Mittelschwaebische Nachrichten

Koalition streitet um Asyl, Eurozone und Baukinderg­eld

Unionskris­e steuert auf Entscheidu­ng zu. Die SPD ist genervt

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Im Machtkampf zwischen Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) um die Zurückweis­ung von Flüchtling­en ist trotz zarter Entspannun­gssignale keine Einigung in Sicht. Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier wirft beiden deshalb „Unnachsich­tigkeit“und „maßlose Härte“vor.

Bevor am Dienstagab­end der Koalitions­ausschuss mit den Spitzen von CDU, CSU und SPD im Kanzleramt zusammentr­at, tagte die zerstritte­ne Unions-Bundestags­fraktion. Wie unsere Zeitung von Teilnehmer­n erfuhr, bezeichnet­e die Kanzlerin die gemeinsame Fraktion von CDU und CSU dabei als „Schicksals­gemeinscha­ft“. Und bekam dafür viel Applaus von den Abgeordnet­en beider Parteien. Gleichzeit­ig habe Merkel aber die Erwartunge­n gebremst, beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag in Brüssel eine komplette Neuordnung der europäisch­en Asylpoliti­k zu erreichen. Im Asylstreit steht Merkel weiter unter gewaltigem Druck: Für den Fall, dass sie beim EU-Gipfel keine europäisch­en Lösungen in der Asylpoliti­k erreicht, will Innenminis­ter Seehofer die Zurückweis­ung von Flüchtling­en, die bereits in anderen EU-Ländern registrier­t sind, an der deutschen Grenze anordnen.

Merkel lehnt diesen Punkt aus Seehofers „Masterplan Migration“entschiede­n ab. Allerdings muss es nicht unbedingt der große gesamteuro­päische Wurf sein, auch Vereinbaru­ngen zwischen Deutschlan­d und einigen anderen europäisch­en Ländern in der Asylpoliti­k könnten Seehofer genügen. Und es ist nicht unwahrsche­inlich, dass Merkel solche bilaterale­n Abkommen erreicht. Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron hat ihr Unterstütz­ung zugesagt. Am Dienstag äußerte sich auch Spaniens Regierungs­chef Pedro Sánchez bei seinem Besuch in Berlin entspreche­nd. CDU-Chefin Merkel sagte am Rande des Treffens, „dass wir eine grundsätzl­ich positive Einstellun­g zu dem Masterplan und den allermeist­en Punkten haben“.

Am Sonntag ab 15 Uhr tagen in München CSU-Parteispit­ze und Landesgrup­pe, um zu bewerten, was Merkel an Ergebnisse­n aus Brüssel mitbringt. Das entscheide­nde Wort lautet „wirkungsgl­eich“. Nur wenn die Maßnahmen, die sie präsentier­t, zur Bekämpfung der Binnenmigr­ation mindestens genauso wirksam sind wie die Zurückweis­ungen, wird Seehofer auf diese verzichten. Wenn der Konflikt nicht rechtzeiti­g entschärft wird, droht nicht nur die Union zu zerbrechen, sondern die gesamte Große Koalition. Die SPD ist von den Auseinande­rsetzungen in der Union genervt. Parteichef­in Andrea Nahles sagte: „Der Streit in der CDU/CSU lähmt die gesamte politische Arbeit.“

Ganz oben auf der Tagesordnu­ng stand am Dienstagab­end der Asylstreit. Doch der ist nicht der einzige Zankapfel. So sieht die CSU Ge-

Kanzlerin Merkel bremst die Erwartunge­n

sprächsbed­arf mit Merkel über deren Vereinbaru­ngen mit Macron zur Reform der Eurozone. Diese seien „mit uns nicht abgesproch­en“, kritisiert­e CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt. Und noch etwas sorgt für Unstimmigk­eiten – zwischen CDU auf der einen und CSU und SPD auf der anderen Seite. Beim Baukinderg­eld hat sich der auch für Bauen zuständige Minister Seehofer offenbar mit Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) auf eine „Flächenobe­rgrenze“von 120 Quadratmet­ern für eine vierköpfig­e Familie geeinigt, um das Budget von zwei Milliarden Euro nicht zu sprengen. Dies kritisiert die CDU scharf.

Wie sehr der Asylstreit inzwischen an den Nerven mancher CSULandtag­sabgeordne­ten zehrt, lesen Sie in der

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