Mittelschwaebische Nachrichten
Wenn das Klassenzimmer zur WM Tribüne wird
Bis in die 60er und 70er Jahre hatte fast jeder Ort im Landkreis seine Volksschule. Was aus den alten Schulgebäuden geworden ist und warum die Umgestaltung ganze Gemeinden beschäftigt hat
Landkreis Die Lehrer der damaligen Gundremminger Volksschule hätten große Augen gemacht: Eines der Klassenzimmer ziert eine zehn Meter lange Bar, im anderen ist sogar eine Fußballtribüne aus Polstersesseln vor einer großen Leinwand aufgebaut. An der Vorderseite des Schulgebäudes hängt eine überdimensionale Deutschlandfahne und im Garten dreht sich am Grill ein Spanferkel. So lässt es sich in bei den WM-Spielen wahrlich gut leben.
Noch bis in die 60er, 70er Jahre hatte nahezu jeder Ort seine Volksschule. Nach acht Schuljahren erhielt man dort seinen Abschluss, sofern man nicht vorher an eine Realschule oder an ein Gymnasium gewechselt war. Dass mehrere Klassen von einem Lehrer gleichzeitig und in einem Raum unterrichtet wurden, war normal. Dies änderte sich mit dem Volksschulgesetz und der Schulreform: Aus den achtklassigen Volksschulen wurden vierklassige Grund- und fünfklassige Hauptschulen, die sich in größeren Orten befanden. Nach und nach wurden viele der alten Schulen geschlossen.
Doch zurück nach Gundremmingen. Die dortige Volksschule hatte vier Klassenzimmer, unterrichtet wurde auch dort von der ersten bis
Ein Gebäude war bereits zum Abriss freigegeben
zur achten Klasse. Zuletzt befanden sich darin noch vier Grundschulklassen. Vor gut 25 Jahren zogen diese in das damals neu gebaute Gebäude, in dem sich auch das Kulturzentrum befindet, um. Für kurze Zeit befand sich noch der Kindergarten darin. Das war es dann gewesen mit der Volksschule.
Noch schlimmer: Der Gemeinderat hatte sie aufgrund ihres Zustands bereits zum Abriss freigegeben. Der Camel Club und der C.D.T.S. - dahinter steckte die etwas ungewöhnliche Bezeichnung „Club der toten Säufer“, aus denen später der Jugendtreff entstand – waren damals auf der Suche nach einer Art Vereinsheim oder einem Raum für ihre Veranstaltungen. Statt das Gebäude abzureißen, erlaubte die Gemeinde, es umzugestalten und umzubauen.
In unzähligen Stunden und bei zwei Sanierungen in Eigenregie entstand so die Bleibe für den Jugendtreff. „Außer den Wänden und dem Dach wurde alles selber gemacht“, erzählt der damalige Gründungsvorstand Markus Wecker. 40 bis 80 Personen seien mal mehr, mal weniger daran beteiligt gewesen. „Man macht sich schon so seine Gedanken darüber, was heute aus der Schule geworden ist“, sagt Sebastian Fischer, der damals dort den Kindergarten besucht hat. Die beiden Klassenzimmer und der Eingangsbereich im Erdgeschoss sind dem Jugend- treff vorbehalten. Dort finden auch die Veranstaltungen, wie die Halloween-Party, zu Ostern die HäschenParty, aber auch viele runde Geburtstage statt, mit denen sich der Jugendtreff quasi finanziert. Im Obergeschoss sind heute der Fotoclub Burgau-Gundremmingen und die Krabbelgruppe untergebracht.
Und was ist sonst noch so aus den alten Volksschulgebäuden geworden? Manche wurden abgerissen, beherbergen jetzt einen Kindergarten oder sind Domizil für die Vereine. Auf der anderen Seite des nördlichen Landkreises, in Kemnat, steht am Eingang der ehemaligen Volksschule eine alte Kaelble-Straßenwalze, die sogar noch funktionstüchtig ist. Man fühlt sich um einige Jahrzehnte zurückversetzt: Anstatt Schulbänke und Schultafeln befinden sich dort allerlei Maschinen, Gerätschaften und Utensilien aus den vergangenen 50 bis 100 Jahren.
