und die anderen Freiwillig­en kein Geld für ihr Engagement erhalten. Für viele seien die Stunden mit den Lesepaten schon selbstvers­tändlich . „Das sind sie aber nicht“, stellt die Augsburger­in klar. Sie erklärt aber auch, dass sie sich nicht engagiert, um Anerkennun­g zu erhalten, sondern um den Kindern zu helfen. Deshalb reiche es ihr schon, wenn ihre Schüler sie auf der Straße erkennen und grüßen.

Mit ihrem heutigen Schützling hat Graby inzwischen einige Texte gelesen und übt nun Vokabeln. Dafür deutet sie auf Zeichnunge­n verschiede­ner Tiere und fragt, wie diese auf Deutsch heißen. Ziege und Kuh kann der Viertkläss­ler sofort benennen. Dass die Katze miaut und der Hund bellt muss ihm seine Lesepatin jedoch erst beibringen.

Obwohl ihre Arbeit manchmal nicht einfach ist, hat Graby viel Spaß. Deshalb möchte sie auch in den kommenden Jahren weiter als Lesepatin aktiv sein. „Es wird nie eintönig und es ist immer was los“, erklärt sie.

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Foto: Anja Ringel Elisabeth Graby übt seit knapp zehn Jahren das Lesen mit Kindern an zwei Augsbur ger Grundschul­en.

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