Die Exponate aus dem ganzen Landkreis reichen vom SimplexKleesamenreiber aus dem Jahr 1947, der Amazone-Kartoffelsortiermaschine aus dem Jahr 1960, über eine ganze Reihe alter Zündapp-, Rixe- und Viktoria-Mopeds bis hin zur Sattler- und Schusterwerkstatt. Und am Ende des Ganges lachen einem sogar die Kemnater Musikanten in ihrer ersten Tracht aus dem Jahr 1956 entgegen. Die Oldtimerfreunde Kemnat-Mindeltal haben das Schulgebäude zu einem Museum umgestaltet, dem „Museum im Dorf“.
Erbaut worden sei es in den Jahren 1959 und 1960, erzählt Xaver Neuburger, der Vorsitzende des Vereins. Ganz am Anfang seien auch dort alle Klassen, von der ersten bis zur achten, in zwei Schulräumen untergebracht gewesen. Zuletzt habe es in Kemnat dann nur noch zwei Grundschulschulklassen gegeben. Die Schüler der beiden anderen seien nach Burtenbach und die Hauptschüler nach Jettingen zur Schule gegangen. 1999 oder 2000 sei die Schule geschlossen worden. Xaver Neuburger erzählt weiter: Der Oldtimerverein habe immer schon Räumlichkeiten gesucht und einfach nichts gefunden. „Ihr mit eurem alten Glump“, hätten die Kemnater immer gesagt. Schließlich habe die Gemeinde 2007 dem Verein das leer stehende Gebäude zur Verfügung gestellt.
Zehn Jahre lang baute er es um, bis am 7. Mai vergangenen Jahres das Museum öffnete. Im Turnraum im Keller findet das Kinder- und das Frauenturnen statt und im hinteren Drittel haben die Schützen ihre Bleibe. Das Museum ist jeden zweiten Sonntag im Monat geöffnet.
Wieder anders präsentiert sich das alte Volksschulgebäude in Hafenhofen. „Alte Schule“steht in großen Buchstaben an der Wand, darunter die Zahl 1889, dem Jahr, in dem sie gebaut wurde. Bis 1968 war auch sie eine achtklassige Volksschule. Bis 1973 wurden anschließend noch die ersten vier Klassen unterrichtet, dann wurde die Schule geschlossen. Die damaligen Gemeinderäte Erwin Stocker, Hans Foag und Ulrich Schuster gaben 1991 den Anstoß dazu, wie das Schulgebäude wieder hergerichtet werden sollte. Den Umbau hätten die Hafenhofer Vereine komplett in freiwilliger Leistung übernommen.
Insgesamt 52 Personen von der Feuerwehr, den Schützen, vom Musikverein, dem Soldaten- und Kameradschaftsverein und der gerade neu gegründeten Frauenrunde hätten sich daran beteiligt, erzählt Erwin Stocker. Fast von jedem Haus sei jemand da gewesen. In einem der beiden Schulsäle im Obergeschoss, in dem sogar noch das Klavier der Lehrerin steht, probt seit 1980 der Musikverein. Der andere ist jetzt der Bürgersaal. Die Eichentreppe, die hinaufführt, ist noch die alte. „Da sind sogar noch unsere Fußabdrücke drauf“, lacht Schuster.
Regelmäßig sei man auch auf dem Treppengeländer heruntergerutscht. Überhaupt seien die Regeln andere gewesen als heute: „Ich darf den Unterricht nicht stören“, habe man 30 Mal schreiben müssen, wenn man nicht anständig gewesen sei, schmunzelt Erwin Stocker. Und angeblich soll die Lehrerin einmal in die Holzkiste gesperrt worden sein und man habe sich dann auf den Deckel draufgesetzt, fährt er fort.
Eine andere Funktion erfüllt heute das ganz alte Schulgebäude an der Hauptstraße in Schnuttenbach: Anfang der 20er Jahre wurde es als einklassige Schule gebaut und in den 60ern durch das Schulhaus ersetzt, in dem sich heute der Kindergarten St. Ursula befindet. Iris Fennell und Reinhard Grunewald haben es, nachdem es als Wohnhaus genutzt wurde, im Jahr 2005 erworben und zu einem Schmuckstück mit großem Garten hergerichtet. Die viele Arbeit, die damit verbunden gewesen sei, habe sie nicht gestört. „Das Haus hat ein eigenes Flair und ich möchte es nicht mehr missen“, sagt Iris Fenell.